Ein Gespräch mit Hildegard Westerkamp und Norbert Rübsaat sowie Ausschitte aus ihren Gemeinschaftswerken
Die Arbeiten von Hildegard Wersterkamp und Norbert Rübsaat versetzten einen immer wieder in die Landschaft der kanadischen Provinz British Columbien und lassen Bilder von unberührter Natur, Wäldern, Flüßen, Bergen und dem Meer entstehen.
Vancouver, die 3. größte Stadt Kanadas, liegt jenseits der Rocky's am Fuße der Berge und dem pazifischen Ozean. 1986 war Vancouver Schauplatz der Weltausstellung. Zu deren Eröffnung versammelten sich an einem Maitag des Jahres 1986 an die 150 Schiffe und Boote im Hafen von Vancouver, bereit die im Auftrage der EXPO von Hildegard Westerkamp komponierte Harbour-Sinfonie erklingen zu lassen. Dirigiert wurde die Sinfonie über Schiffsfunk von einem Boot aus. "Es klang wie eine Herde glücklicher Elefanten, die in einem Verkehrsstau festsitzen" schrieb die Zeitung Glob and Mail über die Harbour-Sinfonie. Aus verschiedenen Aufnahmen der Sinfonie mixte Hildegard Westerkamp schließlich eine Tonbandversion des Werkes. Norbert Rübsaat, der unter anderem an Übersetzungen deutscher Theraterstücke ins Englische und umgekehrt arbeitet und Hildegard Westerkamp, die in Deutschland Musik studierte und schließlich mit Murray Schäffer zusammenarbeitete, beschäftigen sich vor allem mit Umweltklängen. Hildegard Westerkamp schreibt der Bedeutung der Klänge einen großen Einfluß auf uns und die Art wie wir leben zu. "Wir sind dauernd von Lärm unmringt, sodaß wir leicht die Beziehung zur eigenen Stimme und der Stimme der Wildnis verlieren." Das Interesse von Hildgard Westerkamp und Norbert Rübsaat an der Klangumgebung und insbesondere an Umweltklängen drückt sich auch in dem Wildnis-Environement "Kordilliera" aus. "Kordilliera" besteht aus 17 akustischen Schnappschüßen ganz bestimmter Punkte in der Wildnis der west-kanadischen Berge. Das Werk handelt von der Landschaft, der Wildnis und der menschlichen Gegenwart an Orten die von vielen als völlig unergiebig und schweigsam betrachtet werden. "Kordilliera" entstand zunächst als akustische Installation für ein New Wildernes Festival der Western Front Gallerie in Vancouver. Doch Hildegard Westerkamp hat die meisten ihrer Kompositionen aus Umweltklängen auch im Radio gesendet. "Radio erweist sich als ein sehr geeignetes Medium, da es weniger mit Konventionen behaftet ist und mehr Freiheiten erlaubt, als z.B. Aufführungen in einem Konzertsaal. Im Radio ist es möglich Collagen Sound- oder Klangdokumente zu machen bzw. Klänge zusammenzubringen."
In den Klangarbeiten von Hildegard Westerkamp und Norbert Rübsaat nimmt auch die Sprache einen hervorgehobenen Platz ein. Der Schriftsteller und Dichter Norbert Rübsaat interessiert sich auch für die Umgebung in der Sprache stattfindet, einer Umgebung, in der Wörter geschehen und ein Echo finden.Sprache und Umweltklänge - z.B. Lesungen in einem Wald aufgenommen und für das Radio bearbeitet - verbinden sich in den Arbeiten von Hildegard Westerkamp und Norbert Rübsaat sozusagen zu einer Klangwelt. Klänge - so Hildegard Westerkamp - sagen auch immer etwas drüber aus, wie die Gesellschaft zur Welt, zu der Natur und zu der Kultur steht. In diesem Sinne können Umweltklänge auch zu einem politischen Statement werden. Hildegard Westerkamt formuliert dies so:"Kanada ist ein riesiges und weites Land. Doch es ist schwer in dieser "Wildnis" eine Stelle zu finden, wo man nicht auf mechanische Klänge von Flugzeugen, Sägen, oder dem Verkehr stößt. In Kanada wird die Natur häufig als Ressource, als Rohstoff und nicht als heilende Umbebung gesehen - und das sagt auch etwas über unsere Gesellschaft aus." Dieser gesellschafts-politische Ansatz findet sich auch in der dokumentarischen Arbeit "Voices for the Wildernis" - Stimmen für die Wildnis - von Hildegard Westerkampe und Norbert Rübsaat. diese Arbeit geht zurück auf ein Festival das Teil einer Kampagne zur Rettung des Stein Vally war - einem der letzten noch ganz unerschlossenen, von Vancouver aus in einer Tagesreise erreichbaren, Flußtäler. Da wir von Klänge umgeben sind, ist es für Hildegard Westerkamp und Norbert Rübsaat wichtig, sich die Klänge selber anzuhören. "Autos, Radios und Küchengeräte decken unsere Stimmen ab, sodaß wir den Bezug dazu verlieren. Es kann aber auch ein Dialog zwischen dem sprechenden Menschen und der Küchenmaschiene entstehen. Die menschliche Stimme ist ein Teil dieser Klangwelt und findet nicht an einem speziellen Ort statt. Wir verstehen die Sprache meist nicht mehr als Klang, sondern als Übersetzung eines Schriftbildes wodurch die Sprach aber flach wird. Auch stellen wir keinen Zusammenhang mehr her zwischen Welt und Sprache, wir sind uns der Umgebung beim Sprechen meist nicht mehr bewußt. Für Indianer allerdings ist es wichtig wo man spricht, da bestimmte Wörter nur für bestimmte Orte zuläßig sind. Es besteht ein Zusammenhang zwischen den Körpern die sprechen und der Umgebung in der diese Körper entstehen. Diese Zusammenhänge zwischen Körper, Sprache und Umwelt sind für Europäer oft nicht mehr nachvollziehbar, sodaß Brüche entstehen zwischen Körper und Umgebung oder zwischen Stimme und Körper." |