KUNSTRADIO


Die Satelliten-Ohrenbrücke Köln - San Francisco


Ausschnitt aus der Aufzeichnung einer Klangskulptur von Bill Fontana




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Im Memorial Court zwischen dem San Francisco Museum of Modern Art und der Oper von San Francisco, geben 8 Lautsprecher die Geräusche wider, die von 18 Mikrofonen auf der 50 Kilometer süd-östlich von San Francisco gelegenen Farelong Insel bzw. auf der Golden Gate Bridge aufgenommen werden. "Soundsculpters through the Golden Gate" nannte der amerikanische Künstler Bill Fontana diese Arbeit, die er im Mai 1987 zum 50 Jahrjubiläum der Golden Gate Bridge im Auftrag des Museums für Moderne Kunst in San Francisco installiert hatte.

Ebenfalls im Mai 1987 entstand in Köln auf dem Heinrich Böll Platz vor dem neuen Museum Ludwig die Live-Klangskulptur "Metropolis Köln", ein Klangporträt der Stadt am Rhein, gespeist aus 19 Klangwellen. Aufgenommen wurde unter anderem bei verschiedenen Brücken, im Hauptbahnhof, beim Dom, beim Rathaus, auf dem Fischmarkt, in der Fußgängerzone und am Rheinufer. Auf dem Heinrich Böll Platz vermischten sich diese Aufnahmen eine Woche lang live zu einem Proträt der Metropole Köln.

Am 31. Mai 1987 erklangen auf dem Heinrich Böll Platz zwischen 18 und 19 Uhr zusammen mit dem Kölner Klangporträt die Nebelhörner aus San Francisco, die Vögel und Seehunde von der süd-ost Farelong Insel und zwar genauso wie sie zu eben dieser Stunde an den Originalschauplätzen aufgenommen wurden. Am Mischpult des WDR Köln saß der Künstler Bill Fontana und mixte live aus den Kölner und karlifornischen Klängen ein Hörspiel, das genau zu dieser Zeit von Stationen in Europa und den USA ausgestrahlt wurde und seither auch noch von anderen Stationen gesendet worden ist. Bei dieser ersten interkontinentalen Klangskulptur zwischen Europa und Nordamerika mit dem Titel "Ohrbrücke Köln-San Francisco" von Bill Fontana waren über Satelliten der WDR, das American Public Radio und andere Stationen angeschlossen.

Die produktive Zusammenarbeit bei der Realisierung der Ohrbrücke Köln - San Francisco, zwischen amerikanischen und europäischen Sendern, wies dabei auf neue künstlerische und kommunikative Möglichkeiten hin, die dem Medium Radio durch die Satellitenübertragung offenstanden.

Bill Fontana gehört übrigens zu den Künstlern, die wie etwa der Verpackungskünstler Cristo, oder um in Österreich zu bleiben, der Vorarlberger Bildhauer Gottfried Bechtold, die Vorarbeiten zur Realisierung ihrer Projekte als Teil des Kunstwerkes betrachten. Bei der Satelliten Ohrbrücke San Francisco-Köln gehörte es zu Fontanas Kunstwerk, daß Leute aus den verschiedensten Bereichen mit den Ideen und Vorstellungen eines Künstlers vertraut gemacht wurden, denen sie so sonst nie begegnen: Museumsleute in San Francisco und Köln, Intendanten, Redakteure, Techniker, Finanzreferenten in verschiedenen Rundfunkanstalten, die Biologen des Naturschutzgebiets der Farelong Inseln, die Ingenieure der Golden Gate Bridge, die Ingenieure der Post und die Leute in der Kölner Domverwaltung, sie alle waren genauso Teil des Kunstwerkes wie der Mann, der für das Öffnen und Schließen der Gully-Deckel in der Kölner Fußgängerzone zuständig ist. Mitgewirkt haben an der ersten Satelliten-Radio-Skulptur auch die halbe Million Vögel auf den Farelong Inseln, die Seehunde, der Wind über dem Meer, die Nebelhörner, die Glocken in Köln, die Möwen über dem Rhein und so weiter. Philosophisch betrachtet, so meint Bill Fontana, ist nichts vom anderen getrennt. "Die Trennung der Dinge und Menschen voneinander ist eine Erfindung des Intellekts." Fontanas Idealvorstellung von Kunst und Schönheit ist, daß die Unterschiede in sich zusammen fallen und sich natürlichere Wege zu einem Zusammenfinden des Getrennten auftun.



1988 CALENDAR 1