KUNSTRADIO


II.

"Windows"


Ein Hörstück von John F. Rieger
Dauer: 15' 40"
"I 'm interested in pictures, in sound-pictures and I understand that as something different from stories or music ... If you compare radio or audiorecording to music you immediately notice that they get their material in different ways: a sound-recordist receives something from the world, a sound image from somebody or something. Music is not interested in sounds that might represent the world - maybe Beethoven was evoke to the sounds of a thunderstorm or a spring-day, but his primary interest in his materials was the timbre." (John F. Rieger)

In seinem Radiostück "Windows" verwendete der in San Francisco lebende Radiokünstler John F. Rieger die Auf- und Zuschiebe-Geräusche angelsächsischer Schiebefenster. Dabei kombinierte er sofort erkennbare, nicht gleich und schwer erkennbare Klänge des Objektes "Fenster". "Stellt man mehrere Tonbilder nebeneinander, dann entstehen Verbindungen zwischen ihnen, ähnlich den menschlichen Denkprozessen bzw. das, was der Surrealist Andre Breton das 'Murmeln des Unterbewußten' genannt hat". (John F. Rieger)

In seiner Radiosendung "artefacts" realisiert Rieger couragierte Hörspiele, experimentelle Literatur, Radio- und Hörkunst. Ausgangspunkt für das Hörstück "Windows" war eine Sendung mit dem Titel "Gegenstände in Schachteln", der sich auf einen Teil der Arbeit von Joseph Cornell bezog und die sich mit der Frage von "Inhalt" und "Kontext" beschäftigen sollte. "Es gibt im Radio ein modellhaftes Beispiel für das "Inhalt-Kontext"-Problem: die Überblendung eines Interviews mit einer Übersetzung. Der Inhalt ist in der Stimme des Übersetzers, der Kontext ist in der Stimme des Originals. Mir ging es darum, die Aufnahme in den Rang eines eigenen Gegenstandes zu erheben". (John F. Rieger)

"Genauso wie ein Maler mit Materie, mit den elementaren Farben beginnt, geht der Komponist von der Materie 'Ton' aus, dessen grundlegende Eigenschaft die Klangfarbe ist. Einer der Töne aufnimmt ist nicht so sehr an dieser Sache interessiert, vor allem wenn er die Töne so aufnimmt wie ich sie aufnehme. Ich interessiere mich nicht für die Klangfarbe oder andere musikalische Eigenschaften der Töne, sondern dafür, daß sie als aufgenommene Klänge auf die Welt verweisen. Sie haben eine geradezu semantische Qualität - sie sind Bilder, so wie Photos Bilder sind. Der andere Bereich von Radiokunst - wie wir sie heute hauptsächlich hören - ist der literarische Bereich: ob Journalismus oder Hörspiel, es handelt sich immer ums Erzählen von Geschichten. Dabei wird die Ton-Aufnahme auf etwas weniger interessantes reduziert. Sie spielt statt einer Hauptrolle nur eine Nebenrolle. Ich sehe vieles, was in diesem Bereich als Radiokunst läuft, als eine Perversion des Mediums. Ich will Ton-Aufnahmen als solche hören. Ich will ein aufgezeichnetes Bild der Welt hören, das im Magnetophon zusammengesetzt geworden ist, und zwar auf eine so sorgfältige Weise, daß man wirklich etwas über die Welt erfährt".
(John F. Rieger)




1988 Calendar 1