1. MARCH 1990


BETWEEN THE BUTTONS

von Egon A. Prantl



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Egon A. Prantls Schreiben, schreiben, schreiben ist ein ununterbrochener Fluß der sich einmal im Roman, dann wieder im Essay, im Hörspiel, in szenischen Aufführungen oder in Gedichten kristallisiert, wobei dem Gedicht eine grundlegende Funktion zukommt: "Gedichte zu schreiben ist für mich auch immer eine Entwicklung der Sprache. Das Gedicht oder die Lyrik kann man als Experiment sehen, welches dazu dient, die Sprache in den Griff zu bekommen." Was für Prantl um so wichtiger ist, als es ihm in seinen Arbeiten um den Materialcharakter von Sprache geht: "Für mich ist ein Wort vielschichtig." Wenn Interpunktionen aller Art einfließen, schwarze Blöcke wie Ausstreichungen zwischen Worten stehen, Unterstreichungen, Klammern, Schrägstriche vor allem auf sich selbst verweisen, wenn Absätze nicht nur in unterschiedlicher Typographie erscheinen, sondern nicht aufeinander folgen, sondern nebeneinander stehen, sich ineinander verzahnen, wenn einfach jede Seite eines Buches - so wie bei dem Roman "Frauenmord" - ein anders Bild bietet, zwischen und neben den Textblöcken noch kleine Fotos, Zeitungsausschnitte, Stücke aus Werbeprospekten, Landkarten usw. dann weiß man, daß diese Seiten nicht in der Druckerei gesetzt worden sind, sondern vom Autor kombiniert, montiert und collagiert wurden. Und man weiß, daß diese Seiten nicht zum linearen Schmökern - den Faden einer Geschichte von Seite 3 oben bis Seite 195 Mitte verschlingend - geeignet, sondern auf eine ganz andere eben auch wieder vielschichtige Art zu erleben sind.

"Ich versuche Gedanken hörbar zu machen. Jemand hat bei der Präsentation von 'Frauenmord' gesagt, daß man Prantl laut lesen sollte und vielleicht hat er nicht so unrecht. Vielleicht sollte man den Text auf Kassette aufnehmen und während des Anhorchens das Schriftbild betrachten." Doch selbst ohne Tonkassette ruft das Schriftbild von prantelschen Buchseiten das Erlebnis einer Art von Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung verschiedener Dinge hervor.

"Die Texte sind von Anfang an ein Versuch in den Schreibprozeß oder in den Prozeß der herkömmlichen Erzählung einer Geschichte Tagesaktualitäten oder mein Gefühl im Moment des schreibens einzubauen. Der Arbeitsprozeß - also wie z.B. ein Buch entsteht, wie es überhaupt zu einem Buch kommt oder wo die Gedanken überall hinfließen - erscheint mir wichtig." Egon A. Prantl ist natürlich nicht der erste, der die Montage, die Collage verschiedener Elemente benützt, um die Simultanität, die Gleichzeitigkeit, verschiedener Gedanken, Eindrücke und Assoziationen des künstlerischen Arbeitsprozesses für den Rezipienten erfahrbar zu machen. Im Oktober 1959 z.B. entdeckte William S. Borrows das Potential des Cut-ups, des Zerschneidens und anders wieder Zusammensetzens von gedruckter, geschriebener Sprache. Für Borrows führte das Cut-up ein Element des Zufalls und ein Zeitelement in seine Arbeit ein. Statt den Charakter eines Stillebens zu haben, wurde das Schreiben mit Hilfe des Cut-ups zu einem Spaziergang um einen Häuserblock. Es zeigte den einfachen Wahrnehmungsprozeß auf, der ohnehin ununterbrochen stattfindet. Daß man z.B. beim Lesen einer Zeitung zwar eine Spalte liest, zugleich aber nicht nur die anderen Spalten wahrnimmt, sondern auch noch den Bus in dem man gerade fährt und die Person die neben einem sitzt. Es handelt sich also um eine Gegenüberstellung dessen, was man gerade tut mit dem, was rund um einen geschieht. Die Cut-up Methode bezieht diese Gegenüberstellung in die Literatur mit ein. Marcel Duchamp hatte das übrigens schon Jahre vorher gemacht, indem er vier unzusammenhängende Texte in ein viergeteiltes Quadrat klebte.

"Die Cut-up Methode hat in der Zeit der Lyrik eine große Rolle für mich gespielt und auch in den neuen Arbeiten gewinnt die Cut-up Methode wieder an Gewicht." (Egon A. Prantl)

Immer wieder hat man dem Joyce Spezialisten Prantl Arno-Schmidt-Epigonentum vorgeworfen: "Arno Schmidt ist für mich einer der größten deutschen Schriftsteller. Es mag vielleicht stimmen, daß ich die Form von Arno Schmitt übernommen habe, doch verwendet Arno Schmitt andere Sachen als ich." Für das Werk "Empty Rooms" das sich sowohl als Roman, als Theaterstück - aufgeführt in einer Innsbrucker Tiefgarage - wie auch in loser Folge im ORF-Kunstradio als Radio "Work in Progress" kristallisierte, schnitt und klebte, montierte und collagierte Egon A. Prantl über 1000 Seiten. Die Radiostücke zu oder aus "Empty Rooms" tragen den Titel "Between the Buttons". Rolling Stones Fans wissen, daß das der Titel einer Stones LP ist. Während bei Prantls bisherigen Hörspielen Fragmente aus seiner Arbeit neu montiert und Schauspielern in den Mund gelegt wurden, arbeitete er bei dieser Hörstückserie mit Originalton-Dokumenten und Musikzitaten, wendete also analog zu den geklebten prantelsche Buchseiten die Cut-up Methode, die Collage bzw. die Montage auf das Tonband an.

"Between the Buttons Nr.1" umfaßt eine Fülle von Originalzitaten über Krieg und Frieden. Wann beginnt der Krieg, wann hört der Friede auf? Wieviel ist es wert, um den Frieden zu kämpfen? Das Stück stellt eine geballte Ladung an unendlich difiziler und beinharter Information gemischt mit Musik dar." Auch bei der Hörstückserie "Between the Buttons" faszinierte Prantl die Möglichkeit der Darstellung von vielen ursprünglich auf viel kürzere Zeit und viel kleineren Raum zusammengedrängten Assoziationen. "Aus einem Satz aus 'Empty Rooms' ist man fähig ein 'Between the Buttons' zu machen. Diese Form der Arbeit war für mich vollkommen neu."

Wie bei allen seinen Arbeiten verlangt Prantl auch bei seiner Toncollage ein aktives Mitgehen seiner Rezipienten. Das Werk vollendet sich sozusagen erst im Kopf der Hörerinnen und Hörer. "Als Zuhörer kann man sich genau vorstellen, was ich mir innerhalb von 2 Sekunden denke, was ich für Assoziationen habe. Wenn ich mein Gehirn öffne, so sollen auch die Hörer oder Leser ihre Ohren oder Augen öffnen."




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