KUNSTRADIO


"Werke von Bodo Hell"


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Bodo Hell

Anläßlich der Verleihung des Erich Fried-Preises an Bodo Hell bringt das ORF-Kunstradio einen Ausschnitte aus Werken ("Mischabel", "Ziegenmelken", "Music on hold") des österreichischen Literaten. Bodo Hell, 1943 in Salzburg geboren, gilt als Meister eines Montage-Realismus, der sich auf sein Wissen und Bewußtsein um den Verlust an natürlichem Lebensraum, an sprachlicher Individualität begründet. In seinem 1989 im Grazer Droschl-Verlag erschienen Erzählungen "wie gehts" schreibt der Autor: "Jeder bedeutende Einzelgänger, jede bedeutende Einzelgängerin muß sich ja darum bemühen, ein "stilistisches Kraftfeld" hervorzubringen ..." In seiner 1983 veröffentlichten Stadtschrift "Linie 13A" macht Bodo Hell seinen Lesern in Form von Fotos und Text bereits klar, wie schwierig - ja geradezu unmöglich es ist, diesem Anspruch an individueller, nicht nachgeahmter sprachlicher Ausdruchsweise gerecht zu werden. Denn die Sprache, so zeigt er, ist durch die Phrase verplant und verbaut, die Kommunikation durch Slogans und Piktogramme verstellt.

Der Preisträger des 1972 erstmals vergebenen Rauriser Literaturpreis montiert seine in Phrasen, Metaphern und visuellen und sprachlichen Symbolen gefaßten Wahrnehmungen zu einer assozativ erfaßbaren Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit. Bodo Hell zählt nicht zu den Schriftstellern, die ein Handlungskonstrukt am Schreibtisch entwerfen. Der "rote Faden" in seinen Erzählungen rollt sich spontan in der Bewegung des Autors, während einer Wanderung (z.B. "Dom Mischabel Hochjoch", 1977) oder bei der Fahrt durch die Stadt ("Linie 13A") auf. Die dabei entstehende Kette an miteinander verknüpften Gedanken und Wahrnehmungen gleitet nur scheinbar flüchtig am Leser vorbei. In Wahrheit hüllt sie ihn ebenso ein, wie das Netzwerk seiner eigenen, alltäglich erfahrbaren Realität.

Bodo Hells eigene und eigenwillige Wege in der Literatur haben ihre Entsprechung in seinem Alltagsleben. Er ist nicht nur Schriftsteller und Fotograph, sondern auch Viehhüter auf einer Genossenschaftsalm im Ennstal. Bei Kritikern gilt er als Perfektionist, Philosoph und liebenswürdiger Querdenker. Mit seinem Versuch, die "Unrast des Lebens" in seinen Endlosaufsätzen einzufangen, nutzt er die Möglichkeit für einen neuen Entwurf von Literatur. Bodo Hell zu "Music on hold": "Eine assoziative Rede zum Thema Hören und Hören müssen, die den Bogen von der täglichen Lärmbelästigung bis zur akustischen Halluzination spannt. Die Rede der Autorenstimme konkurriert mit Wartesignalen, Trostformeln und Musik im Wartezustand aus der täglichen Telekommunikation".



1991 CALENDAR 1