KUNSTRADIO


Zu den Sound- und Radioskulpturen
des amerikanischen Künstlers Bill Fontana


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Aus Anlaß des Symposiums über den Begriff "Skulptur" in der zeitgenössischen Kunst, das am 7. und 8. Juni in der Akademie der Bildenden Künste stattfindet, bringt das ORF-Kunstradio einen Beitrag zu Bill Fontanas akustischen Skulpturen. Die Skulptur als Arbeit mit Klängen unter Einbeziehung der Dimensionen Raum und Zeit - dieser Gedanke bildet den Ausgangspunkt im Schaffen des 1947 in Cleveland/Ohio geborenen bildenden Künstlers. Begonnen mit den Klangskulpturen hatte er 1974: bis dahin hatte Bill Fontana Tonbandaufnahmen gemacht, ohne darüber Klarheit zu haben, wie er sie verwerten sollte.

Der Moment der künstlerischen "Erleuchtung" kam ihm, als die Anmerkungen Marcel Duchamps zu seinem "Großen Glas" las:

"lasting sound leaving from different places and forming sounding a sculpture which lasts" (in der Übersetzung sinngemäß: "anhaltende Klänge, die von verschiedenen Plätzen ausströmen, formen eine Klangskulptur, die eine Zeit lang hörbar existiert"). In der Folge arbeitete Bill Fontana in den USA sowie in einigen europäischen Ländern, u.a. in Österreich an zahlreichen Klangskulpturen.

Der Begriff "Skulptur" als Klang hatte sich durchgesetzt: als bildender Künstler erhielt er den großen Preis der amerikanischen Kunstförderungsbehörde, obwohl er nie im Leben einen Gegenstand künstlerisch bearbeitet hat. 1976 bezog Bill Fontana erstmals das Radio in die Realisation einer Klangskulptur in Sidney mit ein. Er nutzte den australischen Rundfunk für sein Projekt "Kiribilli Wharf", um Klänge in den öffentlichen Raum des Radios transportieren zu lassen. Ihn faszinierte der Gedanke, daß man mittels Radio ein und denselben Klang in Tausende von verschiedene Sound-Umfelder einbetten kann. Das war neu: denn bis dahin hatte sein Konzept darin bestanden, akustische Skulpturen zu schaffen, bei denen ein Klang in eine ungewohnte Umgebung eines Ortes versetzt wird. Berühmtes Beispiel: "Oscillating Steel Grids along the Brooklyn Bridge", 1983 - eine Klangskulptur, die darin bestand, die Geräusche der Brücke auf den Platz im World Trade Center in New York City zu übertragen.

In Österreich hat sich Bill Fontana u.a. mit seiner Klangskulptur im Rahmen der "Ars electronica" 1989, für die er Hörer des Rundfunks Alltagsgeräusche aufnehmen und vermitteln ließ, sowie mit seiner Klangskulptur in Graz beim steirischen herbst 1988, einen Namen gemacht. Für "Sonic Projections from Schlossberg Graz" wurden an acht ausgesuchten Plätzen der Grazer Innenstadt Mikrophone installiert, um Alltagsakustik einzufangen, die dann gebündelt in acht Lautsprechern im Hof des Landhauses wiederum ins städtische Umfeld ausgesendet wurde. Von der Höhe des Schlossberges schickte Fontana aus starken Tonboxen exotische Geräusche in unregelmäßigen Abständen über die Stadt. Diese Geräusche, verbunden durch den Echo-Effekt, vereinigten sich schließlich zu einer dichten, unlösbaren Klangskulptur.

Noch bekannter wurde Fontana hierzulande allerdings mit seinen "Klang-Landschaften", die anläßlich der Wiener Festwochen 1990 präsentiert wurden: am Wiener Maria-Theresien-Platz wurden die Naturgeräusche aus der Hainburger Au übertragen, die urbane Akustik mit jener aus der Au verquickt. Das Projekt "Klang-Landschaften" ("landscape-soundings") wurde als Radioproduktion auch beim Prix Italia mit einer "ehrenvollen Erwähnung" ausgezeichnet.

Bill Fontanas Philosophie seiner Klangskulpturen: die zeitliche Dimension seines Klanges muß unverändert bleiben. Er verkürzt oder manipuliert nicht die Klangelemente am Schneidetisch, er klebt keine Teile, die nicht zusammengehören. Denn der räumlich-zeitliche Aspekt des Klanges ist für ihn auch "der Herzschlag eines Klanges", das "was ihn lebendig macht. Ihn zu zerschneiden heißt, ihn zu töten ..."



1991 CALENDAR 1