15. OCTOBER 1992


"25 Jahre Österreich 1"

Ein Rückblick auf die Anfänge der Radiokunst auf Ö1



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Zum Thema "25 Jahre Österrreich 1" waren am 15.10.1992 im ORF-Kunstradio Radiokunsterinnerungen und ein Rückblick auf die Anfänge der Radiokunst auf Ö1 zu hören. Unter dem Titel "KUNST HEUTE" wurde im Herbst 1976 eine eigene monatliche Sendung für zeitgenössische bildende Kunst begründet. Diese Sendung wurde 1984 in "KUNSTRADIO" umbenannt und wöchentlich ausgestrahlt. Ab 1987 heißt sie "KUNSTRADIO/RADIOKUNST" und versteht sich als Gallerie für zeitgenössische Literatur, Musik und bildende Kunst, deren Werke speziell für das Radio entwickelt werden. Das "Kunstradio" bot vor allem Hörraum für Aktuelles aus dem Kunstgeschehen, sowie kunstkritische und kunstpolitische Reflexion, Trendanalysen und Fragestellungen.

Die Anfänge der Radiokunst auf Ö1 - und es hat im Laufe der Jahre auch Radiokunst in allen anderen Radioprogrammen des ORF gegeben und gibt sie immer noch - die Anfänge der Radiokunst auf Ö1 in den Vorläufersendungen zum ORF-Kunstradio lassen sich ziemlich genau mit 1977 datieren. Die internationale Kunstszene war damals gekennzeichnet von der Performancekunst und der Medienkunst. Bildende Künstler tourten um die Welt, um ihre Kunst in Gallerien und Museen aufzuführen, und selbst Kunstmessen schmückten sich mit Performancefestivals und Aktionen. Die meisten von ihnen hatten auch einen Soundanteil. Nicht alle aber einen so eigenständigen wie die Aktionen des Hermann Nitsch. Seine 56. Aktion fand 1977 in Bologna in einer großen aufgelassenen Kirche statt, die trotzdem den Zustrom der Besucher nicht fassen konnte. In der Sendung "Kunst heute" wurde ein Ausschnitt aus dem Klang der 56. Aktion von Hermann Nitsch gespielt. Der Gesamtsoundtrack erschien auf 3 LP's.

Einer der wichtigsten Performancekünstler nicht nur der 70er Jahre war der Amerikaner Terry Fox, in dessen Arbeiten der Klang von gespannten Saiten, das Pfeifen eines Teekessels und so weiter eine große Rolle spielten. Von 1972 bis 1978 beschäftigte sich Terry Fox in fast allen Arbeiten in Objekten, Zeichnungen, Performances und Soundarbeiten mit dem Labyrinth der Kathetrale von Chartre. Und zu dieser vielfältigen und vielmedialen Auseinandersetzung zählte auch eine der wenigen ausgesprochenen Radioarbeiten des Terry Fox: Für den amerikanischen Sender KPFA in Berkeley setzte er das Labyrinth mit 11 konzentrischen Kreisen in eine 90minütige Radiokomposition aus dem unbearbeiteten Schnurren von ebensovielen Katzen um. Jedem Kreis wurde also eine Katze zugeordnet und 10 Sekunden Schnurren entsprechen einem der 552 Schritte durch das Labyrinth. 10 Sekunden sich überlappendes Schnurren von 2 Katzen wiederum einer der 34 Kehren. Im Zentrum des Stückes schnurren alle 11 Katzen gemeinsam. In der Sendung "Kunst heute" wurde im Dezember 1977 anläßlich eines Österreichaufenthaltes von Terry Fox ein Ausschnitt aus "The Labyrinth composed for the purse of 11 cats" vorgestellt. Dieses Katzenschnurren löste 1977 einige Aufregung bei manchen Hörern, und auch bei den Kollegen von der Technik, die das Band abspielten und sendeten, aus. Kinder allerdings, der Sohn des Künstlers eingeschlossen, liebten das Katzenschnurren. Die Partitur für dieses Hörstück hatte der Künstler aus dem Labyrinth der Kathedrale von Chartres abgeleitet, als Material für seine Kompositionen verwendete er Tonaufnahmen vom Schnurren verschiedener Katzen.

Ebenfalls 1977 machte die Österreicherin Renate Kocer im Aufnahmestudio eine Art von Performance nur für Radiohörer. An einem Zeichenpult zeichnete sie ein weißes Blatt ganz schwarz und zeichnete dabei 13 Minuten lang das Geräusch des Zeichnens - fast schon einen white noise - auf.

"Musik und Sprache sind Material für meine Skulpturen" sagte der amerikanische Konzeptkünstler Lawrence Weiner in einem Interview für die ORF-Sendung "Kunst heute" in der er unter anderem auch mit einigen seiner Schallplattenarbeiten figurierte bis der Künstler persönlich eine Radioarbeit zusammengesetzt aus Musik und Sprache nach Wien mitbrachte. Diese Radioskulptur mit dem Titel "Need to know" wurde für den New Yorker Kunstsender WBAI in dem neben Lawrence Weiner auch Vito Acconci oder Robert Barry ihre Radioskulpturen aufführten, produziert.

Selbstverständlich entdeckten auch österreichische KünstlerInnen das Radio als Gegenstand und Ort ihrer Kunst. 1984 fand ein Symposium Kunst und Medien in Wien statt und aus diesem Anlaß widmenten sich 2 Ausgaben der Sendung "Kunst heute" der Uraufführung von Radioarbeiten österreichischer Künstler: Am 6. April 1984 las der Vorarlberger Bildhauer Gottfried Bechtold um 21 Uhr auf Ö1 die Nachrichten. Damals als Nachrichten noch viel ausschließlicher in strengem Nachrichtenstil gelesen wurden, war diese nicht-neutrale Stimme für sehr viele Hörer äußerst irritierend. Heute gibt es übrigns wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der sogenannten neutralen Radionachrichtenstimme beschäftigen und nachweisen, daß diese im Grunde männliche Stimme ihren Ursprung in den Zensurbestimmungen der Zwischenkriegszeit hat.

Die Kennung für Kunst im Radio und das waren auch die Nachrichten gelesen von dem Vorarlberger Künstler Gottfried Bechtold stammt von zyx. Und zyx wiederum gehört zu einer Gruppe von Künstlern die in allen Medien von der Plakatsäule bis zum Fernsehen Werbespots plaziert haben. Mit dem Spot "Kunst schwer" hatte eine Künstlergruppe Kunst in alle Formen und Medien der Werbung eingeschleust. Ein vielleicht unbekanntes Vorbild für diese immer noch beliebte Kunststrategie war der Engländer David Troostwyck dessen "Advertisment of an Idea" einige Male in "Kunst heute" und im ORF-Kunstradio gespielt worden ist. David Troostwyck hatte seinen Werbespot bereits 1976 im englischen Kommerzsender Capital Radio plaziert.

Das Besetzen von gewöhnlich anderen Inhalten vorbehaltenen öffentlichen Räumen mit Kunst ist, wie gesagt eine Strategie die immer noch von vielen Künstlern angewendet wird. Eine exemplarische Arbeit dieser Art gelang den amerikanischen Künstlern Bob George und Laurie Anderson. Laurie Anderson, Performancekünstlerin und Vertreterin der narrativ oder story art hatte in den 70er Jahren in der Holly Solomon Gallery eine Ausstellung bei der sie eine von ihr selbst besungene Single in einer Musicbox ausstellte. Ein paar Jahre und viele Performances - darunter auch einige in Österreich - später produzierte der Künstler und Soundartspezialist Bob George eine weitere Single mit Laurie Anderson. Am 16.8.81 stellte Bob George diese über 8 Minuten lange Maxi-Single in der Sendung "Kunst heute", in der er wie schohn früher einige Male mit Beispielen amerikanischer Soundart zu Gast war, vor. Damals am 16. August 1981 hatte Bob George noch keine Ahnung vom Welterfolg seiner Produktion mit Laurie Anderson. Diesen Welterfolg bereitete er übrigens selbst durch einen Auftritt in der John-Peel-Show der BBC vor, in der er ähnlich wie in der ORF Sendung "Kunst heute" als Gast immer wieder Beispiele amerikanischer Soundart vorspielte.


1987 sorgte Heidi Grundmann für eine neuerliche inhaltliche und gestalterische Transformation der Sendung: unter dem neuen Sendetitel "Kunstradio - Radiokunst" wurde die Sendung selbst zum Ort und Schauplatz von Kunst. KUNSTRADIO - RADIOKUNST in der heutigen Form ist eine Art Galerie, in der die Arbeiten von AutorInnen aus Literatur, Musik und Bildender Kunst präsentiert werden. Die Werke wurden ganz spezifisch für das Medium Radio entwickelt.


1992 Calendar 2