KUNSTRADIO


I. "Napoli"

von Roberto Paci-Dalò


II. "Radiomutationen"

von Christoph Cargnelly und Peter Szely


I.

"Napoli" - ein akustisches Stadtporträt


von Roberto Paci-Dalò


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http://www.kunstradio.at/1994A/MP3/13_01_94a.mp3
"Napoli", produziert von der italienischen Künstlerformation Giardini Pensili Rimini (Roberto Paci Dalò u.a.), dem ORF-Kunstradio und L`Alfabeto Urbano Napoli in Zusammenarbeit mit RAI Radiouno Audiobox Rom, ist als Radioarbeit, als Installation und auf CD zu hören. Die CD (stereo) gibt den Klang der Installation wider und ist - ebenso wie das Radiostück "Napoli" - aufgrund der speziellen akustischen Raumeffekte am wirkungsvollsten mit Kopfhörern zu genießen. "Napoli" ist Teil des Gesamtprojekts "del Disorientamento" (1992-95), an dem die italienischen Künstler Giorgio Agamben, Isabella Bordoni, Guido Guidi und Roberto Paci Dalò beteiligt sind.

Für "Napoli" hat sich Roberto Paci Dalò auf die Suche nach den akustischen Geheimnissen dieser Stadt bei Tag und bei Nacht begeben. Die verschiedenen Geräusche und Töne, die das urbane Leben charakterisieren (Arbeitsgeräusche von Druckmaschinen und Metall, Marktschreier, Springbrunnen, Wasser, Verkehrslärm und Schritte von Passanten), sind in Neapel ebenso zur Alltagsakustik zu rechnen, wie die spontan angestimmten Lieder, die von folkloristischer Instrumentalmusik begleitet werden. In "Napoli" werden diese Lieder von der Folklore-Gruppe "E Zezi" (Marcello Colasurdo, Massimo Mollo und Marzia del Giudice) gesungen und gespielt.

Wie mit einer Kamera fängt Robert Paci Dalò die Eindrücke der städtischen Klanglandschaft ein. Die Objekte seiner Tonbandaufzeichnungen, die Geräuschquelle, "zoomt" er heran. Die Klangbilder entstammten den verschlungenen Windungen des Gedächtnisses einer Stadt. Ein akustischer Film entsteht: aus Schritten, Stimmen, Schreien und Rufen, aus Musikinstrumenten und Maschinenlärm, aus den Hörbildern von einem Fest am Fuße des Vesuvs werden Szenen geformt. Schichten von Klängen ertönen in ständiger Abfolge. Graduelle tonale Veränderungen und Entwicklungen, die durch minimale Verlagerungen des Aufzeichnungsinstrumentariums erzielt werden, nimmt man im Blitzlicht akustischer Gewitter wahr. Ständig drängt sich die Frage auf, wie die zu hörenden Klänge und Geräusche zu deuten seien.

"In bestimmten Momenten wird das Mikrophon wie ein Linse verwendet, die Besonderheiten und Details - kaum wahrnehmbare Töne - vergrößert. Mikro- und Makrohörräume gehen ineinander über, behalten jedoch ihre Charakteristika. Die verwendeten Tonmaterialien stehen miteinander in Beziehung, aber sie verschmelzen nicht", erzählt Robert Paci Dalò über sein Arbeit.

Wer das Stück "Napoli" "besichtigt", taucht in die Klanglandschaft einer Stadt mit vielen "Hör-Geheimnissen" ein, in der das akustische Leben tatsächlich eine entscheidende Rolle spielt.


II.

"Radiomutationen, Teil 1"


von Christoph Cargnelly und Peter Szely


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http://www.kunstradio.at/1994A/MP3/13_01_94a.mp3
Radio als Medium, das auch für den Dialog, für die Kommunikation zwischen verschiedenen akustischen Räumen (der Sender und der Empfänger) verwendet werden kann - das ist die Grundidee des Radioprojekts "Radiomutationen" von Christoph Cargnelli und Peter Szely.

Das akustische Umfeld des Hörers wird in die radiospezifische Komposition miteinbezogen. Während des Sendevorgangs wird die Akustik der räumlichen Situation der Empfänger aufgezeichnet. Dieses Material - bestehend aus gesendeten Programm plus Umfeldakustik während der Übertragung durch die verschiedenen Empfängermedien (Hifi-Anlage, Kofferradio, Autoradio, Walkman, etc.) - wird in weiterer Folge als Basismaterial für den dritten und letzten Teil des Projekts verwendet.

Das erste Stück besteht aus zwei Kompositionen von Christof Cargnelli und Peter Szely. Das Ausgangsmaterial der beiden Stücke setzt sich aus zwölf gesampelten Geräuschen zusammen, wobei jeder der beiden Komponisten jeweils sechs Samples beisteuerte. Beide Stücke sind zu Beginn in Zwölftontechnik, gehen schließlich ineinander über, um dann, jedes für sich, einen eigenen Verlauf zu nehmen.

Bei der Produktion ihrer beiden Stücke ergab sich durch die Auseinandersetzung mit den Samples des jeweils anderen ein bewußter und beabsichtigter wechselseitiger Einfluß des einen Komponisten auf die Arbeit des anderen.



1994 Calendar 1