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Kunstkopf der Woche: Hans Weigand: - Künstler von Fritz Grohs

"YES"

Ein Hörspiel nach James Joyce
von Christian Utz

Sprecherin: Susa Paul
Gesang: Barolo Musil
Klavier, präpariertes Klavier: Hannes Löschel
Schlaginstrumente: Elisabeth Flunger
Produziert am Institut für Elektroakustik in Wien,
April/Juni 1993
Texte von James Joyce
Zitierte Lieder und Arien:
Binham/Molloy: Love is Old Sweet Song
Melville/Tosti: Good-Bye
Bingham/Trotere: In Old Madrid
Meyerbeer: O Beua Pays (Les Huguenots, 2. Akt)
Mozart: La ci darem (Don Giovanni, 1. Akt)



PLAY
http://www.kunstradio.at/1994A/MP3/05_05_94.mp3

Das Hörspiel "YES" ist die radiophone Fassung eines von Christian Utz konzipierten und von vier KünstlerInnen (Susa Paul, Bartolo Musil, Hannes Löschel und Elisabeth Flunger) aufgeführten experimentellen Musik-Theaterstücks gleichlautenden Titels.

Der in "YES" akustisch und musikalisch aufbereitete Text entstammt Joyces Meisterwerk "Ulysses", das die Gattung des traditionellen Romans in Frage stellt. Die Überlagerung von mehreren Ebenen an Assoziationen und Denkprozessen fordert eine musikalische Deutung geradezu heraus, erläutert Autor Christian Utz die Wahl der literarischen Vorlage.

Molly Blooms vielschichtiger innerer Monolog (aus "Penelope", dem letzten Capital von "Ulysses") fließt, ihrem Bewußtseinsstrom folgend, in einer Endlos-Schleife dahin. Stellt man eine Endlos-Schleife auf den Kopf, so erhält man eine 8. Die Zahl 8 ist in der Insezenierung des Stücks von tragender Bedeutung: 8 Fünf-Minuten-Phasen strukturieren Mollys Kanon-ähnlichen Erzählfluß. Die Reihenfolge dieser Phasen - mit Ausnahme der Anfangs- und Schlußphase - ist variabel, wodurch "YES", in unterschiedlichen Versionen denkbar, als work-in-progress ohne endgültige Fassung gespielt werden kann. Einige dieser Phasen sind übereinandergeschichtet.

Das Unendlichkeitssymbol, bzw. die Zahl 8, spielt auch in der Interaktion zwischen Instrumenten, Gesang, Sprache, Lautsprechertönen und Bewegungsabläufen eine wichtige Rolle. Die Tonlagen, in denen der interpunktionslose Monolog vorgetragen wird, bestimmen die Orientierung des Verlaufs der musikalischen Elemente, bis sich diese schließlich - infolge freier Improvisationen der MusikerInnen - teilweise ganz vom Text lösen. Der in Sprache transformierte Gedanken- und Assoziationsstrom der Molly Bloom wird von jenen Geräuschen begleitet, die sie damit in ihrer Erinnerung verbindet: Züge, Schritte im Zimmer, Türknarren, Atmen/Schlafen. Verschiedene Liedmelodien, die in ihrem Ohr herumspuken ("Good Bye", "In Old Madrid", u.a.) setzen die musikalischen Akzente in Mollys Memoiren-Kontinuum.

In der Schlußphase nimmt der innere Monolog zunehmend fragmentarischen Charakter an: immer häufiger ist inmitten von Gedankensprüngen das Wort "Yes" zu hören. In Mollys "Yes" drückt sich ihre Konfliktbewältigung aus, ihre Selbstberuhigung, die sie braucht, um vom "Tages-Bewußtsein" in den Zustand des Schlafens und Träumens hinüberzugleiten. Neben dem Text lösten sich dabei auch die musikalischen und akustischen Elemente immer stärker auf. Am Ende ist nur noch ein langgezogener Klangteppich, gewebt aus verschiedenen übereinandergelagerten Klangschichten, wahrzunehmen. Ein langgezogenes "Yes", dem Geräusch des Ausatmens ähnlich, signalisiert den einsetzenden Schlaf.



1994 CALENDAR 1