KUNSTRADIO


"Lärm der Stille"


ein Hörspiel von Lydia Mischkulnik
Dauer: 40'


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Vom Geräusch zum Laut zum Ton, zur Sprache in Form von Lyrik als Ausdruck verfeinerter, hoch entwickelter verbaler Gestaltung: klar abgegrenzte Hörszenen bilden in ihrer Summe einen Bogen einer Evolution des Klanges. Eine Vielfalt von akustischen Äußerungen erzählt uns davon, daß alles Sein letztendlich schon immer Geräusch, Laut und Sprache war und dies auch immer bleiben wird. In "Lärm der Stille" wird die Unmöglichkeit absoluter Stille evident: "Stille ist nur möglich, wenn sie in Relation zum Lärm, zum Geräusch gesetzt wird" (Lydia Mischkulnik).

Für ihr Hörstück hat sie sich mit ihrem Aufnahmegerät auf "Geräusch- und Klang-Fang" begeben. Ein Teil des Materials entstammt dem Geräuschearchiv, ein anderer wurde im Hörspielstudio produziert.

Lydia Mischkulniks Liebe zum Ton begann - wie sie erzählt - eigentlich schon damals, als sie als Studentin der Filmakademie Drehbücher verfaßte. Rasch erfaßte sie die Bedeutung des Tons als zentrales Element bei der Gestaltung von Stimmungen: "der Ton erschien mir wichtiger als das Wort". Geräusche und Laute bestimmen auch den ersten Teil des Hörstücks: Wasser, Wasserplätschern, Meer und Wüste, Tierstimmen. Geräusche in Räumen - unter Wasser, im Wind oder im menschlichen Körper - werden hörbar.

Andere Hörszenen weisen darauf hin, daß Geräusche von bestimmten zeitlichen Epochen und Situationen hervorgebracht werden und später verschwinden. Sie werden von anderen Geräuschen abgelöst. Von Menschenhand geschaffene Geräusche und Klänge aus der Welt der Technik, der Musik und des Alltaglebens ergänzen jene aus der Natur oder ergänzen sie sogar.

Das Hörgeschehen wird von in lyrischer Form vorgetragenen "Kommentaren" begleitet, Ansagen verkünden die Hörszenen und grenzen sie von einander ab. Lydia Mischkulnik: "Geräusche, die beim ersten Hinhören keine Bedeutung haben, gewinnen später an Bedeutung. Jedes Geräusch, jede Szene erzählt eine Geschichte und verweist zugleich auf das Ganze, auf alle anderen Hörszenen".

Im Mittelteil überwinden Taubstumme ihre Stille durch das Medium ihrer Sprache: jedes Klatschen, Fingerreiben, jeder Laut ein Wort, ein Halbsatz von Bedeutung. Im dritten und letzten Teil des Stücks übersetzen zwei Sprecher - der "Sager" und die "Sagerin" - Geräusche und Laute in Sprache. Sie präsentieren diese "Nacherzählung" der in szenische Bilder gefaßten Geräusche, Laute und verbalen Äußerungen als Poesie, als detailgetreue Klang- und Lautmalerei. Dank ihrer rhythmischen Struktur gestaltet sie sich zu einer "musikalischen Zusammenfassung" der akustischen Szenenfolge. Erinnerungen und Assoziationen werden erweckte: sie verweisen auf das zuvor Gehörte, bzw. auf die dazugehörigen Quellen von Geräuschen, Lauten und Klängen. Damit schließt sich der Kreis: "in "Lärm der Stille" werden alle akustischen Elemente - vom Naturgeräusch bis zur Sprache der Lyrik - im großen Bogen zusammengeschlossen" (die Autorin).



1994 CALENDAR 2