STATE OF TRANSITION

ein telematisches Live Radio Event
von
Sodomka/Breindl, x-space und Norbert Math




Text: Gerfried Stocker, redigiert von Martin Breindl

STATE OF TRANSITION ist ein telematisches hyper radio-environment; das unter Einsatz der Schlüsseltechnologien von Telekommunikation und Telepräsenz eine Versuchsanordnung für die Auseinandersetzung mit der Instabilität der klassischen Raum-Zeit-Ordnung ist.

Unser lnteresse gilt dabei dem Übergangsstadium, dem Prozeß der Überlagerung, in dem die Identität der Orte zu oszillieren beginnt, interferent wird.

Wird die lokale Kohärenz von Ursache - Wirkung telematisch aufgetrennt, so bricht die auf Abgrenzung basierende Stabilität der Orte auf, ihre "Paralell-Realitäten" werden transparent, diffundieren ineinander.

STATE OF TRANSITION findet gleichzeitig an bzw. in geografisch und medial auseinanderliegenden Orten (Graz - Rotterdam..., Radiofrequenzen - Datennetze... ) statt.

STATE OF TRANSITION findet gleichzeitig in synchronisierten aber verschiedenen Versionen statt und entspricht so als Modell dem Wirklichkeitspluralismus vernetzter Welten.

Dieser Idee folgend sind die Struktur und Organisationsprinzipien von STATE OF TRANSITION aus den verschiedenen Formen von Migration abgeleitet.

Die gestalterische Strategie dieser Arbeit basiert auf der Unmittelbarkeit wechselseitiger Intervention. Die an den Ausgangsorten vorhandenen Resourcen an Bild-, Ton-, Text-, etc Material werden über Radioleitungen, Bildtelefone, Datenleitungen, Internet vernetzt und zugänglich gemacht. In weiterer Folge wird nicht nur das Material, sondern auch dessen Verknüpfungen und die Konfiguration des Netzwerkes selbst zum Spielball des gemeinsamen Agierens. Die so entstehende hyper media Datenbank wird zur eigentlichen Bühne des ProJektes.

Die Rolle der beteiligten Künstler ist somit die von Netzwerkadministratoren. Nicht Schöpfer, sondern Verwalter und Distributoren der in der Netzwerkkonfiguration zirkulierenden Datenströme. - Mediator

Obwohl es sich hier primär um ein Radioproiekt handelt wird in Wechselwirkung mit dem akustischen Environment der Live-Aufführungsorte auch verstärkt visuelles Material zum Einsatz kommen.



GEOGRAPHISCHES SZENARIO:

Als Ausganngspunkte der Live Aktionen sind öffentlich zugängliche Räume in Graz und Rotterdam vorgesehen:
Ort A: Graz, Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum
Ort B: Rotterdam, V2 Gebäude

Diese Orte sind direkt mit einem Übertragungswagen des ORF vor der Neuen Galerie in Graz verbunden. Dort wird vom Tonmeister nach Partitur aus den Live-Geschehen in Graz und Rotterdam die eigentliche Sendung gemischt und die Live Ausstrahlung über das Landesstudio Steiermark abgewickelt:
Ort C:ORF-Landesstudio Steiermark, Graz

Zusätzlich sind Außenstellen geplant, die sich in das Geschehen einschalten können. Orte die durch Funktion und Bedeutung als Übergangsstellen/Terminals zu sehen sind:
Ort D: Außenmikrofon in der Fußgängerzone in Graz
Ort E:Telefontonbanddienst +43/1/1510
Ort F:Internet (http://gewi.kfunigraz.ac.at/x-space/state_of/)



TECHNOLOGISCHES SZENARIO, NETZWERKKONFIGURATION:

Die Verbindung zwischen den Veranstaltungsorten in Graz und Rotterdam wird:
  • über die Rundfunkstationen mit einer 15kHz Audio-Qualitätsleitung,
  • über Bildtelefone,
  • direkte Modem Datenleitungen,
  • Internet WorldWideWeb
abgewickelt. Die Außenstellen werden über Audioleitung, Telefon, Modem, etc. angebunden.



DATENAUSTAUSCH:

Audiomaterial wird mittels Harddisk Recording und auf programmierbaren CD-Playern gespeichert und ist über MIDI auch über die Datenleitungen abrufbar. Für Text und Bilddatenbanken wird der im World Wide Web gängige HTML Standard verwendet. Eigens für dieses Projekt entwickelte Hardware wird auf diese Protokolle abgestimmt. Durch diese Vereinheitlichung kann das Netzwerk auch nach außen hin (Internet) geöffnet werden.

Die in der Netzwerkkonfiguration operierenden Künstler produzieren zwei Konzertsituationen und eine Radiosendung, deren Gemeinsamkeiten aus den definierten Systemparametern und deren Verschiedenheit aus dem individuell unterschiedlichen Umgang damit erwachsen.

Rein analag anfallendes Material wird direkt über die Rundfunkleitung bzw. über Bildtelefone geroutet. Die in Graz und Rotterdam agierenden Künstler
  • arbeiten mit dem Material, das in digitaler Form gespeichert ist,
  • greifen wechselseitig auf diese Datenbanken zu,
  • bestimmen, wie die klanglichen Ereignisse auf die Rundfunkleitungen gemischt werden,
  • reagieren auf die autonom agierenden Außenstellen,
  • erweitern und manipulieren den Inhalt der Datenbanken.
Das Medium Radio wird über die Grenzen der reinen Distribution hinaus als aktiver Teil der Netzwerkkonfiguration eingesetzt. In der Gleichzeitigkeit ihrer Verwendung verlieren die unterschiedlichen Trägermedien (unmittelbare Livepräsenz am Aufführungsort, großflächige Distribution über Radio, selektive Interaktion in Datennetzen...) ihre scharfen Konturen und fließen ineinander über.

Dem Zynismus der geschäftsmäßigen Euphorie, mit der das globale Dorf von den Daten-Highways überrollt werden wird, soll nicht länger unwidersprochen bleiben.

Und so stellte Vilem Flusser ans Ende seiner Überlegungen zur "Nomadologie der Neunziger":
    "Zwar: wenn wir unseren Blick auf die Szene der sogenannten 'entwickelten Welt' beschränken, dann können wir allerorts Ansätze zu dem hier gemeinten Nomadentum erkennen. Aber es gibt ein anderes Nomadentum: jenes der hungernden Babies, die daran sind, uns von Süden her aufzurollen und aus unseren vier Wänden zu vertreiben. Nicht, was im Osten Europas eben geschieht, sondern was im Süden seit Jahrzehnten geschieht, wird die Neunzigerjahre kennzeichnen. Die in diesen Überlegungen vorgeschlagene Hypothese wird mit den hungernden Babies stehen und fallen. Wenn sie uns die gestatten, werden wir künftig Milk-shake (diese aus Möglichkeiten synthetisierte undefinierbare Flüssigkeit) trinken, und wenn nicht, werden wir kaum noch Pizza, sondern wahrscheinlich eher Wurzeln und Beeren essen..."

Migration [zu lat. migratio "Umzug"] (Wanderung)... dauerhafte Abwanderung: Emigration; dauerhafte Einwanderung: Immigration; Zuwanderung ohne Ansiedlung wird als Durchzug (Durchwanderung, Permigration) bezeichnet; einen Sonderfall bildet die Invasion (siehe dazu auch: "horizontal radio")