Es ist verstaendlich, wenn Bernhard Kathan kurz nach Erhalt von Georgs Todesnachricht seine Gedanken notiert, in denen er dessen Leben und Tod in Verbindung bringt. Er konnte nicht wissen, dass Georgs Tod nicht einer Lebensverweigerung entsprang. Auf Grundlage einer unterstellten Lebensverweigerung Georgs kuenstlerische Arbeit zu interpretieren wird in meinen Augen weder Georgs Leben noch seiner Arbeit gerecht. Ich moechte Bernhard einen Gegenentwurf in Form einer Entgegnung entgegenrufen, der vielleicht nicht weniger ignorant und fragmentarisch ist als der seine, aber doch eine andere Sicht von Georgs Leben und Arbeit widerspiegelt. Widerspruch gegen die Behauptung dass "sich Georg so bemuehte, alles, was er sagte, unverstaendlich zu machen". Ganz im Gegenteil weiss ich - und jeder der Georg gekannt hat - dass Georg wie wenige bemueht war, seinen AEusserungen (wie auch jenen anderer) bis ins aeusserste auf den Grund zu gehen, ihre Bedeutungen auszuloten, und auch ihre Beziehungen zum Kontext zu defineren. Bernhard selbst schreibt, "lange Zeit gab es wohl wenige, die ein so feines Gespuer fuer Faerbungen der Sprache und des Sprechens hatten". Ich schaetze Bernhards Beschreibung von Georgs Arbeitsweise des UEberlagerns, UEber-schreibens, UEberspielens von Baendern, Kopierens von Blaettern. Ich bedaure allerdings, dass Bernard nicht wahrnahm, dass staendig etwas Neues herauskam, dass staendig, in jedem Moment des Kopierens Modifikationen stattfanden, die Autorenschaft bis in die Variationen eines Atemzugs hin definierten. Heidi Grundmann schreibt sehr treffend, dass fuer Georg "auf seine ganz eigene Art Kunst Leben und Leben Kunst war". Der Raum des UEberschreibens und UEberspielens war zugleich von "Indifferenz" (B.K.) aber auch von groesster Aufmerksamkeit gepraegt, Subjekt und Autor waren zugleich an- und abwesend. Diese subtile Vielschichtigkeit (und zugleich radikale Einfachheit) von Georgs Arbeit war gewiss nicht immer leicht zugaenglich, und sie stellt simplistische Interpretationen in Frage. Freilich entzieht sie Georgs Arbeit damit aber auch der Vermarktbarkeit oder macht diese zumindest schwierig. "Wie koennte man so gehoert werden?" in einem Kunstbetrieb, der weitestgehend Vermarktbarkeit foerdert, rasche Lesbarkeit, in dem das Sich-ins-Zentrum-stellen hoerbarer ist als das "moving away" (georg). Zum Glueck hat es immer wieder aufmerksame Hoerer gegeben, die Georg ein Hoerbar und Sichtbar-werden ermoeglicht haben. Die Behauptung Bernhards, Georg habe "die Sprachlosigkeit und Verweigerung zur Disziplin erhoben" ist in meinen Augen sehr ungluecklich formuliert. Georg spielte mit den Elementen der Sprache und der Sprachlosigkeit, der Einladung und der Verweigerung, aber "zur Disziplin erhoben" hat er sie weder fuer sich noch fuer andere. Sein Rueckzug in den letzen Jahren haengt in meinen Augen sehr eng mit gesundheitlichen Problemen zusammen, aber auch mit seiner Enttaeuschung mit dem Kunstbetrieb. Er erkannte zusehends, dass jene, die er im Bereich der Kunstvermittlung schaetzte, ihn grossteils ueberhoerten, und dass die Qualitaet, in der er zu publizieren hoffte, schwer finanzierbar war. Weiters sah er, dass Elemente und Ideen, als deren Autor er sich glaubte, von anderen fuer sich verwendet wurden. Schliesslich war Georgs Rueckzug auch eine letzte Konsequenz des "moving away". Dass er aber "ja keine Lebensspuren hinterlassen wollte"(B.K.), laesst sich durch eine von Georgs Lebensspuren aufs dichteste durchsetzte Wohnung, einem Komposthaufen von Kunstwerken, widerlegen. Georgs Tod (er starb an Herzinfarkt) war nicht mehr das Ergebnis einer Verweigerung als das einer Bejahung und ereilte ihn einer kurzen Phase intensiver Lebenslust. Georgs Leben war von weitreichender Ambivalenz gepraegt, kuenstlerisch wie menschlich. Wie wenige hat er sich in grosser Konsequenz seinem ambivalenten Leben hingegeben, auch wenn es oft fuer ihn und fuer andere nicht leicht war. Will man Georgs Leben und Arbeit wuerdigen, so kann man wohl seine Todesanzeige ueberschreiben, aber man kann sich auch wegbewegen vom Rauschen des Wassers und dabei maultrommeln, oder ganz etwas anderes tun.


Michael Bahn, 25.2.1998

Sendung vom 26.2.'98
Statement von Bernhard Kathan

Georg Bahn Decristel Archiv