SONNTAG, 17. Oktober 1999, 23:00 - 24:00

KUNSTRADIO - RADIOKUNST


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I.
"Netz/Sprache - Internet-Klänge und Theorie"

von
"Cozmic Language Experience"
(Curd Duca & Armin Medosch)

II.
"Der neue Station Rose Jingle 99"

von
Station Rose



I.
"Netz/Sprache - Internet-Klänge und Theorie"

von
"Cozmic Language Experience"

Curd Duca & Armin Medosch



Das Stück benutzt Sprachaufzeichnungen u.a. von:
Timothy Druckrey, Okwui Enwezor, Philip Pocok, Marina Grciniz, Mark Tribe ...
Die Aufnahmen stammen aus:
DEAF, Rotterdam 1997 / Ars Electronica, Linz 1998 / Johannesburg Biennale 1997 / Tokyo 1998
Künstliche Stimmen: Macintosh Text-to-Speech-Module Fred, Nathalie and Whisper
Textzitate aus: Wired News, Nettime, Syndicate, World Trade Organisation
Software: Cool Edit sowie verschiedene Macintosh-basierte Special effects Prozessoren.
Produziert in London und Miami South Beach 1998 - 1999


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Internetradio ist längst keine Seltenheit mehr. Jedoch verfolgen die meisten Projekte dabei nach wie vor ein Phänomen, das der Medientheoretiker Marshall Mc Luhan bereits in den 60er Jahren beobachtetet hat: In jedem neuen Medium werden zuerst die alten wiedererfunden, bevor das eigentliche Wesen der frisch erfundenen Technologie erkannt und genutzt wird. In ihrem Stück"Netz/Sprache - Internet-Klänge und Theorie" treiben die beiden Künstler Curd Duca und Armin Medosch diesen Umkehrschluß auf dieSpitze. Sie rekonstruieren in "Netz/Sprache - Internet-Klänge und Theorie" das neue Medium im alten. Stellen Sie sich also einfach vor, sie werfen Ihren Computer an, loggen sich ins Internet ein und plötzlich beginnt es aus den billigen Aktivboxen unvermittelt zu klingen: document, mailinglist, network, system, dis-information, infowar - sich in Endlosschleifen verlierendeSchlagwörter aus der Nettheory-terminologie mischen sich in elektronischesGeklappere und Gesurre. Streckenweise klingt der Datenfluß deutlich undklar, beinahe so als befände sich die vermeintliche Informatiosquelledirekt auf Ihrer lokalen Festplatte (oder in Ihrem Radiogerät ...), dannwieder wird die Wortkette von weißem Rauschen überlagert, das mallauter, dann wieder leiserwird - beinahe meint man den Druck zu spüren, mitder sich die Daten nun plötzlich eine offenbar völlig überlastete Leitung entlang quälen.

Dazu die Künstler selbst:

"Es wurde ein sozusagen konservativer Ansatz gewählt, der das Internet zunächst und vor allem als Material betrachtet. Vom mittlerweile klassischen Modem-Rauschen über die Geräusche von Festplatten, Mausklicks, Tastaturklappern bis hin zu den System-Sounds von verschiedenen Hardware-Software-Plattformen, wurden als klangliche Ausgangsbasis genommen, die ca. ein Drittel des Stücks ausmacht. Ein weiteres Drittel bildete die "Theorie des Internet". In den vergangenen Jahren gab es ein reges Festival- und Konferenztreiben, wobei sich immer wieder ähnliche Protagonisten an verschiedenen Orten trafen, um eine von Künstlern und Theoretikern formulierte Kritik des Internet zu entwickeln, die anderen Linien folgt als die berühmt berüchtigte "kalifornische Ideologie". Darin äusserte sich einerseits typisch europäische Skepsis gegenüber dem amerikanischen "Boosterism" im Stile von Wired, Nicolas Negroponte oder gar Newt Gingrich. Doch zugleich war dies, wie Geert Lovink wiederholt bemerkte, eine Kritik des Netzes aus dem Netz: Es war keine alte, kulturelle Elite, die sich hier kulturskeptisch über ein Medium ausließ, das sie nicht verstand, sondern intensiv das Netz nutzende überwiegend jüngere Leute einer semi-dissidenten Szene. So trug dieser Diskurs von Anfang an Widersprüche in sich und man war vielleicht Internet-begeisterter, als man selbst gern zugab und tat mit seiner Kritik eine Menge an Publicity-Arbeit für das Netz. Diese Teile des Stücks beruhen aufKonferenz-Mitschnitten und Interviews, die in den vergangenen Jahren entstanden. Dabei wurden gezielt die sogenannten "Buzzwords" herausgefiltert und aneinandergereiht und durch verschiedene Effektprozesse dekonstruiert. Vor allem für Leute, die mit diesem Diskurs viel zu tun hatten, ist der Effekt des Anhörens mehr oder minder kathartisch: zwischen klarer Verständlichkeit und völlig unverständlichem Gebrabbel schwingt die Sprache in verschiedenen Zwischenreichen der Mehrdeutigkeit. Last not Least wurde die rohe Substanz des Internet hörbar gemacht. Trotz aller Beschwörung der Interaktivität ist dies überwiegend immer noch ASCII: American Standard Code for Information Interchange oder: das tägliche Text-Infomenü aus Mailinglisten, Newsfeeds und privater Email, das wir in unseren Email-Inboxes vorfinden. Mittels des Macintosh-Text-to-Speech Moduls wurden Textzitate verschiedener Email-Quellen vorgelesen. Bei all dem war es unser Bemühen, auf die feine Grenzlinie zu achten, die zwischen experimenteller elektronisch-digitaler Musik und Radio Art besteht. Anders gesagt: Wir möchten uns ungern bei einem fehlgeleiteten Versuch ertappen lassen, "Musik" zu machen, zugleich aber sollte das Stück "hörbar" sein - Radio im Sinne eines akustischen Environments, das zwar immer da ist, aber nur manchmal in den Vordergrund rückt, das kurze narrative Elemente enthält ebenso wie längere Spannungsbögen der übergreifenden Programmstruktur. In diesem Sinn ist das Stück auch ein Modell: Mit etwas Vorbereitung kann Radio dieser Art jederzeit auch "live" produziert werden,Zweikanal-Stereo und potentiell endlos ..."



II

"Der neue Station Rose Jingle 99"
von
Station Rose





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Im Anschluß an "Netz/Sprache - Internet-Klänge und Theorie" wollen wir Ihnen noch den "neuen Station Rose Jingle 99" vorstellen, der exklusiv für das Kunstradio produziert wurde. Der Jingel enthält akustische Highlights aus den seit Jänner mehrmals wöchentlich stattfindenden Live Multimedia Jamsessions und schließt damit inhaltlich an das Stück von Curd Duca und Armin Medosch an. Während letztere auf symbolhafter Ebene versuchen das Wesen des Mediums Internet in das Medium Radio zu übersetzen, nutzen die Protagonisten der Künstlergruppe Station Rose die Möglichkeiten der unmittelbaren digitalen Kommunikation.

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