SONNTAG,24. Oktober 1999, 23:00. - 24:00, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST


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"Where are you angels"

Ein Kunstradio Spezial anläßlich der Europa Tournee
von
Bob Ostertag


http://www.detritus.net/ostertag/

1. "Sooner or later"
2. "Stuck here for a while"
3. "Burns like Fire"
4. "Where are you Angles"



"Wir leben in einer globalen Gemeinschaft und wir sind dazu aufgerufen, über Ereignisse zu reflektieren auch wenn sie weit von uns entfernt stattfinden. Ich spreche aus der Position eines US-Amerikaners, dessen Regierung wie keine andere die technologische Entwicklung vorantreibt, um dadurch die eigene Kriegsmaschinerie zu perfektionieren." (Bob Ostertag)


Am Mittwoch, den 27. Oktober ist Bob Ostertag - Meister der digitalen Verfremdung - live in der Linzer Stadtwerkstatt auftreten. Eine Fülle an Sound- und Bildmaterial zu den Geschehnissen im ehemaligen Jugoslawien, das der Künstler im Laufe der letzten Jahre zusammengetragen hat, wird Bob Ostertag als Ausgangsbasis für seine Performance dienen. Unter anderem wird er das gesammelte Material mittels eines eigens hierfür programmierten Kriegsspiel live manipulieren.

Bob Ostertags Konzept der Reality Music
Anfang der 80er Jahre beendete der amerikanische Pionier des digitalen Samplings vorübergehend seine musikalische Kariere und ging nach El Salvador, um dort bis 1989 als Journalist und politischer Organisator zu arbeiten. Nach mehr als acht Jahren kehrte er schließlich nach San Francisco zurück und wendete sich wieder der Musik zu. Irgend etwas scheint sich jedenfalls in Bob Ostertag während seines Aufenthaltes in El Salvador gravierend geändert zu haben, denn immer öfter rückt der Künstler nun Tonaufnahmen brisanter sozialer und politischer Ereignisse in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Als Reality Music bezeichnet Bob Ostertag seine höchst eindringlichen musikalischen Kompositionen. Momente gnadenloser Wirklichkeit - Haß, Trauer, Verzweiflung - zuerst durch den digitalen Zerhacker gejagt und dann in feinster Ziselierarbeit wieder aneinandergefügt.


"Sooner or later"

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Das Stück Sooner or later führt zurück in das El Salvador der 80er Jahre führt. Ein salvadorianischer Junge trauert über den Tod seines Vaters.


"Stuck here for a while"

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Welch Abgründe die menschliche Seele in sich birgt, davon zeugt auch Stuck here for a while. Im Zentrum von Stuck here for a while steht ein Interview, das der farbige US-Bürger Rodney King im April 1992 der Radiojournalistin Nancy Clark gegeben hat. Rodney King war am 3. März 1991 von vier weißen Polizisten brutal zusammengeschlagen worden. Ein Augenzeuge hielt den Vorfall damals mit einer Videokamera fest. Trotz dieses unmißverständlichen Beweisdokuments sprach die amerikanische Justiz die uniformierten Gewalttäter frei. Ein Angriff auf die Menschenrechte, der nicht unbeantwortet blieb. Tausende empörte farbige US-Bürger versammelten sich damals in den Straßen von Los Angeles und anderer Städte und verschafften sich lautstark Gehör.


"Burns like Fire"

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Ungerechtigkeit und Widerstand sind auch die zentralen Themen in dem Stück Burns like Fire, das 1991 als eine Reaktion auf einen Aufstand der Schwulen und Lesben in San Francisco entstand, bei dem das kalifornische Regierungsgebäude in Flammen aufging. Ausgelöst wurde der Aufstand durch den Gouverneur von Kalifornien, als er gegen ein Gesetz Einspruch erhob, das den Schwulen und Lesben mehr Rechte zuerkennen sollte. Bob Ostertag beteiligte sich mit seinem Aufnahmegerät nicht an den Demonstrationen. Zusätzlich bat er den Schriftsteller und Filmemacher David Wojnarowitz, der zum damaligen Zeitpunkt bereits unter den Auswirkungen seiner Aidserkrankung litt, einen seiner Texte zu lesen. Auch in diesem Stück schafft es Bob Ostertag meisterlich Tondokumente eines brisanten historischen Ereignisses mit anderen Soundquellen zu verbinden. Die Gospelmusik habe ich auf Grund ihrer Spiritualität gewählt, so der Künstler über sein Stück, die Country & Western Musik schien mir passend weil sie es Männern in unserer Gesellschaft erlaubt im Rahmen der mainstream culture öffentlich und ungeniert zu weinen und im Selbstmitleid zu vergehen.


"Where are you Angles"

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Im Brennpunkt des Stückes Where are you Angles, das Bob Ostertag 1994 im Auftrag des Kunstradios produziert hat, stehen zwei US-Piloten, die sich über Funk unterhalten, während sie gerade dabei sind, zwei lybische Flugzeuge abzuschießen. Bob Ostertags Absicht ist es nicht, das Ausgangsmaterial durch die künstlerische Verfremdung zu glorifizieren oder zu verdammen, wie der Künstler selber bemerkt, viel mehr wollte er in Where are you Angles aus etwas abgrundtief Gewalttätigem und Häßlichem etwas sehr Schönes und Friedliches schaffen. Inspiriert wurde der Künstler zu diesem Gedanken, als er bemerkte, daß sich die Piloten über angles unterhielten. angles bedeutet in der Pilotensprache: Flughöhenmeter. Absurd genug.




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