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F.T.Marinetti & Pino Masnata

La radia
Futuristisches Manifest vom Oktober 1933
(veröffentlicht in der "Gazzetta del Popolo")



La radia darf nicht sein
  1. Theater denn Radio hat das bereits vom Tonfilm besiegte Theater umgebracht

  2. Film denn der Kinematograph liegt im Todeskampf  a) aus ranziger Gefühlsduselei der Inhalte  b) aus einem Realismus der sogar bestimmte Simultan-Synthesen umfasst  c) aus unendlichen technischen Komplikationen  d) aus fatal banalisierendem Mittätertum  e) aus reflektierter Leuchtkraft die dem selbsterzeugten radio-televisem Licht unterlegen ist

  3. Buch weil das Buch die Schuld daran trägt dass die Menschheit kurzsichtig geworden ist Und es etwas Schweres Erwürgtes Ersticktes Versteinertes und Erfrorenes impliziert  (es werden nur die grossen leuchtenden Tableaus der befreiten Worte überleben der einzigen Poesie die gesehen werden muss)

La radia zerstört
  1. Den Raum oder die für das Theater inklusive des synthetischen futuristischen Theaters (Aktion die sich auf einer fixen und beständigen Bühne vollzieht)und im Kino notwendige Bühne (Aktionen vollziehen sich auf sehr beschleunigten variabelen simultanen und immer realistischen Bühnen)

  2. Die Zeit

  3. Die Einheit der Aktion

  4. Die dramatische Person

  5. Das Publikum verstanden als Masse selbsternannter Richter systematisch feindlich gesinnt immer unterwürfig neuerungsfeindlich und rückschrittlich

La radia wird sein
  1. Freiheit von allen Berührungspunkten mit der literarischen und künstlerischen Tradition Jeder Versuch La Radia wieder an Tradition zu binden ist grotesk

  2. Eine neue Kunst die dort beginnt wo Theater Kinematograph und Erzählung enden

  3. Unendliche Erweiterung des Raumes Nicht mehr sichtbar und umrahmbar wird die Bühne unviversal und kosmisch

  4. Empfang verstärkung und transfiguration von schwingungen ausgestrahlt von lebenden wesen von lebenden oder toten geistern dramen von seelenzuständen geräuschhaft ohne worte

  5. Empfang Verstärkung und Transfiguration von aus lebenden Wesen von lebenden und toten Geistern kommenden Vibrationen  Dramen von Seelenzuständen Geräuschemacher ohne Worte

  6. Reiner Organismus aus radiophonischen Empfindungen

  7. Eine Kunst ohne Zeit und Raum ohne gestern und morgen Die Möglichkeit in verschiedenen Zeitzonen postierte Sendestationen zu empfangen und die Abwesenheit von Licht zerstören die Stunden den Tag und die Nacht  Der Empfang und die Verstärkung von Licht und Stimmen der Vergangenheit mittels thermoionischer Röhren werden die Zeit zerstören

  8. Synthese aus grenzenlosen simultanen Handlungen

  9. Universale menschliche und kosmische Kunst als Stimme mit der echten Psychologie-Spiritualität der Geräusche der Stimmen und der Stille

  10. Leben geprägt von jedem Geräusch und der unendlichen Vielfalt des Konkret-Abstrakten des Faktisch-Geträumten mittels einer Menge von Geräuschen

  11. Kämpfe zwischen unterschiedlichen Geräuschen und Entfernungen also das dem zeitlichen Drama hinzugefügte Drama des Raumest

  12. Befreite Worte   Das Wort hat sich zum Kollaborateur der Mimik und der Gestik entwickelt   Es ist notwendig, dass das Wort wieder mit all seiner Kraft aufgeladen also esentielles und totalitäres Wort wird Wort das in der futuristischen Theorie Wort-Atmosphäre heißt  Die befreiten Worte Kinder der Maschinen-Ästethik enthalten ein Orchester aus Geräuschen und Geräuschakkorden (realistisch und abstrakt) die allein dem farbigen und plastischen Wort in der blitzartigen Darstellung dessen was unsichtbar ist beistehen können Wenn er nicht auf Wörter in Freiheit zurückgreifen will muss der Radiast sich in jenem freiwörtlichen Stil ausdrücken (abgeleitet aus unseren befreiten Worten) der bereits in den Avantgarde-Romanen und Journalen zirkuliert jenem typischen Stil der befreien Worte schnell flitzend synthetisch simultan

  13. Isoliertes Wort unendliche Wiederholung von Verben

  14. Essentielle Kunst

  15. Gastronomische amouröse gymnastische etc. Musik

  16. Verwendung der geräusche der klänge der akkorde harmonien musikalischen gleichzeitigkeiten oder geräuschhaftigkeiten der stille mit allen ihren graden der härte des crescendo und des diminuendo die zu eigenartigen pinseln werden zum malen konturieren und kolorieren der unendlichen dunkelheit der radia kubatur sphäre im grunde geometrie erzeugend

  17. Verwendung der Interferenzen zwischen Sendern und des Entstehens und Verschwindens der Klänge

  18. Abzirkeln und geometrische Konstruktion des Schweigens

  19. Verwendung der verschiedenen Resonanzen einer Stimme oder eines Klanges um einen Eindruck von den Ausmaßen des Raumes wiederzugeben in dem die Stimme sich artikuliert   Charakterisierung der Atmosphäre des Schweigens oder der Halbstille die eine gegebene Stimme Klang Geräusch begleitet und färbt

  20. Ausmerzung der Idee oder des Anspruchs des Publikums das seit jeher auch auf das Buch einen deformierenden oder verschlechternden Einfluß ausgeübt hat


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