CURATED
BY: Anna Friz
I. "Attention Span #2"
II. "The Cesium Clock"
III. "Fessenden"
A CASSETTE OF THIS PROGRAM CAN BE ORDERED FROM THE "ORF TONBANDDIENST"
Das "curated by"-Projekt "Reception Is
Interception" ist ein Versuch, unser Bewußtsein für das
Hören und für die Verwendung von Radio zu schärfen.
Sound umgibt uns überall und vielfach nehmen wir
Hintergrundgeräusche und Berieselungsmusik nur passiv wahr;
Radio-Hören erfordert aber ein aktives Tun - zumindest das
Anschalten und Tunen der Sender. Die kanadische Künstlerin
Anna Friz hat KünstlerInnen eingeladen, Radio ontologisch wie
historisch zu untersuchen und wie Spione herumzuschnüffeln auf
der Suche nach Sounds. Die antreibende Frage lautet: Was ist "on
the air" und wer hört zu?
"Attention Span #2"
Eine Nacht in den Kolonien
PLAY
Nach der Vorstellung von "Attention Span" Anfang
Juni sendet Kunstradio nun ein weiteres Stück in dieser Serie
von Annabelle Chvostek.
"Attention Span #2" ist eine von Drum+Bass-Rhythmen getragene
Infowerbesendung, beginnend mit Nachrichten über die "All
New"-Bibliothek in Alexandria/Ägypten, die schließlich
in einen poetischeren Text übergehen, der mehr mit der Heimat
der Künstlerin verwurzelt ist.
Die Bibliotheca Alexandria ist eine historische Sammlung von
wissenschaftlichen Werken, gelegen in der Hafenstadt an der Grenze
der drei Kontinente Asien, Afrika und Europa zueinander. Die alte
Bibliothek wurde - wie gemeinhin angenommen wird - erstmals in den
Römischen Kriegen 47-48 v.Chr., später durch fanatische
Christen im 3. Jahrhundert n.Chr., die dem Heidentum ein radikales
Ende bereiten wollten und durch Moslems, die um 640 n.Chr. die
Byzantiner als Machthaber ablösten, zerstört. Die
Zerstörung der Bibliothek soll die wissenschaftliche Forschung
um mehr als tausend Jahre zurückgeworfen haben. Es kursieren
Gerüchte, dass eine Kopie der Manuskripte existiert.
Annabelle Chvostek zieht in diesem Stück eine Parallele
zwischen der Zerstörung, Adaption und der Wiederentdeckung von
einheimischen Kulturen und Sprachen. Auf den Eroberungszügen
der Weltmächte brennen Wälder, werden ganze Länder
durch Dämme geflutet und der Boden völlig ausgebeutet,
gehen Sprachen verloren mitsamt einer Unmenge an Bedeutungen.
Annabelle Chvostek möchte hier die Aufmerksamkeit auf eine
Schriftstellerin lenken, die von ihrer aus Großbritannien
stammenden Großmutter wie auch von ihrer Mutter verehrt
wurde: E. Pauline Johnson-Tekahionwake (1862-1913). Die
Kolonisierung Kanadas brachte auch das "höfische" Englisch der
Queen. Annabelle Chvostek möchte zeigen, dass jenes Land, das
ihre "Heimat" ist, in seinem Wesen - festgehalten in Schrift und
Sprache - auch weiterhin existiert.
The Cesium Clock -
Freedom or Control
PLAY
In ihrem Stück "The Cesium Clock" (Untertitel
"Freiheit oder Kontrolle") setzt sich I8U auf unterschiedlichen
Ebenen mit der Messung und Wahrnehmung von Zeit auseinander und
vergleicht diese Ansätze mit unserem Umgang mt Musik.
Das stete Ticken der Cäsiumuhr plus Zeitansage kann man auf
Kurzwellensendern in der ganzen Welt empfangen; was
ursprünglich als Werkzeug für wissenschaftliche Zwecke
diente, wird zunehmend auch für die Koordination von
militärischen und "sauberen" kriegerischen Operationen
eingesetzt. Im Gegensatz zur exakten Zeitmessung mittels der
Cäsiumuhr, die auf der atomarisch präziseDefinition der
Zeiteinheit einer Sekunde basiert, gründet sich ein
weitverbreitetes Verständnis von Zeit immer noch auf einem
planetarischen Konzept - der Ablauf eines Tages, der sich durch den
Stand von Sonne und Erde zueinander definiert. Diese einander
gegenüberstehenden Ansätze von Wissenschaftlichkeit auf
der einen und intuitiver Wahrnehmung auf der anderen Seite liegen
nicht nur den unterschiedlichen Methoden der Zeitmessung zugrunde,
sondern sind auch für unterschiedliche Zugänge zu Musik
bestimmend: Manche Menschen saugen den musikalischen Raum
wörtlich auf, um Kreativität zu schöpfen, andere
wiederum bevorzugen es, Musik wie einWissenschaft zu studieren.
Dem Rhythmus in der Musik entsprechend, gibt auch die
Cäsiumuhr einen fixen, stabilen Wert vor, um den herum
arrangiert und organisiert werden kann. I8U verwendet für
diese Kompositiondie Cäsiumuhr als Ausgangsmaterial - um
Gegensätze (wie eben intuitiv vs. wissenschaftlich oder
planetarisch vs. atomarisch) zu überwinden und den
ZuhörerInnen Interpretationsmöglichkeiten offen zu
lassen.
"Fessenden"
PLAY
Sein für die curated by Serie Reception Is
Interception produziertes Stück widmet Gordon Krieger dem
Erfinder und ersten Radiosprecher Reginald Fessenden.
Fessenden war als Mensch eher schwierig: exzentrisch, unangepasst,
oft aber auch entmutigt; er führte häufig Prozesse und
wurde schließlich ausgebürgert. Seine Kollegen und
Konkurrenten Tesla und Marconi, die es besser verstanden, sich
selbst und ihre Ideen zu vermarkten, brachten es folgedessen zu
mehr Ruhm und Popularität. Dennoch war es Fessenden, der das
Medium Radio um die sprachliche Komponente wie um Musik erweiterte.
Seine Stimme war die erste, die jemals on air übertragen wurde
- am Heiligen Abend 1906 - und sie wurde von erstaunten Bordfunkern
auf See gehört. Diese waren ja eher an das Tönen des
Morsecodes gewöhnt.
Das Musikstück "Fessenden" ist eine Hommage an das Aufkommen
von Sprache in das statische Rauschen des Radios.
Gordon Krieger: Radios
Alistair Dempsey: Kontrabass
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