Farewell Lament
for an Old Family Fridge
before it sank into the Sea
An acoustic sacrament
by Arsenije Jovanovic

[English Translation]

Üblicherweise hasse ich es, Geschichten über meine akustischen Fantasien zu erzählen, aber ich hoffe, dass wenn Sie diese hören, Sie besser verstehen was ich meine. Da ich eine gewisse Sentimentalität gegenüber einem Objekt empfinde, mit dem ich einen Grossteil meines Lebens geteilt habe, denke ich, dass die Geschichte wichtig sein könnte, in diesem Fall möglicherweise sogar wichtiger als die künstlerische Arbeit selbst.

Unser Leben lang sind wir von unzähligen Objekten umgeben. Verzeihen Sie, dass ich etwas so banales ausspreche, aber ich muss es wohl - angesichts meiner Obsession mit diesem Thema. Das erste Ding, mit dem wir konfrontiert sind, ist in den meisten Fällen die Brustwarze und das letzte ist vielfach ein Sarg. Manche dieser Dinge mögen wir, manche nicht; über die meisten Dinge denken wir allerdings gar nicht nach ausser wir sind stolz auf sie, wie beispielsweise ein Auto oder irgendein anderes albernes Ding.

Vor Jahren habe ich einen armen Mazedonischen Bauern kennengelernt, der damals schon ein sehr alter Mann war. Er hatte einen Hocker, einen komischen kleinen Holzstuhl, auf dem er viele, viele Jahre gesessen war. Als er ein junger Mann gewesen war, hatte er den Stuhl selbst gebaut. Ich verliebte mich sofort in dieses Möbelstück und wollte es gleich kaufen. Ich bot dem alten Mann also eine ziemliche Summe Geld für seinen Stuhl, aber er weigerte sich ihn zu verkaufen. Dann, um ihn zu testen, fragte ich wieviel seine Kuh kosten würde, falls ich meine Meinung änderte und die Kuh anstatt des Hockers kaufen wolle. Der alte Mann wollte beinahe dieselbe Summe für die Kuh, die ich für seinen kleinen Stuhl angeboten hatte. Natürlich habe ich die Kuh nicht gekauft; ich habe aber auch den Stuhl nicht bekommen. Seit damals denke ich anders über die Dinge, die mich umgeben und muss feststellen, dass wir erstaunlich oft mehr für tote Objekte empfinden als für die Lebewesen um uns herum. Ich meine damit Durchschnittsleute, normale Menschen, keine Fetischisten oder Exzentriker.

Es gab einen Kühlschrank bei uns zuhause. Es war nichts Besonderes dran, ausser dass der Kühlschrank vom ersten Tag in unserem Haus bis zu seinem letzten Atemzug beinahe dreissig Jahre lang ununterbrochen gearbeitet/funktioniert hat, Tag und Nacht. Fast zwei Generationen wurden neben diesem fleissigen, verlässlichen Objekt gross, ein paar Familienmitglieder sind gestorben, einige wurden in der Zwischenzeit geboren während das Leben parallel zum Leben des Kühlschranks weiterlief.

Doch es kam der Tag an dem die wacklige Tür des mechanischen Sklaven sich nicht mehr schliessen liess und der Kühlschrank wurde plötzlich nutzlos obwohl sein Kompressor immer noch keuchte und schlug und klopfte wie ein Patient in Schmerzen. Es gab keine Medikamente, die dem alten Kerl helfen konnten und so beschloss die Familie den elektrischen Diener auf den Müll zu werfen.

Doch es gab in der Nähe keine Mülldeponien. Unser Haus war am Ende des Dorfes direkt an der Küste zum Meer gelegen. Zu der Zeit hatten die Menschen, die nahe am Wasser lebten, die bizarre Gewohnheit, nutzlos gewordene Objekte ins Meer zu werfen, diese Dinge auf den stillen Meeresgrund zu schicken. Der Kühlschrank wurde eingeschifft und wir segelten weg von der Küste zum tiefblauen Friedhof.

Der alte Kerl sank unglaublich langsam, er drehte sich ein paar Mal ehe er unwiederbringlich verschwand; Luftbläschen tanzten an der Oberfläche einen Abschiedsgruss. Das Blubbern waren die letzten Geräusche, die er von sich gab, bevor er die ewige Ruhe in einer Welt der Stille fand.

Das war die Geschichte vom Kühlschrank meiner Familie, teils authentisch, teils erfunden. Um einige Umweltpuritaner glücklich zu machen, erkläre ich das Meeresbegräbnis als Gegenstand der Fantasie des Autors - oder, besser noch - dass die ganze Geschichte vor hundert Jahren passiert ist als die Menschheit sich nicht viel um die Sauberkeit der Erde kümmerte.

Eines möchte ich noch sagen: Es ist nicht üblich, dass nutzlose, alte Objekte begleitet von einem Begräbnismarsch entsorgt werden, aber in der Kunst sind so viele Dinge möglich. Der Autor dieses Klagelieds und Familienkomplize des besagten Begräbnisses hat Teile aus Verdis "Requiem" als Abschiedsmusik für diesen Anlass verwendet. Natürlich wurde der Hauptteil der Musik/des Sounds vom Kühlschrank selbst gemacht; als er noch lebte, in den qualvollen Stunden, machte der Autor einige Aufnahmen.

Ich habe den Platz, wo der Kühlschrank ins Meer sank mit einem kleinen Kreuz auf eine meiner Seekarten markiert. Die exakte Position ist: ...... Möglicherweise tauche ich eines Tages dort ins Meer, um dem alten Objekt einen Besuch abzustatten und um zu sehen, ob ein Tintenfisch oder Krake oder ein anderer obdachloser Meeresbewohner sich dort niedergelassen hat - wo einst abertausende Milchflaschen die Türe passiert haben, ebenso Wein und Bier, Millionen Eier, Tonnen von Fleisch in allen möglichen Variationen, so viele Mittelmeerfische, dass ein grosses Aquarium damit versorgt werden könnte und viele, viele andere Dinge. Wenn Meerestiere so gern und oft Schiffwracks bewohnen, warum sollten sie dies nicht ebenso mit dem alten Familienkühlschrank? Dies wäre sein zweites Leben, die Reinkarnation eines Objekts aus dem Alltagsleben meiner Familie. Zugleich steht der Kühlschrank, dem ich diese akustische Geschichte widme, für die Geschichte des armen alten Mazedonischen Mannes, der beschloss, seine letzten Tage sitzend auf dem winzigen, selbstgemachten Stuhl zu verbringen.

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