„FINALBLUTEN"

Hörspiel von Peter Pessl

 

SIE 1

ca. 25-jährige Frau,

Serienmörderin.

Ich kann nicht sehen wie sie aussieht.

Ich habe sie vergessen.

Jede Stimme genügt.

SIE 2

ca. 45-jährige Frau,

Serienmörderin.

Auch sie habe ich vergessen.

Jede Stimme genügt.

HIMMELSKÖNIGIN

Sie tritt auf als Schwarze Mutter Zeit.

 

Anmerkung:

„Ich bin davon überzeugt, dass es eine übernatürliche Macht gibt, eine starke, gewaltige Kra�×ft, die Einfluss hat auf das Tun und Lassen der Menschen.

Die stelle ich mir nur geistig vor."

Peter Kürten, Serienmörder, hingerichtet 1931 in Köln

 

SIE 2

kriecht auf dem Erdboden eines verwahrlosten Kellers.

Der Boden ist trocken, staubig. Der Keller ist der eines Mietshauses, 19. Jh.

Sie kriecht im Halbdunkel durch einen mir endlos erscheinenden Gang, links und rechts von ihr Kellerabteile. Gerümpel, Werkzeug, Dreck.

Sie kriecht sehr langsam, immer wieder hält sie inne, immer wieder bleibt sie lange Zeiträume hindurch liegen.

Sie blutet aus mehreren Wunden.

Was sind lange Zeiträume?

Was ich von hier aus sehen kann:

Jeweils ein tiefer Schnitt, ihre linke bzw. rechte Wade querend. Zwei längs geführte Schnitte in ihrem Hintern.

Mag sein, dass ich mich täusche.

Ein Schnitt ihren Rücken hinab, offens� ichtlich von oben nach unten geführt, elegante Schlangenlinie.

Es gibt Tränen.

Sie verliert viel Blut.

Sie versucht zu sprechen. Am Leben zu bleiben.

Auch das mag täuschen.

SIE 1

folgt der Kriechenden.

Sie ist unverletzt. Massvoll. Entspannt.

Mag sein, dass mich ihr Anblick verwirrt.

Sie führt das Messer mit ihrer linken Hand. Das sagen die Schnitte. Weder vermag ich das Messer zu sehen, noch ihre Hand.

Woher weiss ich das vorher Gesagte?

Dennoch muss es das Halbdunkel sein, das ich mit dem Willen bestimmte.

Über der Szene liegt Seufzen, Frieden.

Wenn man sich müht, kann man einen kleinen Streifen Himmelsblau sehen. In einem Fensterausschnitt. Etwa 5 cm breit.

Man muss sich mühen!

Alles wird leicht.

Alles wird leicht und gelingt.

Wenn man sich müht!

 

SIE 1

Wann kam Ihnen sie zu verletzen?

Als Frage.

Ich warte, dass Du es sagst.

Ich warte, dass Du antwortest.

Ohne Dich zu bewegen.

Und dann:

Der Angriff mit den Verletzungen?

Aber Du kriechst.

Wer befiehlt Dir zu kriechen?

Weiters:

Wie lange gingen Sie vorher mit der Frau?

Darum bin ich heute gekommen.

Ich greife nach Dir!

Ich packte Dich damals! Ich werde zart sein!

Dabei kam ich in ein Abendhaus. Es tauchte aus dem Brombeerweg auf, zur Rechten, im Gestrüpp kleiner Büsche. Wolfstrasse.

Meine Hände hoben sich gleichzeitig.

Verhängnis daran.

An schwarzen und blauen Armen.

SIE 2

Sie ging seit langem mit mir.

Wenn auch mit dem Abstand.

Ich antworte:

Das Kind setzte noch einmal zu fliehen an. Ich fing es, drehte es herum...

SIE 1

Der Mühlheimer Mord.

Darum bin ich heute gekommen.

Sie wird heute abend kommen.

SIE 2

Ich hätte sie am Halse ergriffen, sagt man.

Das kleinere Mädchen.

SIE 1

Als ihr schwebender Arm herabgesunken war, eines Phantomes, sagtest Du,

versteifte er sich auf der Höhe ihrer Brust.

SIE 2

Dort war schon die Schere.

Dort war Sonne, sie schien bitter.

Dort war das Strahlen eines Phantomes, das ihren Arm zu umgeben schien.

Ich habe getrunken. Gestochen. Warmes getrunken.

Dann meinte ich ihr sublimes Atmen zu hören.

Das ihr weicher Körper enthielt.

So ertrug ich ein langes Warten.

Ich hätte sie am Halse ergriffen, sagt man.

SIE 1

Als ich mich schlafen legte.

Ich führte meine Arme, sie waren schwarz und blau von deinen Schlägen, zum Bett zurück mit der Leiche.

Sie strahlten im Dunkel.

Sie wird kommen.

Wie ihr Kind schweigt auch sie.

SIE 2

Es ragt mit dem Kopf über die Bettkante vor.

Über zerwühlten Röcken.

SIE 1

Aber sie wird kommen!

Von allen sprechen, die jetzt tot sind!

Alle erlösen, die wir verschont haben!

SIE 2

Von Himmeln herab wird sie kommen.

Vom Blau! Am nächsten Tage!

SIE 1

Was aber kam war das kleinere Mädchen.

SIE 2

Du sagtest:

Wenn wir nicht achtsam seien, könne sie sich wieder erheben,

entlang ihres schwarzen und blauen Armes könne sie sich wieder erheben, ich schrie:

Der Arm ist der Schlüssel!

Den Arm hätten wir ihr nehmen müssen um sie zu bezwingen!

Aber Du hast zu meinem Vorschlag nur gelacht, Du hast mich bespuckt, geküsst und mir von den Füssen gesprochen, dass sie, wenn wir sie ihr nähmen, niemals von den Toten zurückzukehren vermöge.

Selbst ein Phantom sei machtlos gegen diese Methode.

Dies seien die Fesseln des Körpers.

SIE 1

Von den Lungen hast du gesprochen, ohne die es nicht möglich sei wiederzukehren,

es gäbe zwei Erschöpfungszustände, den des Kopfes, den wir abgetrennt und entstellt haben und jenen der Lungen,

niemand kehrt wieder von dessen Lungen gekocht worden ist, sagtest Du, während Du mich küsstest.

SIE 2

Wir gelangten zu keiner Übereinstimmung.

Dies sind die Fesseln des Geistes.

SIE 1

So sei es abermals nicht möglich gewesen sie zu töten, bei aller Mühe,

SIE 2

Es war nur ein kleines Mädchen!

SIE 1

Im Gegenteil!

SIE 2

Sie nahm mit der gespreizten Schere in ihrer Brust an Lebendigkeit zu,

eines Phantomes in Schwarz, bei spinnenartiger Beweglichkeit, es bewohnt mich!

Ich werde ein wenig warten.

Ja!

Es bewohnt mich mit Tanz und Worten zu meinem Tode, bei aller Fröhlichkeit, wo ich da ankam!

Wo ich da hingelangte mit meiner Schere!

Es sei geschehen zu meinem eigenen Tode, dass ich sie stach.

Es sei geschehen um mich dem eigenen Tode zu nähern, so schnell ich dies vermochte.

Ich warte, dass Du es bestätigst, aber Du schweigst.

SIE 1

Wenn ich sie in der Folgezeit wiedersah, mit der Schere geschmückt, während sonniger Jahre, was musste ich lachen, was musste ich staunen, erkannte ich sie doch niemals wieder, aber sie mich und sie sagte:

Sie erlaube sich mich wiederzusehen an einem lichten sonnigen Tage, wie er es heute sei.

Selten habe sie so geschrien wie bei dem Zusammentreffen mit mir.

Wenn ich nur wüsste!

Welcher Genuss!

SIE 2

Nichts weiss ich genau.

SIE 1

Sie sei am Sterben gewesen. Aber dann!

SIE 2

Sie hat sich wieder erhoben.

SIE 1

Wir waren achtlos.

SIE 2

Von Himmeln herab wird sie kommen!

Am nächsten Tage!

Schwarz an Gesicht und Händen!

SIE 1

Es ist einer der Tage der letzten Blutungen.

Sie wird sagen:

Es ist hoch hier.

 

Sie 1 hebt Sie 2 vom Boden auf.

Sie tut das sehr sanft.

Man könnte sagen: Unendlich sanft.

Es steht mir zu das zu sagen. Es so zu sagen. Ich bin dabei.

Sie 1 bindet Sie 2 an der Lattentür eines Kellerabteils am Halse fest.

Gleichfalls steht mir zu zu sagen: Am Halse.

Ich will es so. Wer widerspricht?

Dann streckt sich Sie 1 am Boden so aus, dass ihr Kopf, ihr Gesicht und das Sprechen, auf das wir warten, zwischen den Füssen von Sie 2 zu liegen kommen.

Das ist der Vorgang.

 

SIE 1

Es ist hoch hier!

Nur meine Beine bewegen sich.

Als Türme. Über Deinem Gesicht.

Von ihrer Höhe werden Widerworte geschrien.

Etwa die Passage:

Was hat uns Abendgott getan! Was denn willst Du! Was haben wir Abendgott getan!

Oder:

Nichts als Flocken von Worten, die sich verwirren!

Die Worte werden geschrien bei blickloser Stimme.

Sie zerstreuen das stumme Auge, das will nicht sehen, es fällt Blut aus den

Höhen...

SIE 2

Ich weiss, sie wird kommen und sagen:

Es gibt Tränen.

SIE 1

Ich werde ein wenig warten.

Es ist heller als vor zwei Tagen.

Wie Flocken fielen Splitter der Sonne und Splitter des grösseren Mädchens an mir vorbei,

das Phantom stand nahe der Sonne und weinte, ich meinte, es würde nur eine Frage der Zeit sein bis seine Hände sie völlig verdeckten und wir aus der Gnadenzone der Göttin gefallen seien, also ging ich die Treppe des Abendhauses hinunter mit ihm zu ringen.

Ich werde warten.

Ich sage das Wenigste, von dem was ich sehe. Ich sage:

Dann werde ich hinuntergehen, längs der Gebüsche die Schere ziehen, im Heckenschatten, der noch gilt, auch bei blickloser Stimme, dann fielen ihre schwarzen Arme herab, es war nur ein kleines Mädchen!,

sie fielen herab zu den Tränen, weil müde,

auch müde zu sagen,

auch müde zu bedeuten,

warum fragst Du mich das: wie lange ich ging mit dem Mädchen,

die Du dabei warst, uns nachschlichst mit der Schere und sagtest:

SIE 2

Ich hatte fünf Kinder. Sie lebten in Flehe. An sonnigen Tagen.

SIE 1

Ich war beunruhigt über Dich. Aber stabil.

Du sagtest:

SIE 2

Angefangen mit den Kindern! Weiter mit Weibern! Dann: Das Gotteserlebnis!

Beginnen wir Clara!

Wir verändern sie bis ihr Kopf über die Bettkante vorragt und schneiden am Halse mit dem Messer durch.

Dann gibt es Tränen.

So ist es immer mit Dir!

Bei Tränen aber ist eine Göttin.

SIE 1

Es gibt Tränen.

Wechselnder Deutlichkeit.

Bald Stille. Bald Tränen.

Dein Gesicht überzieht sich mit Sonne.

Dein Butter - Gesicht, glänzend, im Schatten der Hecke, längs der Gebüsche.

Wieder gibt es Tränen.

Dann nicht mehr.

Man muss hier sein wie wir! Und stechen!

SIE 2

Es zu erkennen Was schmerzt!

SIE 1

Was aber schmerzt?

Du sagtest:

Als ich mich hier in Fesseln befand.

Du sagtest:

Ich wollte dann töten vermittels der Drähte, doch es gelang nicht.

Und:

Weil ich doch schwerer verwundet sei.

Das schmerzt!

Aber auch:

Als ich zwei Mörder sah. Die mit mir befasst waren.

Es waren Stimmenphantome. Sie riefen nach Dir! Nach mir!

Ich glänzte mit dem Butter - Gesicht.

In einer äussersten Nähe der Sonne!

SIE 2

Was mit den Tränen zu Boden fällt, dem Abgrund zugewandt, über dem wir

stehen,der gefüllt ist mit Göttern, auch Scherben von Göttern

und lachenden Stimmen daran, es ist der Heckenschatten, der jetzt noch gilt!

Deine Hände im Heckenschatten, wo das Blut ist,

wo der Abgrund ist, in den wir fallen wollen,

wo wir das Abendblut belassen haben,

wo das Bluten ist zum Finale, von allen Höhen herab.

Wird sie kommen.

Dass ein Ende dem Bluten ist!

Finalbluten!

Du wirst sehen!

SIE 1

Dass ein Ende gemacht wird mit den Phantomen!

Die dazwischen sprechen, was immer wir sprechen,

was immer wir wollen und tun, sie sagen:

Ich bin all diese Worte.

Du bist all diese Worte.

Nichts weiter. Ohne Himmel.

Nur fallende Flocken von Worten. Nichts sonst.

Dass ein Ende gemacht wird mit dem Arm, der herabsinkt und jäh erstarrt!

SIE 2

Mit Dir als blickloser Messerstecher und Messerheld!

SIE 1

Mit Dir als stummer Toter, die sich verkrampft!

SIE 2

Du wirst sehen, sie hat das Gesicht einer Sonne!

So wird ihr Name sein!

Du Sonne!

SIE 1

Sie heisst: Schere.

Jedenfalls diesen Moment.

Du wirst sehen:

Sie heisst: Du Schere, wenn sie kommt!

So hiess sie immer.

Seit jeher.

SIE 2

Dann frage ich:

Hat sie den sicheren Weg verfehlt?

Sie heisst Clara.

Ich habe versucht mit ihren Strümpfen etwas zu unternehmen.

SIE 1

Dann frage ich:

Sie wird heute nicht zurückkehren?

SIE 2

Und nicht morgen?

Ich habe die Strümpfe auf dem weiteren Wege fortgeworfen.

SIE 1

Weiters:

Du hast die gelbe Schere fallen gelassen, wieder und wieder?

Ich habe mir die Strümpfe um den nackten Körper gebunden, während des Stechens, auch während des Bluttrinkens, aber es war kein Erfolg.

SIE 2

Erst bei weiterer Verletzung am Halse.

So war es immer.

SIE 1

Das kommt hinzu.

So war es immer.

SIE 2

Ich sage:

Ich habe die Leiche ohne sie ein einziges Mal abzulegen getragen.

So sieht es aus, wenn das Auge spricht.

Was soll ich tun?

Ich bin stumm.

SIE 1

Weiterhin war ich merkwürdig rege.

Doch blicklos.

SIE 2

Dann aber kamen mir Worte,

es waren solche eines Phantomes, das gekommen sei uns in den Abgrund zu stossen, wie ich meinte, sie waren zu meinem Tode,

wie ich meinte, sie waren ausgesprochen zur Gewinnung meines eigenen Todes, die eine Wiedergewinnung sei,

so unverhofft und so süss!

Wann der nur wiederkomme!

Zu lange warte ich schon!

Ich wisse nicht weiter.

In der Freude des Würgens den Körper über die Wiese in den Graben gerollt, wo er aufschlug, anhielt, sich drehte,

bei Hilfe eines Phantomes, das seitlich bei mir stand, es schrie und tobte, so wie ich in der Körpermitte mit hautfarbenen Strümpfen umwickelt, mit schwingenden Armen, ich sah Scheren daran.

Es war durch das Würgen, das lange Bluttrinken, dass ich dachte:

Wann werde es kommen, mein eigenes Bluten zum Tode?

Die letzte Kreuzigung, auch Sühne?

Denn es seien ihrer viele gewesen, wenn ich erinnere.

Bei Hilfe eines Sprachphantomes, etwa gegen halb zehn an einem sonnigen lichten Tage?

SIE 1

Ich kam Dir zu Hilfe.

Das Phantom aber vermochte ich nicht zu verletzen.

Es war ein Blickphantom, meinte ich damals.

Ich stach auf Luft.

SIE 2

Dann das Wieder - zu - sich kommen durch das Würgen.

Ich hatte sie gewürgt, mit Hilfe eines grösseren Hundes, so träumte mir,

das grössere Mädchen, das kleinere war längst begraben, es war Nacht, was die schöne Arbeit erschwerte, wobei ich mehrere Hunde sah, die sich paarten, die heulten.

Es waren die Abwehrbewegungen! Sie schreckten mich!

Ich sah die Scheren daran!

An ihren Bewegungen sah ich Scheren!

Kurz darauf erschien das kleinere Mädchen!

Wie konnte das sein?

Sie war begraben.

Das war der Vorgang.

SIE 1

Aber sie zappelte, während sie vor mir stand, bewegte den roten Schuh an dem linken Beine, das ihr geblieben war,

SIE 2

in dem linken Arme, der ihr geblieben war, hielt sie einen beigefarbenen Hund, der schlief, seine Zunge trat vor,

SIE 1

ihre Zunge trat vor,

wie konnte das sein!

Sie war begraben!

Da sang sie!, aber ich konnte die wenigen sich wiederholenden Worte nicht verstehen, Du sagtest:

SIE 2

Liebe Jungfrau, stehe mir bei!

Das habe sie gesungen.

Sie sei von Sinnen. Auch süss.

Ihr Name sei Clara.

SIE 1

Ich begann sie zu schlagen, mit ihr zu ringen, aber sie widerstand,

sie verrutschte und schrumpfte, aber ihr süsses Bild widerstand!

Ich vermochte sie nicht zum Verschwinden zu bringen, so sehr ich mich mühte.

SIE 2

Da nützte die Schere nicht.

Es könnte Angst gewesen sein.

Aber wovor?

SIE 1

Dass ich mit dem Phantome rang und unterlag war, was Du gesa�„gt hast, nachdem wir die Leiche geholt hatten.

Durch das Haferfeld. Wir haben schön gespielt!

Aber es ist uns entglitten.

Von dem kleineren Mädchen schnitten wir die falschen Teile ab.

Es kam hinzu, dass mir das Bluttrinken nicht bekam.

Ich weiss sie wird kommen!

Sag mir, dass sie kommen wird!

Wir sind nahe dem Begriff einer Göttin!

Sie heisst: Du Sonne!

SIE 2

Sie heisst: Schere.

Du wirst sehen.

Du Schere!

SIE 1

Sie ging unten auf dem gelben Wiesenpfade und Du auf dem gewölbten Fahrweg, wenn auch mit dem Abstand.

Clara. Das grössere Mädchen.

SIE 2

Es war:

Der Angriff mit den Verletzungen.

SIE 1

Wann kam Dir sie zu verletzen?

Als Du dann zustachst?

SIE 2

Sie heisst: Diesen Moment!

Die Göttin heisst: Diesen blutenden Moment!

So genügt es.

SIE 1

Wir sollten stillhalten. Es nicht zu verlieren!

SIE 2

Wir sind nahe dem Kommen einer Göttin!

Sie ist blind geboren.

Vor jedem Geräusch.

Nur Flocken von Worten fallen von ihr zu uns herab.

SIE 1

Du sollst sagen:

Mit der Schere haben wir es gemacht.

SIE 2

Die Hämmer habe ich niedergelegt.

Auf Deinen Befehl. Im Heckenschatten.

Die Hämmer haben mich immer erleichtert!

Aber man muss die Methoden wechseln, sagtest Du.

Bis es gelingt, geräuschlos zu sprechen.

Zu sehen ohne Bild.

SIE 1

Du sollst sagen:

Mit der Schere haben wir es getan!

 

Sie 1 bindet Sie 2 von der Lattentür los.

Der Strick, mit dem sie gebunden war, fällt zu Boden und erzeugt dort ein sanftes Geräusch.

Sie 2 rutscht langsam zu Boden.

Sie erzeugt ein sanftes Geräusch.

Nach einiger Zeit kriecht Sie 2 weiter.

Sie 1 folgt ihr.

 

SIE 1

Wann hast Du das erkannt?

Das wäre die Frage.

Nämlich:

Die entstellte Leiche nachts einem Baume aufzubinden, dass es gewesen sei wie mit einem gekreuzigten Körper.

SIE 2

Ich habe es erkannt im Wieder - zu - sich kommen durch das Würgen.

Als Sühne.

Das ist der Sauerstoff, den wir brauchen!

Das ist Brennstoff, der ausströmt!

Das kleinere Mädchen war stark. Sie bemühte sich.

Sie kam zu sich, während ich sie würgte.

Ich habe es erkannt als Sühne und Erleichterung.

SIE 1

Du meintest, deutlich leichter geworden zu sein nach dieser Nacht.

SIE 2

Es war wie wenn eine schwere Last, die ich im Genicke zu tragen gehabt hätte, durch die ich den müden Kopf nicht heben konnte um in das Firmament zu sehen, ich will es körperlich verstehen, in einmal von mir fortgehoben worden oder auch fortgesprungen sei!

Der Fuss von meiner Brust! Der Schaum von meinen Lippen!

So glaubte ich schwebend zu sein!

Verlängerung nur von körperlosen Stimmen!

Beinahe jedesmal sah ich das Phantom von mir fort in dunkle Wälder laufen,

es trug eine Last auf dem gebeugten Rücken, die es ungeduldig übernommen hatte von mir, es war möglich!

Es war möglich die Last abzugeben!

Für den Rasenden war alles möglich!

SIE 1

Dass es die Last zu denen bringt, die in Wahrheit Schuld daran trügen.

SIE 2

Die ich töten werden.

Getötet habe. Seit jeher. Ausgeblutet habe als Sühne und Vollstreckung.

Ich dachte:

Wenn ich nur den Kopf heben könnte, es wäre nicht nötig!

Wenn ich nur den Kopf heben könnte, es wäre anders gekommen!

Als ich das Abendhaus, es war Wolfstrasse, mit Haken und Schnüren verliess.

Es war die Idee die entstellte Leiche, beinahe brach sie seufzend in der Mitte entzwei, einem nahe dem Kanal bei dem Brückenpfeiler stehenden Weidenbaume aufzubinden, bei Hilfe des Blickphantomes, dachte ich dann, dass es gewesen wäre wie mit einem gekreuzigten Körper, der leuchten würde auf uns herab.

Du hast ihn geleert mit den Händen.

Er sprach in Gleichnissen zu uns herab.

Am besten gefiel mir das Seufzen.

SIE 1

Ist das die Gottesidee?

SIE 2

Dass Du mein Blut trinkst bis ich leer bin.

Dann tanzt Du auf meinem Körper.

Dann erbrichst Du.

Das ist die Gottesidee!

SIE 1

Am Rande des geöffneten Grabes.

Von dort aus sähen wir in einen Abgrund, der mit Leichen von Göttern gefüllt ist. Und matten Theoremen daran als fleischfarbene Strümpfe um die Körpermitte gebunden.

Sie heulen. Wir warten.

SIE 2

Ich wartete in der Weberei.

Auf das Kommen der Gottesidee.

Ich arbeitete an der Abstreifung des Menschlichen.

SIE 1

Dazu brauchtest Du gesponnene Seide?

SIE 2

Ich glaubte als Seidenraupe umwickelt, also im Stadium einer Verpuppung, an das Beginnen einer Abstreifung des Menschlichen.

Das war reine Kenntnis des Wissenschaftlichen!

SIE 1

Ich weiss es von den Ärzten. Sagen wir: Wärtern.

Du wolltest Dich zuckend und stockend bewegen wie eine Seidenraupe.

Dann fliegend.

Wir haben die Ärzte später getötet.

SIE 2

Ich wollte die Weberei verdunkeln mit den nassen Decken von Pferden.

Die wir in den Stallungen geschlachtet hatten, mit den Wärtern, in Neuenfels.

Mit den anderen Decken, denen aus Münster, verhüllte ich einen grossen Tisch. Und ich habe unter dem sich drehenden Tisch gelegen, in den Armen des kleineren Mädchens, ich weiss es genau, mit blauer Seide umwickelt, also vollkommen starr und still und in Träumen des Firmaments, viele Stunden!

SIE 1

Ich sagte Dir:

Du musst schon am Morgen anfangen!

Dass Du zu Ende kommst!

SIE 2

Ich weiss nicht, wie lange ich dort gelegen hatte.

Du hast mir die Seide vom Körper geschnitten.

Es war Nacht. In Flehe. Du sagtest: Hier tötet und isst man.

Das habe ich gesehen!

SIE 1

War das die Gottesidee?

SIE 2

Ich hatte verdunkelt.

Mit den nassen Decken von Pferden.

Das war die Gottesidee.

Mit der Sonne hatte ich es schon versucht. Das weisst Du. Sie gehorchte nicht meinem Willen.

Die Pferde standen an meiner Seite. Dann trank ich dem Hund aus dem Halse. In Flehe.

Es wurde dunkler und stiller.

Ich warte, dass sie kommt!

SIE 1

Sie wird ein Pferd sein!

Schwan!

Und Hund!

SIE 2

Ein fliehender oder verfolgender Vorübergehender, der mich nicht verfehlen kann mit seinen Waffen!

Oder nasse Decken vor dem Fenster und die anderen Decken aus Neuenfels noch dazu, sie wird sein:

Der Gaffer!

Und:

Der Ekel vor dem Gaffer!

Und:

Ekel vor dem geköpften Hunde!

Und Hund!

 

Sie 1 tritt nahe an Sie 2 heran, die vom Blutverlust tödlich geschwächt, zusammenbricht.

Sie wird sich nicht mehr weiterbewegen.

Das Kriechen endet hier.

Das Verfolgen endet hier.

Es wir nicht nötig sein, das Messer noch einmal zu benützen.

 

SIE 1

Jetzt stell Dir die Gegend vor des Finales, von dem Phantome bezeichnet!

Es war ein Kanal, wohin ich sie brachte, wohin ich Dich brachte,

sie konnte sich nicht bewegen, genauso wie Du,

gelähmt von den Lockspeisen, bald in dem Kopfe, bald in dem Bauche,

wo es bald zuckte, bald stockte,

es war vor allen Geräuschen, vor allem Licht,

es war ein ruhiger Kanal der von dem Haferfeld in den Wald hineinging,

also da dunkelster Wald zu beiden Seiten, darüber die Sonne als Göttin,

also strahlend hell war es da!

Ich weiss nichts von Angst!

Ich weiss nichts von Bedenken!

SIE 2

Da begann ich zu graben.

In müde Hände klatschend.

Ich wusste: Das Blut - Finale war da!

Ich wollte noch sagen:

Du genügst mir, doch ich brauche Dich nicht,

nicht in der Sonne, bei bitterer Nacht,

nicht als ich das frische Grab mit den Strümpfen umwickelt verliess,

den Kopf hob und sah in das Abendfirmament,

Flocken von Worten fielen herab....

SIE 1

Ich fand Dich auf dem Liegesofa.

Der Tod musste Stunden zuvor eingetreten sein.

Also weckte ich Dich.

Ich brachte Dir die Bissverletzung am Ringfinger bei, ohne Hilfe der Vernunft, dann am Halse:

Der Schlusstrich!

Ich wollte noch sagen:

Du genügst mir, doch ich brauche Dich nicht,

nicht in der Sonne, bei bitterer Nacht,

nicht als ich das frische Grab mit den Tanzschritten verliess, aber diese letzten Lichter verlöschen...

 

Sie 1 setzt sich zu der am Boden liegenden Sie 2.

Sie 2 erhebt sich ein wenig, stützt ihren Oberkörper auf dem Ellbogen auf.

All das sehe ich. All das zeige ich Ihnen. Dass es gefällt.

In einmal hält Sie 2 ein kleines Taschenmesser in ihrer Hand.

Sie schneidet Sie 1 mit einem Schnitt den Hals durch.

Beide sprechen ab jetzt mit grosser Anstrengung!

Was ist Anstrengung?

Der Schlusstrich!

Das ist der Vorgang.

 

SIE 1

Was mit den Tränen zu Boden fällt,

nach all den blutigen Flocken, den Worten, und sie sind es noch immer, die sagen:

nach all den Armen und Beinen, die abgetrennt sind, eines kleineren und eines grösseren Mädchens, das schläft,

es schläft noch in der Sonne!

Was zu Boden fällt bin ich.

SIE 2

Noch in der Sonne, die sich taumelnd bewegt,

schleifend über den Boden die weichen Hände, die sich mit Staub bedecken,

genügst Du mir...

SIE 1

Du genügst mir.

Aber ich brauche Dich nicht!

SIE 2

Schweigend und schlafend genügst Du mir.

SIE 1

Als Tote genügst Du mir!

Aber ich brauche Dich nicht!

SIE 2

Wie haben wir es mit Clara gemacht?

SIE 1

Wir haben sie geweckt und begonnen.

Wir haben begonnen, sie zu entleeren.

Sie wurde leichter. Und besser.

Aber wir brauchten sie nicht!

SIE 2

Claras Hals war noch in der Sonne.

Also in der Zone der Göttin.

Er ragte leicht vor.

Nach dem Hinterkopf hast Du gestochen!

SIE 1

Wir haben sie begonnen.

So wie ich Dich.

Finalbluten!

Bis Du leer bist! Bis ich leer bin!

Mit der Schere habe ich es gemacht!

Das Blut aus dem Halse getrunken, nicht von einer anderen Stelle!

Ich brauche Dich nicht!

Sende niemals, Königin, wider mich vom goldnen Bogen Deinen silbern Pfeil, getaucht in Sehnsucht!

 

Die Himmelskönigin erscheint mit den Leichen des grösseren und des kleineren Mädchens au�f einem Löwenwagen in der Luft.

Sie tritt auf als Schwarze Mutter Zeit.

Ihre Zunge ragt aus ihrem schwarzen Gesicht. Um den Hals trägt sie eine Kette von Menschenschädeln.

Ihr vielfarbiges, mit Edelsteinen geschmücktes Gewand gibt ihr von Ferne die Form eines in den Himmel gerichteten Dreiecks.

 

HIMMELSKÖNIGIN

Zu berühren komme ich eure kalten Wangen

und den Mund als anderes Auge, der ausspricht:

Wie körperlich aber ist uns dies alles gelungen!

Blut! Unförmige Haufen!

Die Arten Fleisch sind die von Pferden, Mädchen, Schwänen,

mit geöffnetem Auge ein Hund!

Dem blutigen Haufen ein Auge!

SIE 1

Lass uns gehen!

SIE 2

Während die eine spricht.

SIE 1

Während die andere schon fällt.

 

HIMMELSKÖNIGIN

Aber der Platz an dem ihr liegt

ist kein Abgrund.

Von dem man in Stille fällt.

Er ist ein Wiesenstück, mit Körpern bedeckt, inmitten des Abgrunds,

im Fallen.

Dort müsst ihr sehen!

Was sein kann.

Ihr wart der Wiese ein Auge!

Ihr wart dem Fallen ein Auge!

 

SIE 2

Über mir Luft!

Unter mir Luft!

Dazwischen das Wiesenstück!

SIE 1

Mit den blutigen Leichen.

Das Wiesen - Finale!

Ich kann nicht sterben!

HIMMELSKÖNIGIN

Das wird sich noch ändern!

SIE 2

Was tut sie damit?

HIMMELSKÖNIGIN

Das Auge blieb offen.

SIE 1

Sie tut nichts damit.

Das Auge hält sie offen.

Man weiss nicht warum.

HIMMELSKÖNIGIN

Das Auge habt ihr ausgesprochen.

Solange ich es wollte.

Jetzt wird es still.

Und darf sich schliessen.

Jetzt werdet ihr gehen!

Ihr seid mein Auge gewesen, gefüllt mit Blut!

SIE 2

Zu durchdringen die Finsternis.

SIE 1

Bis man fällt.

HIMMELSKÖNIGIN

Andere mögen hoffen!

Ihr werdet gehen!

SIE 2

Dass man schliesst die Augen im Dunkel.

SIE 1

Dass man öffnet die Finsternis mit den Lampen.

HIMMELSKÖNIGIN

Die Finsternis kam, dass ihr die Augen öffnet!

Jetzt aber kommt das Licht, dass ihr sie schliesst!

 

- All out -