DADA TO GO.
a walkthrough (levels).

friedrich w. blocks stellungnahme zur digitalen poesie (1) beginnt an einem wichtigen und endet an einem unzureichenden punkt. es ist richtig zu erkennen, dass digitale poesie - besser netzkunst (2) - immer mehr sein wollte als der verlängerte arm der alten medien. projekte wie hettches null gaben sich vorderhand digital avanciert, landeten aber über die hinterhand wieder in der buchform. das ist und war eine wichtige, kritische ausgangsposition, die man dem netzbuch gegenüber einnehmen kann - die abgrenzung zum buch ist jedoch längst nicht mehr vorrangig.
leider führen blocks argumente für den digitalen text nicht weit genug, bleiben fast diskursklassisch an einem neuralgischen ende stehen: der avantgarde. wenig differenziert werden neue medien und deren rollenprosa der kalifornischen ideologie mit den bestrebungen der netzkunst, die sich schon früh kritisch mit dem ökonomischen tauschgeschäft neue medien auseinandergesetzt hat, in eins gesetzt.
dabei ließe sich blocks vorstellung eines beständigen fortschreitens und - erweiterns von literatur und kunst durchaus in ein aktuelles avantgardeverständnis überführen: das ziel aktueller avantgarde ist nicht mehr der fortschritt, sondern die transgression - das überschreiten von neuralgischen grenzen, oftmals nur das (aus-)halten von grenzen (3).

das feld der netzkunst kämpft mit den gleichen hierarchisierungen herkömmlicher kunstfelder (4), wenngleich der hauptgegensatz zwischen massenproduktion für ein breites oder eingeschränktes publikum lange keine wirkliche rolle gespielt hat. mittlerweile ist auch die netzkunst im kunstfeld angekommen und hat eingang in rezeption und kanonisierung gefunden. schwieriger als dieser gegensatz ist jedoch jener zu fassen, der sich innerhalb des feldes der eingeschränkten produktion (im subfeld der reinen produktion, die sich bewußt an ein schmales publikum richtet) abzeichnet, jenem netzkunstfeld, das sich kritisch und transgressiv gegenüber einsatz und mittel der neuen medien verhält. wie in anderen feldern - etwa im literarischen feld - hat sich dort ein gegensatz zwischen avantgarde und arrivierter avantgarde (5) ausgebildet. dieser ist nicht immer leicht zu fassen, die netzkunst selbst hat sich durchaus kritisch mit der eigenen arriviertheit auseinandergesetzt (6).

das transgressive des aktuellen avantgardeansatzes kann womöglich nur darin bestehen, den von deleuze/guattari skizzierten kapitalströmen zu folgen, ihre arbeit der deterritorialisierung zu verfolgen und folglich auf jenen punkt zu setzen, der nicht reterritorialisierbar ist, "wo der kapitalismus sich selbst mitsamt seinen strömen zum mond schießen würde." selbst die von bourdieu konstatierte logik der permanenten revolution (8) - was dem begriff der avantgarde durchaus gleich kommt - lässt sich konterkarieren, wenn man den mond als losen trabanten begreift, der sowohl allein als auch zu zweien seine runden drehen kann.

DADAspuren im netz zu verfolgen, ist eine möglichkeit, kurzfristig lose texttrabanten aufzusuchen und die einzelnen DADAgruppen und - quellen auf das niveau der strukturellen lücke (9) zu bringen. dabei macht es wenig sinn, von DADA an sich zu sprechen, zu divers sind zugänge und aktualisierungen zum/des historischen DADAismus: so lassen sich virtuelle identitäten nieder - aktuelle (babel, hugo baron, frieder rusmann, dadasophin) und historische (duchamp, tzara, serner, ball, schwitters), wird mit bananen (anna banana) gehandelt und auch indiziert, am tod von kunst und künstler gefeilt (kunsttot.de), auf virtuellen staaten (bananaland, rongwrong puppet empire) geschraubt und auf publikum auch gerne mal ganz verzichtet (neumerz, dadasophin).
das projekt DADA TO GO bündelt die unterschiedlichen spuren in einem hörtext, der die DADAgruppen in einer umgebung agieren lässt, die einem computerspiel entlehnt und dem DADAismus beine macht.

denn: am anfang von DADA war langeweile ...


Anmerkungen

1 block, friedrich w.: acht finger digitaler poetik. in: block, f. w./ heibach, ch./ wenz, k. (hg.): p0es1s. ästhetik digitaler poesie. hatje cantz 2004, s 307-317, hier: s 310

2 netzkunst scheint uns ein angemessener begriff zu sein als digitale poesie, letzterer würde die grenzüberschreitung gleichsam wieder zurücksetzen und einschränken auf das literarische feld

3 asholt, wolfgang/ fähnders, walter: einleitung. in: asholt, wolfgang/ fähnders, walter (hg.): der blick vom wolkenkratzer. avantgarde - avantgardekritik - avantgardeforschung. rodopi 2000, s 9-27, hier: s 13

4 vgl. dazu bourdieu, pierre: die regeln der kunst. suhrkamp 1999, s 198

5 man könnte ökonomisch salopp formulieren: die gruppe der arrivierten und der noch nicht arrivierten avantgardisten

6 vgl. die diskussionen auf nettime.org

7 deleuze, gilles/ guattari, félix: anti-ödipus. suhrkamp 1992, s 44

8 bourdieu, pierre: a.a.O., S 202

9 das niveau einer strukturellen lücke erreichen: man muss eine gewisse akzeptanzschwelle erreichen, um überhaupt rezipiert zu werden.