SONNTAG, 8. Juli 2007, 23:05. - 23:45, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST



Mit Ann Cotten und Anja Utler präsentiert die Reihe Literatur als Radiokunst zwei kompromisslose junge Temperamente der zeitgenössischen Literatur. Die für ihre fundamentale Materialpoesie ausgezeichnete Dichterin Anja Utler schwingt sprachlich den Radiowellen nach: in suchrufen, taub erkundet und wendet sie die blind aus den Lautsprechern dringenden Brechungen der Beschallung. Was indes geschieht, wenn sich das Ich aus dem Bild – folglich Sender und Weltempfänger – verliert, demonstrieren die Sprach-Schreck-Momente von Ann Cotten: das minimalistische und metaphysische Spiel auf der parkbank nimmt den Dreh zwischen Schmerz und Scherz.


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«parkbank»

von Ann Cotten

im prozess des verschwindens findet und verliert die frau auf der parkbank eine gewisse kohärenz. das bewusstsein wandert ins absolute und allgemeine, um sich dann wieder an konkreten minimalitäten aufzuhängen, die rede schwankt zwischen innen und außen. zu den konkreten minimalitäten gehören neben den üblichen requisiten wie gliedmaßen, schmerzen und kleintieren auch sprachliche schrecke wie reime, alliterationen und wechsel in der syntaktischen struktur. was relativ einfach klingt, bekommt allzu schnell einen dreh ins metaphysische, gleichzeitig aber auch einen ins scherzhafte. tod und leben in ihrer
annäherung bis zur verwechselung sind /der/ kapitale witz der menschheitsgeschichte.

(anne cotten)

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«suchrufen, taub»

von Anja Utler

Wellen, die zu vielen lecken können und zu niemandem: das ist blind sprechen, und taub. Die asymmetrische, richtungslose Form des Radiosprechens. Der Körper, an dem die Strömungen des eigenen Munds vielleicht aufbrechen, verbleibt im geschützten Raum des Ungesehenen und Ungehörten. Er gibt nicht direkt Laut, aber er treibt Laute hervor: am Widerstand gischtet das Wasser auf. Umfließend, lösen sich immer neu gemaserte Wörter aus einander – in welchem Suchlaut könnten die Konturen der fantasierten Hörerin, des fantasierten Hörers sich treffen? So brechen für die Sprecherin die tastenden, fragenden Wörter in sich selbst zurück; nicht in einem Widerstrom von außen werden sie gefangen, allein in der Zeit heben sie sich auf.

(Anja Utler)

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