SONNTAG, 6. April 2008, 23:05. - 23:45, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST


 

Sound & Vision – Radiostücke von Studenten der Angewandten

Lukas Frankenberger, Susanne Katharina Klein, Ulrich Kurt Kühn und Hans-Jürgen Poëtz

„Bildende Künstler als DJs und Musiker, Gitarristen-Fotografen, komponierende Wissenschaftler oder malende und filmende Performancekünstlerinnen interessieren sich nicht mehr für die traditionellen Grenzen zwischen den Künsten. Bereits die Avantgarde des späten 19. Jahrhunderts hat die Möglichkeiten neuer Medien erkannt, um die Schranken zwischen Hochkultur und Alltag, Museum und Straße, Amusement und Akademismus, die vermeintlichen Barrieren zur Wissenschaft und Technologie wie die Grenzen zwischen den Künsten, zwischen Theater und Tanz, Mode und Körper, Malerei und Musik oder Stimme und Schrift nachhaltig in Frage zu stellen. Das Radio hat diesen Prozess geradezu exemplarisch umgesetzt.
(Text: Brigitte Felderer, Kuratorin und Kulturwissenschaftlerin, lehrt an der Universität für Angewandte Kunst)
Die gesendeten Arbeiten sind im Rahmen einer Kooperation von Kunstradio, forum experimentelle Architektur sowie Universität für angewandte Kunst Wien entstanden. Entwickelt wurden sie während des Seminars “Sound & Vision“ mit Brigitte Felderer.


A CASSETTE OF THIS PROGRAM CAN BE ORDERED FROM THE "ORF TONBANDDIENST"



"Euro-Vision"

von Lukas Frankenberger (2007)

„My Little World“, legendärer Eurovisions-Hit 1976 von Waterloo & Robinson, zählt längst zum kollektiven Gedächtnis Österreichs. Waterloo aka Hans Kreuzmayr tritt mittlerweile als Stimmungsmacher auf FPÖ-Events auf und erhebt dort „seine kleine Welt“ zum politischen Programm. Durch das Hervorheben einzelner Textfragmente bleibt der Hit zwar wiedererkennbar, doch was zuvor der unkomplizierten Berieselung diente, irritiert nun.


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"La radio es la vida – Ohne Radio geht nix"

von Susanne Katharina Klein (2007, Dauer 7’35’’)

Das tägliche Leben der indigenen Landbevölkerung in San Ignacio de Velasco ist durch das Radio geprägt. Für die BewohnerInnen dieser Region im Tiefland Boliviens ersetzt es das Telefon. Neben Unterhaltungs- und Bildungsprogrammen werden persönliche Nachrichten über Unfälle, Notlagen, private Besuche, oder Arztvisiten an die entlegen wohnenden Familienmitglieder gesendet. Die im Juli/August 2007 entstandenen Aufnahmen des Lokalradios wurden durch Interviews in zwei indigenen Landgemeinden ergänzt, welche das Ausgangsmaterial der Sendung darstellen. Dank richtet die Künstlerin an ihre Schwester Irmgard Christine Klein: ihr Leben in Bolivien wurde ihr hörbar näher gebracht.


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Setfoto „and up and down“ von Ulrich Kurt Kühn

 

"and up and down"

von Ulrich Kurt Kühn (2007, Dauer 3’02’’)

Nach dem Aufzeichnen von Feldgrillen, Kassettenrecordern, Föns und Schwingschleifern beschäftigte mich die Frage, was wohl derjenige sagt, der alles aufnimmt – der eigene Computer. Der Künstler und circuit-bender Phillip Stearns aka pixelform (lots of thanks!) entwickelte eine Methode, den Stromkreis direkt anzuzapfen. Mit Widerständen wird der Stromfluss transponiert. Tonfolgen ergeben sich unmittelbar aus den Arbeitsabläufen des Computers: das Starten von Programmen, die Bewegungen der Maus, das Buffern von Audiodateien oder das Betreiben einer Webcam. Das Werkzeug der Musikproduktion wird dabei selbst zum Produzenten.


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"440"

von Ulrich Kurt Kühn (2008, Dauer 2’08’’)

Dieses Stück besteht aus den unterschiedlichen Resonanzen einer 440Hz Stimmgabel. Etwa 40 Resonanzkörper (sämtliche Oberflächen und Dosen einer Einbauküche) ergeben einen neuen Gesamtton, der sich aus den verschieden angeregten Resonanzkörpern bildet. In diesem stück gibt es lediglich einen Ein- und Ausschwingvorgang. Alle aufgenommenen Geräusche wurden exakt gleich bearbeitet (und dabei auch nur Lautstärke und Equalizer)


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"cd crack"

von Ulrich Kurt Kühn (2008, Dauer 1’20’’)

Eine zufällig auf der Strasse gefundene, zerkratzte CD bildet das Ausgangsmaterial zu "cd crack". Auf einem CD-Player war ein kurzer Teil eines Tracks – etwa 2 sec – noch lesbar und sauber abspielbar. Dieser Teil wurde aufgenommen, die CD entnommen und künstlich noch weiter zerkratzt, wieder abgespielt, aufgenommen usw. Nach etwa 20 Wiederholungen wurde die CD leider unwiederbringlich zerstört, und das Stück fand so ein natürliches Ende.
Aufgebaut ist das stück in chronologischen Loops dieses immer weiter zerkratzten Ausgangmaterials. Nach etwa 15 Wiederholungen ist kurz wieder das "saubere" Ausgangsmaterial erkennbar. Die Immer weiter hörbare Zerstörung der CD wird fortgesetzt bis zur Unlesbarkeit des Tonträgers. Das aufgenommene Material wurde lediglich geschnitten, aber nicht weiter bearbeitet.


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"s-fehler II"

Klang-Raum-Intervention von Hans-Jürgen Poëtz (2002/07, Dauer 11’44’’)

Die Arbeit beschäftigt sich mit Transformationen des Gedächtnisses. Sie untersucht Fehler im technischen Bereich, die nicht in einer linearen Form beschreibbar sind. Der Sprachlaut [s] wurde intern zwischen zwei Computern über zwei Pro Tools Free Programme mehr als tausendmal hin- und herkopiert. Hervorgebracht wurde der Laut von der Rekonstruktion einer akustisch-mechanischen Sprechmaschine aus dem 18. Jahrhundert, deren wesentliche Teile ein Blasebalg als Druckkammer für die Lungen, ein vibrierendes Blatt für die Funktion der Stimmbänder und ein Kautschuk-Schlauch für die Aktivität des Mundes bilden. Die nur in feinen Nuancen wahrnehmbaren Veränderungen/Fehler des Klangmaterials, die durch den Kopiervorgang entstehen, werden in einer spezifischen Anordnung geschnitten. Das Meditationsstück lässt in- und gegeneinander geschichtetes räumliches Gewebe entstehen, welches in den angesteuerten unterschiedlichen Hörräumen gleichsam zu atmen beginnt.

 


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„jet whistles“

von Hans-Jürgen Poëtz Flöte: Eva Furrer (2008, Dauer 4’20’’)

Das Stück basiert auf den Geräuschen eines Luftstroms, der durch den Körper einer Bassflöte fließt. In Korrespondenz mit der räumlichen Umgebung, in der es gehört wird, bringt es den Raum zum Atmen. Vorgesehen ist, so viele Radios wie möglich laufen zu lassen, um diese Hörerfahrung zu verstärken.

 


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