SONNTAG, 31. August 2008, 23:05. - 23:45, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST




„Tabakhütte als Klangwelt“

von Winfried Ritsch


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Statement von Winfried Ritsch

Im Rahmen der Regionale 2008 adaptiert Winfried Ritsch eine Tabaktrockenhütte in der Steirischen Gemeinde Ilz für eine außergewöhnliche Klanginstallation: das historische Gebäude wird zu einem überdimensionalen Instrument, dem auch eine eigene Komposition gewidmet wird. Ritsch bezieht sich dabei auf das Projekt House of Sounds von 1996:

„Bei der Klanginstallation ‚Tabakhütte als Klangwelt‘ war die Idee, wie ich es schon bei House of Sounds gemacht habe, dass eigenständige Mikrokompositionen hier in diesem Haus leben. Das bedeutet, dass die einzelnen Schlägel eine Maschine bekommen, die Rhythmen klopfen, und diese spielen können und auch Nachrichten an andere Schlägel, Lebewesen aussenden können, die sich auch noch darin befinden. Sie bewegen sich dann quasi durch dieses Gebäude, das wie eine Hemisphäre bespielt wird. Sie kommunizieren, damit sich dann eine selbstorganisierte, soziale Struktur von Klängen und Schlägeln ergibt, die dann eine Komposition ergibt, die über die Klanginstallationsdauer von vierzig Tagen anhält. Der Besucher kann dann einen Raum betreten und sich Ausschnitt aus dieser Komposition anhören. Die Hütte wird nicht durchgehend mit dieser Komposition bespielt – wegen der Lärmbelästigung, und es ist auch nicht notwendig – sondern nur, wenn Leute hören wollen, was sich entwickelt hat, wie viele Schlägel spielen wo.“

Die ehemalige Tabakhütte misst 40x20x18m und ist komplett aus Holz gebaut, wobei an den Außenseiten Klappen sind, die geöffnet werden können, um das Trocknen der Tabakblätter zu begünstigen. Die Tabakhütte liegt neben einer Straße. In der Nähe ist im Rahmen der Belebung der Tabakhütte während der regionale08 ein Tabakfeld angepflanzt.
Im Inneren der Tabakhütte hat der Künstler Richard Frankenberger eine Ausstellung zur Tabakgeschichte in der Region zusammengestellt, es sind Sitzgelegenheiten und Informationstafeln untergebracht. Über die Wiederbelebung des ungenützten Gebäudes sagt Winfried Ritsch:

„In der Geschichte gab es schon viele Ansätze, dass man Klangkunst in eine Struktur integriert, hier eine dörfliche Struktur. Und sich manifestieren lässt in Gebäuden oder Punkten, die vorher als selbstverständlich oder als integriert wahrgenommen wurden. Meine Idee war es aber, etwas drüber hinauszugehen, also nicht nur das klangliche Bespielen der Räume, sondern eben das Gebäude in eine Metaebene zu heben, dass aus den vielen kleinen Geräuschen, die man erzeugen kann, ein zusammenhängender Klang wird, eine Metaebene, eine Sprache, mit der das Gebäude spricht und wo das Gebäude sich auch einfügt in die Umgebung. Insofern stören externe Geräusche, wie Autos nicht.“

Es ist ein Instrument, das zu spielen gelernt sein will. Insgesamt 240 Schlägel wurden verbaut, sodass über Computersteuerung jeder Schlägel individuell und in unterschiedlicher Lautstärke angeschlagen werden kann. Bei der Entwicklung kam Ritsch zu dem Ergebnis, dass die Klaviermechanik die geeignetste ist. Aus fünf Entsorgungsklavieren wurden Mechaniken ausgebaut und so adaptiert, dass sie in dieser Hütte als Klopfmechanismen wieder eingebaut wurden. Durch Hubmagneten gesteuert, entstand daraus das große Klopfinstrument.

„Die vielen Klappen des Gebäudes inspirierten mich zu der Idee, dass man eine Art Schwarmtheorie nachempfindet, dass man die Klappen so bespielt, also ob sich hier ein Lebewesen in dem Gebäude befindet Damit wird das Gebäude zum Leben erweckt. Gebäude, die eigentlich keinen Sinn haben, die ausgemustert sind und einen historischen Wert haben, kann man entweder abreißen oder mit einem neuen Leben, einem virtuellen Leben erfüllen. Einem Leben, das nicht mehr zur Gesellschaft gehört, dass sich im Computer abspielt, und das man über das Geräusch der Klappen wahrnehmen kann. Ein Leben, das einen organischen Eindruck macht, sich in die Umgebung einfügt und versucht, von dieser wieder akzeptiert zu werden.“

In einer Performance mit dem Titel „Die lange Saite“ wurde Alvin Luciers Werk “Music on a Long Thin Wire” in der Hütte montiert und so zur Klanginstallation von Winfried Ritsch in Beziehung gesetzt. Die liegenden Klänge der Saite hoben sich von der Umgebung und auch von den Klopfgeräuschen ab, eine „schöne Ergänzung“, befindet Winfried Ritsch.

Hauke Harder, Alvin Luciers Assistent, gab eine Einführung in die Arbeit “Music on a Long Thin Wire”.

Statement von Hauke Harder

Ausschnitt „Die lange Saite“ (Tabakhütte Ilz, 14./15.8.2008)


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