SONNTAG, 11. Jänner 2009, 23:03 - 23:45, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST


 

SENSORIUM RE-CONNECTED

von Andrew Garton


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„Sensorium Connect“ hieß eine generative Komposition, die der australische Künstler und Komponist Andrew Garton aus Soundsamples von Performances des Künstlers Stelarc 1997 entstehen ließ. Im Rahmen der Radiokunst-Sendung „Listening Room“ des australischen Rundfunks, wurde „Sensorium Connect“ 1997 speziell fürs Internet produziert und über einen Zeitraum von sechs Wochen gestreamt. Jetzt hat Andrew Garton eine gänzlich neue Version dieses Werkes angefertigt: „Sensorium Re-Connected“ ist für ihn sowohl Komposition als auch Prozess.

Der australische Künstler Stelarc beschäftigt sich in Performances und Interfaces mit dem Verhältnis von Mensch und Maschine, von Körper und Technologie. Bekannt ist er für seine Aufhängeaktionen oder für seinen Versuch, sich ein drittes Ohr am Arm wachsen zu lassen, eine weiche Prothese aus menschlichen Zellen.

Die Klänge der Stelarc-Performances, die Andrew Garton weiterverarbeitete, beinhalten Gehirnströme, Herzklopfen und Blutfließen, aber auch die Sounds seines Roboterarmes oder eines Sensors, der den Gehalt an Kohlenstoffdioxid im Atem misst.
Wenn Geräusche des Körpers verstärkt werden, sagt Stelarc, dann werden sie des Körpers entleert und vom Raum rundum übernommen. Die humanoide Form des Körpers wird zur kuboiden Form des Raums.
Andrew Garton spinnt diesen Gedanken nun weiter und überträgt ihn auf den virtuellen, sich unablässig generierenden Raum des Internet. Sein Stück „Sensorium Re-Connected“ ist eine akustische Landschaft, die übersetzt zwischen humanoider Form, kuboidem Raum und dem Raum als Instrument.


Text für die Produktion einer generativen, radiophonen Sound-Arbeit, „Sensorium Re-Connected“, von Andrew Garton:

Stellen Sie sich für einen Moment Musik vor, die sich nicht wiederholt, die sich nie gleich anhört, die bei jeder Aufführung anders klingt. Ein neues Genre – sich selbst entwickelnd und schwer zu kommerzialisieren.

Musik ist tot! Tot, kaputt, fertig!

Wir hören, lieben, arbeiten und sterben leise in gefühlslähmenden Arpeggien der Wiederholung.

Mit ihren qualifizierten Interpreten, Konzerthallen und Kathedralen, Theoretikern und Plattenlabels, bestätigt die Evolution vom Ritual zur Wiederholung das Ende der Musik und ihre Rolle als Erschafferin von sozialem Raum.

Die Aufrechterhaltung sozialer Ordnung und deren Bindekraft sind auf absoluter Verleugnung, Verbot und Vermarktung freien Ausdruck aufgebaut. Musik stellt keine Ausnahme dar. Vielmehr agiert sie als Indikator ihres eigenen Erfolgs, der Erfolg von Macht und Kommerz, um ihre kompositorischen Prozesse, ihre Herstellung, ihre Verwertung und ihren Konsum zu definieren und zu kontrollieren.

Musik ist tot!

Im Mittelalter fuhren Jongleure, die gleichzeitig Musiker und Entertainer waren, quer durch Europa, von Dorf zu Dorf, um sowohl privat als auch öffentlich aufzutreten. Die Jongleure bezogen ihr Einkommen aufgrund dieser Auftritte.

Auf ihren Reisen sammelten, bearbeiteten und veränderten sie was sie gehört und gesehen hatten. Sie garantierten den Verbleib des Zugangs zur Musik als ein Privileg jeder Gesellschaftsschicht. Und sie waren essentiell für die Verbreitung von Information. Der Jongleur „(...)war Musik. Sie alleine erschufen sie, sie ging mit ihnen mit, und sie organisierten ihre komplette Verbreitung innerhalb der Gesellschaft.“ (Attali, J, 1977, Noise, University of Minnesota Press. Breaking the Loop pp. 3)

Musik ist tot!

Echte Volksmusik ist nicht mehr möglich. Die Vorgehensweise bereits bestehende Melodien und Texte in sich ständig entwickelnde Songs einzuarbeiten, ist unmöglich, wenn sich Melodien und Texte in Privatbesitz befinden. Der Jongleur ist zum Geschäftsmann geworden, ein geschickter Interpret von Musik, gehemmt durch kulturelles Eigentum und Copyright.

Musik ist tot!

„Der Kopf glaubt, was er sieht und tut was er glaubt...“ Die Botschafter des Kapitals gehen im Erzeugen eines Publikums für ihre eigene Botschaft gründlich vor. Man kann nicht gegen etwas rebellieren, was man gelernt hat zu wollen, zu brauchen und ohne es nicht auszukommen.

Musik ist tot!

Drängen nicht die Avantgarde, Sound-Skulpturen, Culture Jamming, KunstRadio – Radiokunst, Studien in Lärmökologie und andere akustische Experimente die ökonomischen Grenzen, freie Kreativität zurück und  erforschen neue Klanglandschaften? Ist das genug?

Stellen wir uns die Befreiung der Phantasie in Richtung einer Erforschung von kreativen Möglichkeiten und autonomen Hörzonen vor, unabhängig von Kommerzialisierung und plumpem, abgestumpftem und sich wiederholendem Material. Die Zukunft von Musik und Sound ist ein undefinierbarer Raum!

Der Prozess der Entstehung, Aufführung und Verwertung von Musik hat sich gewandelt. Es ist eine Zeit der intensiven Erforschungen und Entdeckungen, die mit der Epoche als Piero della Francesca die Perspektive entdeckt hat, verglichen werden kann. Während Piero eine neue Beziehung zwischen Körper und Raum aufgezeigt hat, wird jetzt bei der Musik entdeckt, dass sie zu den unlimitierten, ineinandergreifenden, virtuellen Räumen des Internets eine unvermutete enge Verbindung hat. Die Distanz zwischen dem Publikum und dem Künstler wird als Gemeingut zurückgefordert! Wir sind alle engagiert im Raum der Veränderung und bringen Spannung in die Welt, die uns sowohl fasziniert als auch den Geist befreit und somit den Loop der Wiederholung bricht...





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