birgit schwaner

zu liesl ujvarys „new organism second level“ / sinnlose notiz

zur hörlandschaft eine sprachskizze? notizen einer akustischen reise, fragmente eines ungeschrieben bleibenden subjektiven re-aktionsprotokolls auf ein konzeptmusikstück – und  aus dem, was eben in ohren floss, an lauten, tönen, geräuschen ... geradewegs in den „denkstrom“ (stream of conciousness) rutschte, jetzt treibgut fischen, wortförmiges gar?
na ja, sind wohl rhetorische fragen zu einem versuch, dessen scheitern schon feststeht. und das scheitern: sowieso rahmenbedingung des schreibens, also ab,  ab die post mit der horchnotiz, quasi um ein paar sekunden nachhinkende parallelaktion – aus dem erlebnis dieser „new organisms“ heraus (second level: die wahrnehmung), das heißt: aus der fremde.

die fremde 1: eine von menschlicher hybris befreite welt; hybris, die sich im hierarchienunwesen niederschlägt, im werten, vergleichen, top-ten-listen, rankings, gewinnern, verlierern, befehlern, gehorchern – derlei scheint aus liesl ujvarys konzeptmusik wie weggeblasen, oder wenigstens austariert. alles scheint hier gleich-wertig, gleich-gültig. eine welt abseits des planeten, auf den die meisten von uns in ihren köpfen leben. eine welt, die den menschen abgeworfen hat? wird jetzt denkbar zumindest.

im versuch, mich wieder einmal zur automatin zu machen oder aufzeichensystem (copyright: elffriede; idee z.b.: jean paul, auf den schultern von daidalos), das aufs zu hörende in wörtern re-agiert wie: flattern, flappen. oder in erinnerungen wie die an frühe „radioerfahrungen“, als das kind gebannt vorm großen, holz- und stoffverkleideten apparat saß, am runden knopf drehte, den im rauschen zerstückelten, fremdsprachigen stimmen nachhorchte, musikfetzen und pfeiftönen, die auf mittel-, lang- oder kurzwelle sich aus dem rauschen kristallisierten – das, als rauschen, nie einheitlich war, anschwoll, abebbte, eine stimme in besitz nahm, sobald man von der ihr zugehörigen frequenz abwich, nichts als einen knopf drehend, einen streifen auf einer skala beobachtend ... und das noch wie der wind ferne verhieß, unbekannte sehnsuchtsziele, länder, freiräume.

die fremde 2 oder was die phantasie beflügelt: „vögel“ vielleicht: meine, vogelschwärme auszumachen oder stelle sie mir vor, dichte-deute sie heraus aus den klängen der „new organisms“, die – in meinem fall –, „sound-scaping“, eine postapokalyptische landschaft entwerfen, in wechselnde szenarien, ein setting etwa aus: industrieruinen, stillgelegte fabriken, unkrautüberwachsene dach- oder mauerreste, worauf möwen hocken ... raues geschnatter ... doch jetzt metallene klänge: zwitterhaft, zwischen laut und geräusch – wo hört ein laut/klang auf, beginnt ein geräusch? das grenzland, brachland dazwischen ausgedehnt. jetzt eine ahnung: flötentöne? [und ja, man hört die drei ebenen, von denen l. ujvary spricht] ... was jetzt?
„wischende“ schritte, als ginge jemand, stofffetzen (meine wortfetzen) um die füßen gewickelt, schlurfend vorbei, mir um rücken, man kann ihn/sie/es einfach nicht sehen, und jetzt? wohl etwas wie stimmen – in der ferne, von wo’s auf einmal vogelhaft schnarrt, hm, schmettert ... könnten das krähenmaschinen sein, robotervögel –? so regelmäßig wie ein feines räderwerk, ausbalanciert, na, vielleicht doch giganteske (dem blick durchs mikroskop „nachgewachsene“) insekten), und flackern, glucksen ... versuche bekanntes zu orten, oder mit bekanntem zu vergleichen – und erfahre zunehmende sprachlosigkeit, dass es keine begriffe für dieses akustische geschehen gibt ... jetzt wird was im hörraum herumgeschoben, rutscht quietschend übern glanzgebohnerten flur, flutscht was aus der hand: der rahmen verschiebt sich erneut, will sagen: die wahrnehmung, was zugleich ein genuss ist, eine überraschung: alles hier zwischen den kategorien „fremd“ und „vertraut“ (allerdings: die kategorie „fremd“ bleibt zweifelhaft; die absolute fremde wäre nicht vorstellbar) ineinandergefallen, wie eine erfahrung, die erst noch zu machen sein wird.

ventilatoren ohne halterung, in der luft hängend; perfekte maschinen, die vögel sind und vice versa; ferngesteuerte wolken – und die insekten, kann sein, werden tatsächlich die herren der welt, die längst ohne menschen auskommt, aber im rhythmus von herzschlägen pulst ... weiß die zukunft, was tier ist, was mensch, was maschine?
unsere sprache, unsere denk-kategorien orientieren sich (wie u.a. vilèm flusser immer wieder aufzeigte) noch immer am maschinenbegriff der industriellen revolution des 19. jahrhunderts. für die gegenwart und ihre entwicklung besitzen wir weder eine angemessene sprache, noch wirksame strategien, um uns in ihr zurechtzufinden ... man könnte sagen, dieser blindstelle versucht liesl ujvary sich anzunähern, hierauf macht sie aufmerksam.     

beschreiben, wie gesagt, ist hier scheitern, darum bitte selbst anhören. 

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