Sonntag, 21. August 2011, 23:03 - 23:59, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST



Kanadische Radiokunst heute



zusammengestellt von Anna Friz


1) “Chaud a cold night in 2011” von Martine H. Crispo (2011)

3) “RadioRoam” (2007) von Stephen Kelly and Eleanor King

3) “Private Telephone 1981 (Compressed)” von Andrea-Jane Cornell (Kurzfassung, 2011)

4) “RUN” von Tomas Phillips und s* (2011)

5) “The Bodhi Tree” von Debashis Sinha (2011)



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Das Kunstradio richtet die Ohren im Sommer 2011 gen Kanada. Die Künstlerin Anna Friz, die seit Anfang der 1990er Jahre mit Radio arbeitet und auch an einigen Kunstradio-Projekten mitgewirkt hat, hat für die heutige Sendung einen Überblick über aktuelle kanadische Radiokunst zusammengestellt.
Dazu schreibt sie:

„Es wäre sinnlos, endgültige Behauptungen über zeitgenössische kanadische Radiokunst anzustellen, aber man kann sagen, dass Radiokunst in Kanada meistens über unabhängige oder improvisierte Radiowellen gesendet wird. Das öffentliche Radio bietet kaum Nischen für freien, künstlerischen Ausdruck, jedoch lässt eine lebendige Campus- und Community-Radio-Szene (also unabhängige, nicht-kommerzielle, hörerunterstützte, ehrenamtlich programmiertes Radio) Raum für allerhand Spielereien im Studio, spätnachts oder mitten am Tag. Unabhängige Stationen in Montreal, Kingston, Winnipeg, Vancouver und in anderen Städten nehmen regelmäßig am Netzwerk-Fest Art’s Birthday und am Eternal Network teil, oft in Kooperation mit Künstler-Organisationen, und liefern etablierten und weniger bekannten Künstlern fruchtbaren Boden für Experimente.

Viele der Künstler in dieser Überblickssendung haben lange in unabhängigen Radiostationen gearbeitet und interessante Sounds hergestellt – mit der Ausnahme von s*, der erst kürzlich auf diesem Planeten gelandet, allerdings wurde er durch einen Meteoritenschauer auf die Erde gezogen, überrascht von der Streuung von Radiosignalen.
Zwei der Arbeiten entstanden live on air, während die anderen sich aus der körperlichen Erfahrung der Radiophonie speisen. Elektrizität wird kanalisiert, Körper angetroffen, Stimmen ertönen. Radiophonie als Metapher.“
(Anna Friz)

1) “Chaud a cold night in 2011”
von Martine H. Crispo (2011)

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Seit 1994 fungiert das Radioprogramm CHAUD POUR LE MONT-STONE auf CKUT FM in Montreal als Sound-Labor, wo alles live geschieht. Es ist reines Live-Radio, nichts verstecktes, alles ist möglich. Die Radiomacherin Martine H. Crispo macht alleine oder mit geladenen Gästen Jams, bei denen alles verwendet wird, was ihr in die Hände kommt: analoge Geräte, digitale Geräte, selbstgebastelte Schaltkreise, aufgezeichnete Frequenzen und Radiomikrofone. Für Hörer, denen Crispos Radiokunst nicht gefällt, bleibt ihre fabelhafte Stimme, mit der sie öffentliche Durchsagen verliest.

Das Stück ist ein Live-Jam mit Sounds mit kurzgeschlossenem Spielzeug, Fotodioden und Martine H. Crispo’s laptop.


2) “RadioRoam”
von Stephen Kelly und Eleanor King (2007)

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“Radio Roam” ist eine Radioübertragungsarbeit. Sie verwendet auf verschiedene FM-Frequenzen eingestellte Radiogeräte in einem Galerieraum. Das Audiosignal springt von einem Radio zum nächsten, wodurch für den Galeriebesucher ein Mehrkanal-Klangeindruck entsteht. Beabsichtigt ist, dass die gesendeten Klänge sich überlagern und in kräftige FM Sendungen überlaufen, sodass in Echtzeit eine sich ständig verändernde Collage von Radiogeräuschen entsteht.

Stephen Kelly hat die “roaming” Sendung konzipiert und eine Schaltung gebaut, die automatisch die Sendefrequenz des Senders verändert. Mittels eines Bewegungsdetektors löst Aktivität im Galerieraum die Schaltung aus, die nach Zufallsprinzip einen neuen Punkt auf der Skala auswählt.

Eleanor King hat das gesendete Audiosignal komponiert. Dafür hat sie ausschließlich Samples ihrer Stimme und von Geräuschen im Mund verwendet, die mit einer digitalen drum machine repetitive und rhythmische Zyklen vokaler Sounds generiert.


3) “Private Telephone 1981 (Compressed)

von Andrea-Jane Cornell (2011)

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“Als ich einen geschenkten, alten Schubladen-Sekretär reinigte, fand ich, unter einem der kleinen Fächer versteckt, eine Kassette. Beschriftet war sie mit blauem Kugelschreiber: "Private", "telephone 1981" auf der A-Seite und "God!" auf der B-Seite.

Ursprünglich habe ich den Inhalt der Kassette in einem Nachtprogram auf CKUT FM in Montreal gesendet und mit verschiedener Musik gemischt. Da die Kassette auf einem Magnet lag, als ich sie im Kasten fand, schnitt ich einiges an Störungen und Rauschen heraus.

Die Gespräche vierer Stimmen, die mit einem Telefonanrufbeantworter aufgenommen wurden, haben etwas besonders tragisches an sich. Das erste Telefonat ist zwischen einer jungen Frau und einem viel älteren Mann, der ihr in distanziertem, gefühllosen, abgeschlagenem Ton erklärt, „sicher im Bett“ zu sein. Das zweite Gespräch ist zwischen einer älteren Frau und einem „Geschäfts“-Mann mittleren Alters und dreht sich um Anspielungen auf eine sexuelle Beziehung und ein misslungenes Rendezvous. Seltsame Pausen, Gekicher und Seufzer bevölkern ihren Austausch, der darin mündet, dass die Frau von ihrem Kranksein spricht. Dem Arzt habe sie gesagt, ihr Leichnam werde der gesündeste im ganzen Leichenschauhaus sein. Kurz nach dieser Aussage hört man des Geräusch des Telefonauflegens. Auf dem Rest der Kassette ist nur ein leerer, statischer Drone-Klang.

Ich habe ‚Private Telephone 1981’ im Rahmen der zweiten Ausgabe des ‘Kleinen Field Recording Festivals’ aufgeführt, mit Turntables, Delay-Pedalen, Field Recordings und einer Aufnahme von Herzklopfen. Als gesamtes Stück habe ich es als Improvisation im Produktionsstudio von CKUT eingespielt. Die vorliegende Version ist eine komprimierte des im Original 30 Minuten langen Stücks."

(Andrea-Jane Cornell)
4) “RUN”
von Tomas Phillips and s* (2011)

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Im Rahmen eines Projektes zur Erforschung huemaner Rhythmen in Stille und Bewegung am Planeten Erde, werden in “RUN” Schichten stereophoner Aufnahmen überlagert. Die Aufnahmen sind vom laufenden Körper von s*, während Tomas Phillips aus der Manipulation von Wellen abstrakte Klänge gewonnen hat. Eine weitere Entwicklung des Projektes werden im Frühjahr 2012 auf IO SOUND veröffentlicht.


5) “The Bodhi Tree”
von Debashis Sinha

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“The Bodhi Tree” ist ein Hörstück über Buddhas Bemühungen Erleuchtung zu Erlangen. Es ist eine Rekonstruktion seiner Erfahrung, als er unter dem Baum saß, über seine imaginierte Gedankenwelt zur ihn umgebenden Natur, zum Anblick seiner Haut und zum Geräusch seines fließenden Blutes. Das Stück ist eine Nacherzählung von Buddhas Weg, gefiltert durch Debashis Sinhas eigene Erfahrung als zwischen den Kulturen lebender kanadischer Künstler. In der Wiedererzählung wird Sinha zum Vermittler, der sich in historische und mythische Sphären schaltet und seine eigene Erfahrung untermischt. Die Beschäftigung mit seiner kulturellen Herkunft ist eines der leitenden Themen in Sinhas künstlerischem Werk.

Credits:
Sound und Text: Debashis Sinha
Stimme: Maxime Desmons

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