Sonntag, 1. April 2012, 23:03 - 23:59, Ö1
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KUNSTRADIO - RADIOKUNST





Kunstradio Classics 2 – Aus dem Archiv 2012 - Teil 6
„Sonic projections from Schlossberg Graz“ von Bill Fontana
ausgesucht von Reni Hofmüller


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„Ich bin ein Jahr nach der Produktion nach Graz gekommen: Ich habe die Installation selbst nicht gehört, aber mir haben so viele Menschen davon erzählt, dass sie mir lebendig im Gedächtnis ist. In diesen Schilderungen ging es sowohl um das akustische Erleben als auch die politische Dimension dieser Art von Erinnerungsarbeit.“

Das sagt Reni Hofmüller über die von ihr ausgewählte Arbeit aus dem Kunstradio-Archiv: „Sonic Projections from Schlossberg Graz“, eine Radio-Sound-Skulptur aus dem Jahr 1988.

An acht Bezugspunkten der Grazer Innenstadt, die zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung eine Rolle gespielt haben, installierte Fontana Mikrofone, die die Alltagsgeräusche der Stadt einfingen. Vom Schlossberg aus wurden die Klänge hinunter in die Stadt geschickt, und zwar gemischt mit Klängen, die Fontana an anderen Orten in der ganzen Welt aufgenommen hatte. In einem Interview von 2007 blickt der Künstler auf das Projekt zurück. Viele Menschen, so sein Eindruck, scheuten die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit. Jeden Winkel der Stadt wollte er mit angenehmen Sounds penetrieren, und so den Terror austreiben.

Das Projekt wurde von der Bevölkerung stark angefeindet – entgegen den Erwartungen von Bill Fontana, hatte er doch explizit positive, unschuldige Sounds ausgesucht, z.B. das zärtliche Rufen eines Gibbonpärchens im thailändischen Regenwald, das Singen eines australischen Leierschwanzes und ein Nebelhorn bei der Golden Gate Bridge in San Francisco und so weiter.
Die Provokation war nicht beabsichtigt, sagt Fontana rückblickend. Ein Mitarbeiter des Festivals habe ihm sogar nahegelegt, die Sounds abzudrehen. Fontana antwortete, er selbst würde die Klangskulptur nicht zerstören, aber der Mitarbeiter könne es tun – womit er freilich den Eindruck schaffen würde, dass sich seit 1938 nichts verändert hat. Der Mitarbeiter zog seinen Vorschlag zurück.

Zu dem akustischen Raum, den Fontana mit seinen “Sonic projections” infiltrierte, gehörte auch das Radio. In mehreren Live-Einstiegen auf Ö1 und Ö3 war die Klangskulptur an zwei Tagen im Radio zu hören. Bill Fontana machte dafür live eine Mischung aus der Akustik eines Tages und aus speziellen akustischen Momenten der vergangenen Tage mit dem Hörporträt der Stadt. Dass sich die „Sonic projections“ vom öffentlichen Raum von Graz auch auf den öffentlichen Raum des Radios ausdehnte, ist ein weiterer Aspekt, den die Künstlerin Reni Hofmüller bemerkenswert findet. Zu ihrer Auswahl schreibt sie:

„Ich finde die Kombination von zwei verschiedenen öffentlichen Räumen nach wie vor interessant und wichtig, und gerade in dieser Zeit des Neobiedermeier notwendig, weil es der Fragmentierung der Gesellschaft in die schon bekannten Abschnitte entgegenwirkt. Die Kombination aus einer bestimmten physischen Ort mit der Immaterialität und potentiellen Omnipräsenz des Radios scheint mir dabei essentiell.“

Link:
http://kunstradio.at/1988B/20_10_88.html



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