"Immer
wenn ich aufgefordert werde, ‘ein paar Worte’ über ein
neues Stück zu schreiben, bevor es im Radio uraufgeführt
wird, bereitet mir das Unbehagen. Es erinnert mich an die Zeit, als ich
Theaterdirektor war und zwangsläufig mein Konzept für die
Besetzung, oder – noch schlimmer – für die
Behörden, die gefürchteten Apparatschiks, darlegen musste.
Apparatschik ist freilich der
umgangssprachliche russische Ausdruck für
Vollzeit-Theater-Verwalter, die für die politische Korrektheit des
Theaterprogramms verantwortlich waren. Glücklicherweise drehte
sich mein Theaterleben in meinem vom Unglück verfolgten Land,
Jugoslawien, vor allem um Belgrad und dessen Umgebung. Unsere
Apparatischks waren milder als ihre Sowjetischen Kollegen.
Nichtsdestotrotz, das Apparatschik-Syndrom bleibt in meinem
Gedächtnis als chronischer, unheilbarer Frust eingebettet. Es
löst in mir eine Art Revolutionswillen aus und eine Abneigung, das
Konzept meiner Arbeit erklären zu müssen.
Warum schreibe ich das? Weil ich
in meinem Gedächtnis Zeit und Ereignisse vertauscht habe. Heute
gibt es die Apparatschiks nicht, und auch nicht die Verpflichtung
Konzepte, ob im Theater oder Radio, auszulegen. Dennoch, die
Aufforderung ‘ein paar Worte’ zu schreiben, wirft mich
unweigerlich zurück in die Zeiten von ‘konzepcija’. Es
bereitet mir ausgeprägtes Unbehagen, meine Arbeiten mit Worten
erklären zu müssen, als wäre ich ein Händler am
Markt. Ich könnte stundenlang über ‘Okeanide’
sprechen, und was ich in diesen Stunden mitteilen könnte,
würde einige Zuhörer glücklich machen, aber nicht mich,
und sicher nicht alle. ‚Okeanide’ ist, wie jedes andere
Kunstwerk, grenzenlos, wie ein fließender Strom, nie gleich,
nicht wiederholbar, ein Fluss in der Vorstellung der Hörer, anders
als meiner. Es gibt daher viele Flüsse und viele Okeaniden. In der
griechischen und in der römischen Mythologie waren die Okeaniden
dreitausend göttliche Nymphen, die über die Wasserquellen der
Erde walteten, über die Regenwolken, die unterirdischen Quellen,
die Berge, Seen, Meer und Ozeane. Im Radioraum gibt es wohl viel mehr
Gottheiten als in irgendeinem Ozean rund um den Globus. Warum sollte
ein Autor mit ‘ein paar Worten’ sich darin einmischen?
Seine Aufgabe ist erledigt, und der Rest ist Stille. Jegliche
Wörter oder lange Monologe werden das, was außerhalb seiner
Kontrolle im Fluss ist, nur trüben."
(Arsenije Jovanovic)
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