Sonntag, 23. Dezember 2012, 23:03 - 23:59, Ö1
[ ENGLISH ]

KUNSTRADIO - RADIOKUNST



Literatur als Radiokunst (kuratiert von Christiane Zintzen)

1) Elisabeth Wandeler-Deck:
"Beharrlicher Anfang – doch doch sie singt"


2) Jürgen Berlakovich:
"Selfcompiler. Ein SprachSoundScape"

in 5.1 Dolby Surround via OE1DD

Mit Elisabeth Wandeler- Deck ist eine versierte Improvisationskünstlerin am Wort, welche einen förmlichen Cluster von Textschichten anlegt, um diese während der Vorgänge des Mischens und Komponierens in ein polyfones Klangkunstwerk zu transformieren. Das Stück "Beharrlicher Anfang – doch doch sie singt" kostet in der Wörtlichkeit die Vokale und Konsonanten weidlich aus, um bis zur "Körnung der Stimme“ ("le grain de la voix", Roland Barthes) vorzudringen; "Ziel ist nicht die Klarheit der Botschaften, sondern die Verknüpfung von Körper und Sprache".

Interessanterweise rekurriert auch der Musiker Jürgen Berlakovich auf den Barthes'schen Begriff der "Körnung der Stimme", welcher hier sehr wörtlich genommen wird: mit Hilfe der elektroakustischen Technik der Granularsynthese wird der angestimmte Text in seine  kleinsten Einheiten ("grains") zerlegt und neu zusammengesetzt. Die Produktion "Selfcompiler. Ein SprachSoundScape" untersucht in Text und Methode, wo sich das Ich in digitalen Rechnerwelten situiert.

(Christiane Zintzen, Kuratorin)


A CASSETTE OF THIS PROGRAM CAN BE ORDERED FROM THE "ORF TONBANDDIENST"


Elisabeth Wandeler-Deck: 

"Beharrlicher Anfang – doch doch sie singt" 

Text + Stimme: Elisabeth Wandeler- Deck, Ton + Technik: Martin Leitner (15:00)



Zur Produktion

Es ist Sommer. Die Figur Georges Perec, so der Chor der Stimmen, geht zum Wasser und sieht sich die Dinge an, während die Solostimme sich mit dem Ansetzen der Sängerin zum ersten Ton befasst. Doch,doch, sie singt. Was gibt es ausser diesen und weitern Sätzen ums Hören herum? Es gibt das Klingen der Sätze als Stimmen in mehrstimmiger Textkomposition, es gibt das Klingen der Vokale einer Auswahl von Sätzen, es gibt die Konsonanten einer gezielten Auswahl von Wörtern, es gibt die Wiederholung und das Vorantreiben. Als Material regelmässig über die zur Verfügung stehende Zeit verteilt, bilden Satzstränge ein – räumliches und zeitliches sowie klangliches – Raster. Dieses Raster bildet den Trigger für den Einsatz von Textschlaufen und weiterem Stimmmaterial. Doch doch sie singt. Als Ostinato zieht sich die Wortgruppe durch.

Stichworte / Überlegungen:

Mit welchen Materialien arbeite ich?
Neben extra für diese Produktion geschriebenen Texten habe ich mir Material aus meinen jüngsten Büchern vorgenommen:
Das Gedicht "Beharrlicher Anfang – doch doch sie singt“ das der Produktion den Titel gibt, ist dem Gedichtband "Anfänge, Anfangen, gefolgt von Und“ (Passagen Verlag, Wien 2012), entnommen, die Sätze "Manchmal ist Sommer“ mit dem Namen "Georges Perec* entstammen dem Prosaband  "Da liegt noch ihr Schal“ (edition taberna kritika, Bern 2009). Die Passagen in französischer Sprache sind Zitate aus Georges Perecs "Cantatrix Sopranica L. – De Iaculatione Tomatonis“ (Edition du Seuil, Paris 1991).

Was mache ich mit diesen Texten?
Die Einsätze der Gedichtstrophen und das, was ich "Perec-Sätze* bzw. "bedienen-Sätze“ nenne, werden je gleichmässig über die 15 Minuten  verteilt. Es entsteht ein Raster mit zufälligen Überlagerungen, Verdichtungen und Verdünnungen. Dazu, in freier Komposition, fügen sich die weiteren Klangmaterialien.

Weshalb diese Texte? Weshalb diese Form?
In dieser und in allen meinen Arbeiten kreuzen sich architektonisches Denken mit Haltungen des "instant composing“ der frei improvisierten Musik, konzeptuelles Vorgehensweisen mit Momenten des Wilden. Dies gilt sowohl für die Textarbeit wie für die Klangentwicklung.

(Elisabeth Wandeler-Deck)


Link:
Produktionsnotizen


Jürgen Berlakovich:

"Selfcompiler. Ein SprachSoundScape"

Text + Stimme Jürgen Berlakovich, Ton + Technik Karl Petermichl (15:00),



Zur Produktion

Stream of Consciousness oder Datastream? SELFCOMPILER begibt sich auf eine Reise durch digitale Zahlen, Text-, Bild- und Soundlandschaften, dem Mythos des Digitalen auf der Spur. Was geschieht zwischen Auge, Ohr, Gedanke, Mund und Finger, im ewigen Loop der Aus- und Eingabe von Daten und dem Einzelnen als Wahrnehmungsfilter, als Verarbeitungsprogramm, als Relaisstation, als Compiler und Selfcompiler?
 
Ein dichter Prosatext verwebt sich mit elektronisch prozessierten und granulierten sprachlichen Mikropartikeln und bildet einen Sprachsoundscape aus dem sich Rhythmen, Strukturen, Melodien und semantischer Gehalt schälen, dem Datenstrom als erzählerisches Ereignis auf der Spur. >>> dies hier bleibt gleich !!!!
text bitte ab hier austauschen - DANKE !

Stichworte / Überlegungen:
 
SELFCOMPILER imaginiert eine literarische und musikalische Sprachbewegung bestehend aus der Indifferenz und dem Gebrabbel - teils sinnvoll und logisch und dann wieder in bewusstlosen Modejargons verfangen - der Datenströme. Eine Reise, eine Prosa durch digitale Zahlen-, Text-, Bild- und Soundlandschaften, dem Mythos des Digitalen auf der Spur, vorbei an Social Networks und intelligenten Schwärmen etc.
 
Ein subjektloser Fluss eines anonymen Sprechens, eine Sprachbewegung. Der Urheber ist die Konvention, das Klischee, die festgefahrenen Behauptungsmuster, die die Strukturen/Formen/Algorithmen der Datenströme den sprechenden Menschen aufzwingen. „Die Schlingen der Sprache, von welcher wir gesprochen werden“ (Umberto Eco: Lüge und Ironie). 
 
Eine subjektlose digitale Landschaft, ein digitaler Raum, poetisiert, in dem sich ein Ich, ein Erzähler, zu etablieren/installieren versucht, scheitert, nochmals versucht, scheitert, schlussendlich Ich sagt und Aus.
 
Mich interessiert die Frage, inwiefern technologische Medien auf unser Bewusstsein, unsere Wahrnehmung und unser Denken einwirken und wie diese in eine Erzählung einfließen können. Welche Erzählung, welche Prosa erzählt das Netz oder kann durch Nachdenken über das Netz erzählt werden?
 
Der Bewusstseinstrom als Datenstrom. Twitter- und Facebook-Meldungen, Nachrichtenschnipsel, Mails und Messages, Videobotschaften, Audiokonferenzen, durchzogen von digitalen Zeit und Raumbeschreibungen.    
 
Der Text verwebt sich mit einer ständig eingreifenden Sprachklangfläche, einem Sprachsoundscape, eine Art Sprachplasmameer, aus dem sich aus kleinteiligsten granulierten Sprachpartikeln Rhythmen, Strukturen, Melodien und semantischer Gehalt schälen. 
 
Die Überführung des Codes auf den menschlichen Körper selbst. Die Codierung des Körpers, der digitale Körper Mensch, sein letztes, sein neues Kapital. 
 
Ich will einen Text schreiben, der wie abstrakte Elektronik, wie Noise funktioniert.

(Jürgen Berlakovich)

Link:
Produktionsnotizen


[TOP]



PROGRAM
CALENDAR