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Die
curated-by-Reihe „Fearless Radio“ wurde von der
italienischen Radiokünstlerin Anna Raimondo und dem
marokkanischen
Bildenden Künstler Younes Baba Ali zusammengestellt, die unter
dem
Namen Saout Radio eine Plattform für künstlerischen
Austausch
mit geographischem Schwerpunkt Afrika betreiben. „Fearless
Radio“ bezieht sich auf Michel Foucaults Konzept der
„Fearless Speech“, also des furchtlosen Sprechens
–
Saout Radio hat fünf Künstlerinnen und
Künstler
eingeladen, in die Rolle der furchtlosen Sprecher zu schlüpfen
und
für das Kunstradio neue Stücke zu erarbeiten. Aurélie Lierman machte ein Ausbildung als Radiojournalistin und als solche arbeitete sie beim belgischen Rundfunk. Übers Radio kam sie zur Musik und zum Jazz-Gesang, und dann über freie Improvisation zur Komposition. Diese unterschiedlichen A ktivitäten sucht sie in ihrer Praxis als Radiokünstlerin zu verbinden. Geboren wurde sie 1980 in Ruanda. Sie wuchs in Belgien bei Zieheltern auf, und machte sich als sie Anfang 20 war, auf die Suche nach ihren Familienmitgliedern in Ruanda – ausgerüstet mit einem Aufnahmegerät. Erst über das Hören und die reichhaltigen Klanglandschaften fand sie einen Zugang zu dem für sie fremdartigen Land und seinen Bewohnerinnen, erzählt sie. Ihr Anliegen ist es, afrikanische Gesellschaften über ihre Sounds, Sprache und Klanglandschaften kennenzulernen und zu verstehen. Im ostafrikanischen Tansania, im Stadtteil Kariakoo der Hauptstadt Dar es Salaam, hat sie ein akustisches Tagebuch geführt – die daraus entstandene Soundkomposition „Kariakoo“ ist 2013 beim italienischen Festival PRIAS in der Kategorie „Soundscapes“ mit dem Hauptpreis ausgezeichnet worden. Für ihr neues Stück mit dem Titel “Anosmia” erweitert die Künstlerin ihr akustisches Arbeitsmaterial um Sprache und Instrumentalmusik. Als Ausgangspunkt für ihre Beschäftigung mit dem Krieg in Ruanda 1994 fand sie ein Gedicht des Dichters David Mwambari mit dem Titel „Politics of the Nose“ – die Nase, dieser scheinbar banale Körperteil, wurde in dem Konflikt zwischen den Bevölkerungsgruppen der Tutsi und der Hutu als Unterscheidungsmerkmal zwischen Menschen der unterschiedlichen Angehörigkeiten verwendet. Die Nasenlänge konnte über Leben und Tod entscheiden. Daher der Titel des Stücks „Anosmia“ – das ist das Fehlen des Geruchssinns. Lierman vergleicht den Eindruck, den das Gedicht von David Mwambari auf sie gemacht hat, mit jenem von Picassos Guernica. “Politics of the Nose” wird in “Anosmia” von Lierman rezitiert, es wird aber mit Instrumenten vertont. Mittels eines Computerprograms hat die Künstlerin ihren Vortrag des Gedichts in eine Partitur übersetzt, die von einem Pianisten und einem Posaunisten eingespielt wurde. Diese Musik wiederum setzt Lierman in Bezug zu Feldaufnahmen aus Ruanda. Das Stück ist mehr eine abstrakte Reflektion über die Ereignisse vor 20 Jahren in Ruanda, als eine zeithistorische Aufarbeitung. Die Künstlerin will keine Seite einnehmen – die Frage der Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Bevölkerungsgruppe findet Lierman einschränkend. Die Worte „Tutsi“ und „Hutu“ öffentlich zu gebrauchen, ist heute in Ruanda bei Strafe verboten – Unterscheidungen zwischen Bevölkerungsgruppen und Klassen werden aber auf anderen Ebenen und mit ähnlichen Zuschreibungen fortgesetzt. |
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