Sonntag, 16. August 2015, 23:03 - 23:59, Ö1

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KUNSTRADIO - RADIOKUNST



Coincidence and Control

von Eric Leonardson


soundPLAY


Für das Ö1 Kunstradio hat der in Chicago lebenden Musiker und Komponisten Eric Leonardson seine neue Radioarbeit "Coincidence and Control" entwickelt. Im Wiener Funkhaus verbrachte er zwei Tage im Studio und nahm mehrere Sets auf seinem 1984 selbstgebauten Instrument, das er Springboard nennt auf. Das Springboard ist mit Spulen und allen möglichen recycelten Materialien wie zum Küchenutensilien bestückt. Die damit erzeugten teils Klangfarben, Frequenzen und Tonhöhen nimmt der Künstler mit einem Piezo-Kontaktmikrofon ab. Das Springboard erzeugt unterschiedlichste und ungewöhnliche Sounds trotz oder gerade wegen seiner bescheidenen Ursprungsmaterialien.

Die Klänge werden manuell von Cello-Bögen, verschiedenen Hämmerchens und Schlägel, Gummibändern und Metallbürsten erzeugt. Unheimliche stimmenähnliche Sounds erklingen mit Hilfe von Holzbögen ganz in der Manier des Deutschen Musikers Hans Reichel, der das völlig neue Streichinstrument Daxophone erfunden hat.

Neben anderen Objekten verwendete Leonardson für das neue Kunstradiostück "Coincidence and Control" Oszillatorspulen und ein Radio. Die schwachen Schwingungen werden verstärkt und gefiltert durch den Klangkörper des Springboards, wenn der Künstler diese berührt und mit der Hand manipuliert. Die zu hörenden geisterhaften Vibrationen sind direkte Ergebnisse seiner Berührung und der vorsichtigen Drehung von Scheiben auf den verschiedenen Hölzern, Metallen und Plastikoberflächen des Springboards. Für einige werden die verstümmelten Stimmen und die übertragenden Sounds nach Radiokunst und Elektronischer Musik klingen...

Mehrere Schraubenfedern sind auf dem Springboard montiert, sie verstärken die vorhandenen Vibrationen und erzeugen eine Art Nachhall. Auf Grund seiner disharmonischen Frequenzen reagiert es manchmal unberechenbar und Eigenschwingungen überlagern sich und erzeugen so erzeugen eine ungewöhnliche Eigendynamik. Diese ist mir genauso vertraut wie das zufällige Verhalten während jeder Performance, es ist jedes Mal ein heuristischer, greifbarer und fühlbarer Prozess. Diese Grundvoraussetzungen müssen akzeptiert werden, denn diese unbekannten Sounds belegen einen ästhetischen Raum zwischen den Genrekategorien, genauso nebulös und verschleiert wie der Klang von mit dem Bogen gespielten Schraubenfedern. Oberhalb und unterhalb seiner spektralen Limitierungen, im Hintergrund, an den Grenzen der Hörbarkeit, sind phantomhafte Melodien und Harmonien vorhanden.

Anmerkung des Künstlers: Nur in dem Eröffnungsabschnitt und in einem Abschnitt gegen Ende sind die Sounds nicht vom Springboard generiert, sondern wurde etwas Musik von Johann Sebastian Bach bearbeitet mit digitalen Mitteln und mit einem Korg MS-20 Synthesizer.

Bei live Konzerte und Performances ist das Springboard einem Marionettentheater oder Objekttheater sehr ähnlich. Radio ist jedoch eine andere Möglichkeit diese Erfahrung zu übertragen, die Bewegungen bleiben ungesehen, akustisch geht es direkt von meinen Händen in ihre Lautsprecher. Ich stelle mir vor dass diese Vibrationen ein Teil ihrer Klanglandschaft werden, vielleicht vielfältig gemischt, erweitert, beeinflussend, unterhaltend, etc... Ihr Zuhören und ihre Fantasie werden den Rest erledigen!

Links:
Hans Reichels Daxophonie
„Handmade Electronic Music: The Art of Hardware Hacking“ von Nicolas Collins
Online-Interview