Sonntag, 5. März 2017, 23:03 - 00:00, Ö1

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KUNSTRADIO - RADIOKUNST




I. Zwei Vorlagen: H. C. Artmann-Henri Chopin
II. In memoriam Armin Medosch (1962 - 2017)


I. Zwei Vorlagen: H. C. Artmann-Henri Chopin



Das Kunstradio präsentiert eine Sammlung von Audio-Inszenierungen, die in einer Kooperation des Instituts für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien und dem Studiengang für Sound Design der Kunstuniversität Graz und der FH-Joanneum Graz entstanden ist. Das Sprachkunst-Institut bildet seit acht Jahren angehende Schriftsteller/innen aus, während die beiden Grazer Hochschulen seit einem Jahr ein gemeinsames Masterstudium für akustisches Gestalten anbieten.

Die Hörstücke wurden in diesem Winter in einem intensiven Workshop der Autor/innen und Audio-Designer/innen in den Grazer Ton-Studios hergestellt. Leiter des Seminars war der Mediendesigner Orhan Kipcak, der sowohl am Spachkunst-Institut in Wien als auch am Graz Studiengang unterrichtet.

Das Projekt nutzt historische Tondokumente von H.C. Artmann und Henri Chopin aus dem Audio-Archiv der schule für dichtung in wien (sfd). Es handelt sich um Lesungen und Vorträge, der beiden als Lehrende der sfd.

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wos desagreables

Hörstück mit Aufnahmen von H. C. Artmann und Henri Chopin
Ein ganzkörperliches Hörerlebnis

sound PLAY

Die Idee dieses Projektes ist, beide Künstler durch diesen Oberbegriff „Ganzkörperliches Hörerlebnis“ zu verbinden. Bei Henri Chopin ist das recht offensichtlich. Ich möchte aber auch die Umkehrung versuchen: durch seine Körperklänge bei den Zuhörern eine ganzkörperliche Reaktion hervorzurufen. Es geht um die Erschaffung einer Atmosphäre, ein Erzeugen von Bildern, Stimmungen und Gefühlen. Die Zusammenführung der beiden Künstler kann eine interessante Spannung zwischen dem Pathos von Chopin und der Ironie von Artmann generieren. Das Projekt soll eine Brücke zwischen beiden schlagen. Vielleicht kann man es auch so sagen: Wenn man einen Satz vom Ironiker Artmann durch den besonderen Klangteppich von Chopin schickt, klingt derselbe Satz am Ende plötzlich anders. Mir war die Einfachheit der Mittel sehr wichtig. Die beiden Gegensätze müssen in ihrer Purheit zusammen klingen. Außer Sprachaufnahmen, Lautstärkenregulierung und Delay wurden die beiden Tonspuren ineinander- und übereinander gelegt und auf weitere technische Hilfsmittel verzichtet.

Konzept und Regie, Sprachaufnahmen:
Alexandra Ava Koch
Schauspielerin und Sprecherin
Seit Herbst 2016 Studentin der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien
Schreibt Theaterstücke für Erwachsene und für junges Publikum
„wos desagreables“ ist ihr erstes Hörstück- Projekt

Tonbearbeitung, Sound Design:
Boris Fehringer
Sounddesigner
Seit 2012 DJ
Seit 2013 Musikproduzent
Seit 2014 Filmsoundproduzent

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doisadafalco


sound PLAY

Morgen wird es Text geben.
Gabriel Huth wohnt in Wien Michael Walk auch

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stern gehn

Eine Texttransfusion mit H.C. Artmann

sound PLAY

In diesem Hörstück, treffen die Schilderung einer tödlichen Messerstecherei am Wiener Praterstern und Fragmente aus H.C. Artmanns Lyrikband Med ana schwoazzn Dintn aufeinander. Die weibliche Erzählstimme tritt mit Artmanns Stimme in eine Art Dialog – manchmal scheint es, als ob Artmann die Erzählung der Frau zwischendurch kommentiert, die Entwicklung ihrer Geschichte aus seiner Perspektive ergänzt oder sogar lyrisch beantwortet. Schauplatz der Erzählung ist der Wiener Praterstern – ein Ort, dem in Artmanns literarischem Schaffen eine besondere Rolle zukam, und der auch als zentrales Symbol dieses Hörstücks gilt.

Autorin: Maria Muhar
1986 geb. in Wien, Kochlehre, Diplom an der Akademie der bildenden Künste. Seit 2016 vermehrt Lesungen und erste literarische Publikationen, sowie die Aufnahme am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst. Gegenwärtig ist ihre Einzelausstellung Kette und Schuss in der Schule für Dichtung zu sehen. Maria Muhar lebt und arbeitet als Künstlerin und Köchin in Wien.

Aufnahme & Sounddesign: Sebastian Seidl
Der 24-jährige Wiener produziert neben Hörspielen außerdem Sounddesigns für Theater und Film, sowie elektronische Musik mit Wienbezug, u.a. mit Komponisten und Zithervirtuosen Karl Stirner.
Derzeit schließt er sein Masterstudium in Sounddesign an der FH Joanneum ab.

stern gehen – komplette Credits:
Autorin: Maria Muhar
Aufnahme & Sounddesign: Sebastian Seidl
Erzählerin: Maria Muhar
Nachrichtensprecherin: Alexandra Koch
Flüsterstimmen: Alexandra Koch, Antonio Schachinger, Rick Reuther, Sebastian Seidl, Maria Muhar
Musikstück im Ausklang: Karl Stirner – café geröstetes herz
Verwendung von Ausschnitten der Audio-CD ORF Edition Radio Literatur – H.C. Artmann

4
KNOPFKINO (2016)
ein Hörstück von Frieda Paris.
Sounddesign und Produktion Benedikt Dengler, Dinko Bakic.
mit Rick Reuther und Frieda Paris.

sound PLAY

sie sammelt Knöpfe in einer Dose und zählt revue. die Mäntel sind gegangen. immer wieder, nacheinander. du bist fort. und du musstest weiter. wie ihr alle Angst hattet, vor einem Flügelpaar unter einer Decke. die Vögel sind ohne mich in den Süden gezogen. und STOP. und eine Stimme spricht sich dazu. und START. und ein Band kommt in Gang. und Erinnerung wird beweglich. und erneut tun sie sich nochmals weh bis

KNOPFKINO, ein Liebesdings.
FRIEDA PARIS, Lyrikerin, 1986 in Ulm geboren, lebt und schreibt seit 2009 in Wien. Studium der Theater-,Film- und Medienwissenschaften in Wien und Paris. Derzeit Studium der Sprachkunst in Wien. Zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften. u.a. in Lyrik für alle, edition mosaik, 2016; All dies hier Majestät ist deins – Lyrik im Anthropozän, kookbooks 2016.
KNOPFKINO ist ihr erstes Hörstück und ist beim Ö1 Kurzhörstückwettbewerb 2017 unter den Top 15 gewesen.

Dinko Bakic
Geboren 1984 in Osijek, Kroatien, im Zuge des jugoslawien Krieges Ende 1991 nach Österreich geflüchtet. Studierte Musikwissenschaft (BA) mit dem Schwerpunkt Jazz und Pop, sowie und Sound Design (MA) in Graz. Europaweite Tourneen mit der post-black-metal Band Ellende als Live-Gitarrist. Arbeitet an einem Soloprojekt namens Roadking.
http://www.metal-archives.com/artists/Dinko_Bakic/503168

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U nevR No [Impossible to write]


sound PLAY

Mit einer Zeitreise gelingt einer mutigen Reporterin ein Interview mit dem Erfinder der Sound Poetry Henri Chopin. Doch die beiden werden selbst ins Zeit-Raum-Sound-Kontinuum gesogen und das Gespräch entgrenzt. 
Eine transzendentale Elektrotrack-Textcollage unter Verwendung von Soundsamples Henri Chopins bei einem Vortrag an der Schule für Dichtung in Wien (1992/1993) 

Autorin /Regisseurin/Timeandspacebendingengineer: AnnPhie Fritz
Sounddesign/Musik/Amaturendekoration: Benni Dossa & Doktor Seidl

Anna-Sophie Fritz
1989 geboren in Wien, studierte 2009-2013 Schauspiel am Mozarteum Salzburg (Thomas-Bernhard-Institut), spielte am Stadttheater Chemnitz und am Hessischen Staatstheater Wiesbaden und studiert seit 2014 in Wien an der Angewandten Sprachkunst, mit Abstechern an die UdK Berlin im Studienzweig Szenisches Schreiben. Neben verschiedenen Theaterprojekten in der freien Szene Wiens, u.a mit dem Verein Einhorn Produktionen*, so wie der Realisierung von Kurzhörspielen in Eigenproduktion, unterrichtet sie am Musischen Zentrum in Wien und leitet die Art4Peace Workshops am jährlich statt findenden Peacecamp des Vereins 4Peace mit Jugendlichen aus dem Nahen Osten, Ungarn und Österreich. Sie reist gerne weit und schreibt in Zügen.

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„Ich bin besessen von der Frage was physische Poesie ist“

Text: Jacqueline Weihe
Aufnahme: Dinko Bakic & Peter Zotter
Sound Design: Peter Zotter

sound PLAY

Das Zitat Henri Chopins „Ich bin besessen von der Frage was physische Poesie ist“ ist der Ausgangspunkt der Arbeit an diesem Hörstück. Woher kommt diese Besessenheit die Poesie über die schriftliche Ebene hinaus zu heben, zu erweitern bis in die Grauzonen des Verständlichen hinein? Chopin, der mit dem ganzen Körper arbeitete und die Grenzen von Musik und Sprache ausdehnte, neu absteckte, hat in der Präsenz seiner Werke eine ungeheure Dichte erzeugt, die zuweilen beinahe körperlichen Schmerz hervor ruft.
Bei den Forschungen und Überlegungen zu diesem Projekt stieß ich auf seine Erfahrungen bei einem der Todesmärsche der Nationalsozialisten und meine, dass diese Erlebnisse prägend für seine späteren Arbeiten waren. In Versuchen nähert sich dieses Hörspiel seinen Eindrücken an und spürt der Suche nach dem Ursprung der von ihm so genannten „Poesie Sonore“ nach.

Jacqueline Weihe, geboren 1991, ist aufgewachsen in Hannover. Die letzten Jahre lebte sie in Berlin und Lafayette, einem kleinen Ort in Frankreich. Nach langer Zeit im Dunstkreis des Theaters, die mit einer Schauspielausbildung endete, wohnt sie nun in Wien und studiert dort Sprachkunst.

Peter Valentin Zotter
DJ, Producer, Sound Designer, Musikologe
Lebt, arbeitet, und studiert in Graz. Privat sowie wissenschaftlich interessiert an Pop-, Musik- und Medienkultur(en) - beispielsweise an der Frage, inwiefern technologische Entwicklung Vorstellungen von Ästhetik verändern kann und umgekehrt. Mag: Soul, Funk, Hip Hop, Jazz und viele Spielarten elektronischer Musik. Beschäftigt sich theoretisch und praktisch mit Klang für bewegte Bilder, Videogame-Sounddesign, Psychoakustik, Gamification, ...

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zwei euro zwanzig - eine Meditationsübung


sound PLAY

Gehen Sie raus. An einem Sonntag oder an einem anderen Tag Ihrer Wahl. Gehen Sie raus und setzten Sie sich in die nächste Straßenbahn. Haben Sie am besten ein wenig Kleingeld dabei. Nicht zu viel. Es sollte gerade für Kaffee und Kuchen genügen. Vielleicht tragen Sie eine Mütze oder einen Schal. Oder einen schwarzen Anzug. Fragen Sie den Straßenbahnfahrer nach dem Weg zum Friedhof. Steigen Sie dort aus und bleiben Sie den ganzen Nachmittag da.

Angelehnt an H.C. Artmanns Gedicht „Zwei Schilling Zwanzig“ wird in der Meditationsübung „zwei euro zwanzig“ die Fahrt ins hinaus beschrieben. Hinaus, wo ist das? Auf dem Friedhof oder in der digitalen Blase? Hauptsache raus. In Ruhe und in Frieden.

Text & Stimme: Tobias Siebert
Sounddesign: Peter Valentin Zotter
Aufnahme: Mathias Lehnfeld & Peter Valentin Zotter

Tobias Siebert

1993 in Harsewinkel geboren und dort aufgewachsen. Studiert seit 2016 Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Peter Valentin Zotter
DJ, Producer, Sound Designer, Musikologe
Lebt, arbeitet und studiert in Graz. Privat sowie wissenschaftlich interessiert an Pop-, Musik- und Medienkultur(en) - beispielsweise an der Frage, inwiefern technologische Entwicklung Vorstellungen von Ästhetik verändern kann und umgekehrt. Mag: Soul, Funk, Hip Hop, Jazz und viele Spielarten elektronischer Musik. Beschäftigt sich theoretisch und praktisch mit Klang für bewegte Bilder, Videogame-Sounddesign, Psychoakustik, Gamification, ...

Mathias Lehnfeld (*1989) aus Wien hat Software Engineering, Cognitive Science und Interactive Media studiert, schließt gerade ein Sound Design Studium ab und tritt unter dem Synonym "Mæthi" als Singer-Songwriter auf.



II. In memoriam Armin Medosch (1962 - 2017)



sound PLAY


Denn er hat Kunst nie als etwas Elitäres verstanden, sondern immer als etwas, das die zentralen Fragen der Gegenwart verhandeln und auch zu einer erweiterten Öffentlichkeit sprechen soll.
Felix Stalder über Armin Medosch auf netzpolitik.org

Der Künstler, Medientheoretiker und Kurator Armin Medosch ist am 23. Februar 2017 nach kurzer, schwerer Krankheit im 55. Lebensjahr verstorben. Aus diesem traurigen Anlass wiederholt das Kunstradio seinen radiophonen Kunstessay „Kunst-Felder“ – eine philosophische Lecture Performance mit radiokünstlerischen Mitteln. Entstanden im Jahr 2014 für die von Armin Medosch kuratierte zweiteilige Kunstradio-Serie „Kunst Felder. Wilde Ontologien im Dienst der Aktivierung der Geschichte“. Diese Serie war eine weitere Episode im Rahmen der Ausstellung „Fields/Lauki“ (15.05. bis 03.08.2014 im Arsenals, Riga) gemeinsam kuratiert von Rasa Smite, Raitis Smits und Armin Medosch, die folgende Frage stellte: „Welche transdisziplinären Kreuzungen verschiedener Felder haben das größte Potenzial zu nachhaltigen und wünschenswerten gesellschaftlichen Veränderungen zu führen?“

Armin Medosch hat schon im ersten Jahr des Kunstradios 1988 den kritischen Radioessay "Werbung - eine Radiokunst?" gestaltet auf den weitere folgten.
In den folgenden Jahren hat er gemeinsam mit dem Schweizer Performancekünstler Oil Blo „Radio Subcom“ als radiokünstlerisches, bzw. multimediales Gesamtprojekt gegründet und die Künstler begannen mit dem Medium Radio zu experimentieren. In einem alten Bus war ein mobiles Studio eingerichtet mit dem Oil Blo und Armin Medosch durch Europa fuhren. Von 1989 bis 1992 sendete Radio Subcom immer wieder im Ö1 Kunstradio. 1991 machte Radio Subcom für das Ö1 Kunstradio Station bei dem legendären Radiokunstfestival “The resonating city”, das 1990 in Matera (Italien) stattfand und von der Radiokunstsendung AudioBox des italenischen Rundfunks RAI, kuratiert von Pinotto Fava, veranstaltet wurde. Das aus der Performance entstandene Radiostück "BETWEEN THE CITIES" wurde von dem Künstler Robert Adrian, der Kunstradio Online maßgeblich prägte zu einem Kunstradio Classics erklärt.

Ausgehend von einem Interview, das Armin Medosch 2014 mit dem Künstler und Kunstradio Wegbegleiter Robert Adrian, sowie mit der Kunstradiogründerin Heidi Grundmann führte, gestaltete er 2015 seinen letzten Beitrag „Kunst und Telekommunikation - zum 80. Geburtstag von Robert Adrian“ für das Kunstradio. Auch verfasste Medosch einige Monate später einen berührenden Nachruf für Robert Adrian.

Außerdem war Armin Medosch 2007 einer der Vortragenden bei dem von Ö1 Kunstradio und Ludwig Boltzmann Instituts Medien.Kunst.Forschung organisierten Symposiums „100 Years of Radio – The Return of Wireless Imagination“. In seinem Vortrag sprach er über "Stimmen aus dem Äther. 100 Jahre Radio der Garagenbastler und Übertragungskünstler."

Sein Wissen, sein Forscherdrang, seine Diskussionsfreude, sowie seine Fähigkeit über Grenzen jeglicher Art hinweg zu denken werden dem Ö1 Kunstradio und auch dem Ö1 Radiokolleg - für das er als Gestalter und Autor tätig war - sehr fehlen.

Links:

Syliva Eckermann über Armin Medosch

Österreich 1

Nachruf von Felix Stalder auf netzpolitik.org

Nachruf / Obituary summary Armin Medosch auf Technopolitics

"BETWEEN THE CITIES" - Kunstradio Classics

"Stimmen aus dem Äther. 100 Jahre Radio der Garagenbastler und Übertragungskünstler."