Sonntag, 2. Juni 2019, 23:03 - 0:00, Ö1

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RADIOKUNST - KUNSTRADIO





nine radio-windows from Seyðisfjörður
by fabia

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Radio als Fenster zur Welt. Aufgenommen, gezeichnet, geschrieben und komponiert während und nach eines Aufenthalts in Seyðisfjörður im Osten Islands, Austurland. Die neun Radiofenster öffnen die Perspektiven auf Erfahrungen und Beobachtungen, die das Künstlerduo fabia: theo sand & denisa angheluță, während dieses Aufenthalts gemacht haben. Jedes Radiofenster verbindet Klang und Zeichnung. Jedes Radiofenster kann für sich stehen, hat seinen eigenen Charakter, zusammen ergeben sie ein Ganzes.



Die Töne und Worte sind musikalisch gesetzt. Folgende grundsätzliche kompositorische Ideen bestimmen den inneren Zusammenhalt des Stücks: Das gesamte Stück folgt dem Metrum 13/4 bei Tempo MM 56. Warum? Weil Seyðisfjörður dreizehn Buchstaben hat und weil der Überlandbus Nr. 56 das öffentliche Verkehrsmittel dorthin ist. Der gesamte Tonvorrat besteht aus nur neun Tönen und ist aus den Buchstaben von Seyðisfjörður abgeleitet, ebenso der Grundton Es. Diese kompositorischen Grundkonstanten machen die Atmosphäre des Stückes aus. Dadurch kommt es der Atmosphäre in Seyðisfjörður sehr nahe.

Materialen sind Stimmen, chorische Stimmen, in Deutsch, Englisch, Rumänisch, Isländisch, Geräuschinstrumente, Zeichenaufnahmen, Wasser, Steine, Münzen, coinstick, Glocken, Gitarre, Flöten, Cello, Bratsche, ein selbstgebautes Saiteninstrument, Kalimba, field-recordings, Aufnahmen von Stimmexperimenten, Statements eines Raben, Unterwasserklänge, rainstick, gebürstete Textilien, Schwirrnüsse, Megaphon, und Radiostationensuchlaufaufnahmen aus unterschiedlichen Orten in Europa.

Die Texte sind zu einem Teil in gebundene Rede gesetzt. Sie folgen damit einerseits alten isländischen Traditionen und verwenden sowohl Stabreime als auch den stabreimenden Ljódahattr. Sie folgen andererseits der musikalischen Tradition Europas durch zweistimmiges Rezitativ und dreistimmigen kontrapunktischen Stimmensatz. Aus diesen klanglichen Umsetzungen der Texte ergibt sich der hörbar eigentümliche Sprechrhythmus, der durch ungewöhnliche Längen und ungewohnte Textgewebe gekennzeichnet ist. Als ausgleichendes Gegengewicht zu dieser formalen Strenge stehen dazwischen die Dialogszenen zwischen Denisa Angheluță und Theo Sand. Die Mehrsprachigkeit ergibt sich selbstverständlich aus unserer Zusammenarbeit und der Reise: Zwei Menschen unterschiedlicher Erstsprache, Rumänisch und Deutsch, eine Brückensprache, Englisch, und die Spracheindrücke auf der Reise.

Die Umsetzung unserer Erfahrungen in Texte, dokumentierte Recherchen, Zeichnungen, und komponierte Musik ergeben für uns ein Ganzes, dessen Teile untereinander mehrfach verbunden sind. So ist das Zeichnen Teil der Tonaufnahmen und des Textes, die Tonaufnahmen und erzählten Geschichten kommen wiederum in den Zeichnungen vor. Auf diesen Ebenen entstehen Dialoge der Kunstformen.

Die einzelnen Radiofenster spielen natürlich auch mit Radioformaten, wie der Programmvorschau zu Beginn. der Lyrik im Radio, der Klangkunst im Radio, dem Naturfeature, dem Musikanteil, dem Sonderbericht, dem Live-Konzert im Radio, dem Künstlergespräch, dem Radioquiz, dem Radiokommentar und den Radiostationensuchlaufzwischenteilen als Selbstreferenz ans Radio.

Die Auswahl und Verwendung der Mittel folgt unserem Wissen, Teil der Natur zu sein und mit dieser freundlich umzugehen, das heisst hier: Der Verzicht auf elektrisch generierte und elektronische Klangerzeuger und elektronische Klangbearbeitung ist bewußt gesetzt. Als umweltfreundliche Realisation unserer Ideen. Eine Haltung, die natürlich zu hörbar neuen Wegen in der Umsetzung und zu neuen Klangkonstellationen führt.

Conscious handling of the selection of means leads to new fields of expression techniques and to widening narrative forms.



1 Ouvertüre: Panorama







Ein erster Überblick. Ein Inhaltsverzeichnis. Eine ausführliche Programmvorschau. Zweistimmig im Englischen, Dreistimmig gesetzt im Deutschen.

2 Den Sturm zeichnen



Kannst du uns den Sturm der vergangenen Nacht zeichnen? Vielleicht lässt sich der Wind auf diese Weise zähmen!

3 Jumping Water





Nachklang der Fische. Mit Wasserklängen vom Fjardará, dem Fluß durch Seyðisfjörður, vom Lagarfljót, dem Fluß durch Egilsstaðir, und dem nach jedem Regen gefluteten Keller.

4 Rotdrossel




Freamătă aerul de sprâncene-galbene,
în timp ce poposesc în scorușul păsăresc.
The air shimmers from yellow-eyebrows,
While they take a rest in the mulberry tree.

5 Musik: Seyðisfjörður, early morning



Auch die Glocken folgen dem Tonvorrat aus neun Tönen und die Vogelstimmen erzählen die klare Luft am frühen Morgen. Eine Morgenmusik.

6 Sonderbericht: Stimmenfund





Der Sonderbericht folgt alten isländischen Traditionen und verwendet sowohl Stabreime als auch den stabreimenden Ljódahattr, der aus Langzeile und Vollzeile zusammengesetzt ist. Die Freude der Forscher an der Stimmenarchäologie. Die historische Referenz entstand durch die Verwendung von Vokalaufnahmen aus einem früheren, einige Jahre zurückliegenden Aufenthalt in Island, die noch in Form von DAT-Cassetten archiviert waren.

7 Local gentle breeze



Ein Livekonzert mit anschliessendem Künstlergespräch. Auch dieses Stück wurde elektronikfrei und in Handarbeit angefertigt. Ein Windkonzert.

8 Radioquiz



Kennmelodie, Zwischenmusik, Rezitativmusik, musikalisches Signal, Fragemusik, Richtigkennmelodie, Enttäuschungsmusik, neue Frage Signal - die Elemente des „Windows to the world quiz“ - ein Quiz als Erzählform.

9 Lebensrhythmen zeichnen





Die Textzeilen und die Zeichenklangzeilen werden Takt für Takt um eine Achtelnote länger. Der Atem wird ruhig.
We put together our research, impressions and thoughts. Now it has it’s shape. Nine radio-windows opened. Air, imaginations and light. Seyðisfjörður, so far.

fabia: nine radio windows from Seyðisfjörður.
49’47“
fabia: denisa angheluță und theo sand.
Produziert von Bruno Pisek, 2018/2019. Entstanden/Came into being at Skálar | Sound Art | Experimental Music (http://www.skalar.is/about/) in Seyðisfjörður, East Iceland, curated and run by Anna Friz and Konrad Korabiewski, and/und in Wien.