Sonntag, 04. Oktober 2020, 23:03 - 0:00, Ö1

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RADIOKUNST - KUNSTRADIO





1.) Remix Sonic Projections 1988 - 2020
2.) Primal Energies Radioversion


von Bill Fontana


Der amerikanische Künstler Bill Fontana zählt zu den Pionieren der Sound Art. Das Material seiner Skulpturen sind Klänge, Geräusche, Töne und Alltagsmusik, die er vor Ort vorfindet und mit fremdartigem akustischen Material verwebt. Wie sich dieses found footage verhält, wenn es in einen anderen örtlichen Zusammenhang versetzt wird, das ist ein künstlerisches Interesse, dem Fontana nachgeht. Der öffentliche Raum ist sein bevorzugtes Terrain, und als solchen sieht er auch das Medium Radio.

Mit dem Ö1 Kunstradio hat Fontana aufwändige und bahnbrechende Projekte umgesetzt. Etwa 1990, im Rahmen der Wiener Festwochen, „Landscape Soundings“, oder 1988 „Sonic Projections from Schloßberg Graz“, im Rahmen der steirischer-herbst-Ausstellung „Bezungspunkte 38/88“.

Das Kunsthaus Graz widmete Bill Fontana 2020 eine große Ausstellung „Primal Energies“.






Remix Sonic Projections 1988 – 2020

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1988 sorgte Bill Fontana mit seinem Projekt „Sonic Projections from Schloßberg Graz“ für Aufsehen. Dieses fand im Rahmen des steirischen herbsts und als Teil der Ausstellung „Bezugspunkte 38/88“ statt. Ausstellungsort aller Projekte war der öffentliche Raum. Fünfzig Jahre waren seit dem sogenannten Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland vergangen. Und die Ausstellung, konzipiert von Werner Fenz, bestand aus künstlerischen Eingriffen durch 16 Künstler und Künstlerinnen in der Stadt Graz. Die konkreten Orte waren von den Nationalsozialististen ideologisch besetzt gewesen – diese Funktion wollte die Ausstellung ins Gedächtnis rufen. Die Ausstellung löste Konflikte und wilde Diskussionen rund um einige der Kunstwerke aus. Hans Haackes Mahnmal wurde von Neonazis sogar in Brand gesteckt. Bill Fontanas Soundintervention „Sonic Projections“ wurde offen abgelehnt und es kam zu Vandalenakten rund um die am Schloßberg Graz installierten Lautsprecher.

An acht Bezugspunkten der Grazer Innenstadt, die zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung eine Rolle gespielt haben, installierte Bill Fontana Mikrofone, die die Alltagsgeräusche der Stadt einfingen. Vom Schlossberg aus wurden die Klänge hinunter in die Stadt geschickt, und zwar gemischt mit Klängen, die Fontana an anderen Orten in der ganzen Welt aufgenommen hatte.

Bill Fontana ließ Sounds, die er in aller Welt gesammelt hatte über Graz erklingen. Für ihn waren dies schöne und für ihn explizit positive Klänge – wie z.B. eines Gibbonpärchens im thailändischen Regenwald, das Singen eines australischen Leierschwanzes, ein Nebelhorn bei der Golden Gate Bridge in San Francisco und so weiter. Jeden Winkel der Stadt wollte er mit angenehmen Sounds penetrieren, und so den Terror austreiben. Durch die Beschallung des Stadtraums beabsichtigte er eine Art Neuanfang.

Für seine Ausstellung „Primal Engeries“ entwickelte Bill Fontana eine aktualisierte Auflage der „Sonic Projections“. Auf Grund von Naturschutz-Auflagen konnten nur sehr kurze Interventionen in den Grazer Stadtraum gesendet werden. Leider konnte der Künstler, der in San Franzisco lebt auf Grund der aktuellen Situation nicht mehr nach Graz reisen um die geplanten Soundaufnahmen zu machen. Stattdessen hat er in seinem Archiv unerwartet einige Audiokassetten mit Aufnahmen der Sonic Projections von 1988 gefunden und digitalisiert und neu gemischt.





Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner

Primal Energies Radiomix

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Für die Ausstellung "Primal Energies" entwickelte Fontana speziell für den Space01 des Kunsthauses Graz eine audiovisuelle Installation über die akustische und visuelle Ästhetik erneuerbarer Energien.

Seit den 1960er-Jahren verwendet Fontana Sound als skulpturales Medium. In über 50 Klangskulpturen weltweit und in mehr als 20 interkontinentalen Radioarbeiten hat sich Bill Fontana intensiv mit dem aktiven Hören auseinandergesetzt. Besonders seine jüngeren Installationen in Paris, London und San Francisco (zum Teil sind diese auch permanent im städtischen Raum installiert) tragen dazu bei, den Eigenklang von Umgebungen und deren historische oder kulturelle Muster physisch zu erfahren und kognitiv zu erforschen.

Seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn hinterfragt der Künstler Umweltfragen durch die Möglichkeit einer ganzheitlichen Wahrnehmung des "Übersehenen". Mit der Radioversion seiner neuen Installation zu erneuerbaren Energien in Graz bewegt sich Fontana auf dem Feld künstlerischer Forschung und taucht in die akustischen und visuellen Strukturen von Wasser, Wind und Geothermie ein, um sie dem Publikum sinnlich erfahrbar zu machen.

Links:
Mehr zu „Bill Fontana. Primal Energies” im Kunsthaus Graz
Sonic Projections from Schlossberg Graz 1988
Landscape Soundings