Sonntag, 05. Februar 2023, 22:05 - 23:00, Ö1

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RADIOKUNST - KUNSTRADIO






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  • © Omar Zerouati




  • Manifest 59 / FLÄCHENMENSCH FLÄCHENMENSCH DIE FESTUNG WELT

    von FALKNER

  • Mit Mavie Hörbiger.
    Tongestaltung: Manuel Radinger und Martin Leitner.
    Regie: FALKNER (ORF-Kunstradio 2023)


  • Falkner und Hans Groiss im Gespräch



    Der Gestus von "Manifest 59 / FLÄCHENMENSCH FLÄCHENMENSCH DIE FESTUNG WELT" ist drastisch, suggestiv, große wuchtige, albtraumhafte Szenen, Szenen die entgleisen. Eine drastische akustische Haptik. FALKNER interessiert das Kreieren emotionaler Räume anstelle von physischen Räumen, das Kreieren emotionaler Körper anstelle von realistischen Körpern. Geräusche als Trigger, archaisch-funky-unglaublich. FALKNERs Vorgehensweise: politische und gesellschaftliche Realitäten mit phantastischen Mitteln entlarven, eine fiktionale Zustandsbeschreibung der Festung Welt. Ines prangert das Ausbluten von Rechenschaft an, ein Draußen das hohles Gedenken zelebriert, sich dabei aber zunehmend kriegerisch gebärdet.

    Ines lebt mit einem Hirschen. "Der Mitmensch existiert nicht mehr. Abgeschafft! Planiert. Aber ein Tier ist erlaubt." Es werden Ines immer mehr verletzte Tiere vor die Tür gelegt. Was soll sie mit ihnen anstellen? "Der da sieht doch aus wie ein Mensch!" Wer pocht an Ines' Tür, legt dauernd etwas vor die Tür? Ist das etwas Reales, eine Realität? Oder spielt sich das alles in Ines' Kopf, Ines' Trauer ab?

    Vor einiger Zeit gab es einen kollektiven Selbstmord der Jugendlichen, darunter auch Ines‘ Sohn Georg. Die Menschen Draußen sind seither stumm, sprechen über das Vorgefallene nicht. Ines klagt an die Welt hätte sich in verschiedene Spuren aufgeteilt und meint ganz offensichtlich Grade des Erinnerns, der Trauer, des Verantwortungsübernehmen. Ines hat sich für die Isolation in diesem Raum entschieden, setzt ihre Trennung zum Draußen absolut, wartet hier drinnen ob Georg vielleicht noch einmal zurückkommen mag. Diesen Raum teilt Ines mit einem Spiegel. Zunehmend kommt es zur Konfrontation. Der Spiegel als Eindringling in Ines‘ Zone/Raum ist ihr Vorwurf von Anfang an. Der Spiegel als räuberisches Wesen. Aber auch der Spiegel als wissendes Objekt, der Versuch den Spiegel zum Sprechen zu bringen. Jedenfalls die Konfrontation mit der eigenen zur Gestalt verdichteten Erinnerung. Die Frage, wie solche unauslöschliche Trauer und unerträglicher Verlust auszuhalten ist (oder auch nicht); was für Ausflüchte, Ersatzhandlungen und Verrückungen das produziert; und: welche Bilder und Geräusche Trauer in uns auslösen, abbilden und anzetteln können, davon schildern die Szenen dieses Hörspiels. (Spiegel)Bilder die man nicht sieht aber hört.

    Morgen ist Jahrestag und der Spiegel, die Szenerie bedrängen Ines in diesen Stunden immer mehr. Ines wehrt sich lange, lange und mit allen Mittel und Attacken dem Spiegel(bild) gegenüber, bis hin zum Versuch der Auslöschung am eigenen Bild. Bedrängt vom Spiegel und den Geräuschen verdichten sich Szenerie und Raum zunehmend ins Albtraumhafte. Ines wird klar, dass sie sich stellen muss, dass es keine Flucht gibt. Ines‘ Lösung wird am Ende dann aufs Ganze zielen!

    Mit Ines steht FALKNER eine in ihrer Drastik und Ambivalenz absolut reizvolle Figur zu Diensten, die darauf insistiert kein Flächenmensch zu sein! Trotz der Thematik also glitzert und funkelt „Manifest 59 / FLÄCHENMENSCH FLÄCHENMENSCH DIE FESTUNG WELT“ hörbar ganz unglaublich.