8.
Wenn die Ausdruckslosigkeit und der wohltuende Nachgeschmack
des Geheimnisses miteinander vermischt werden,
macht die massenbeherrschende Aphasie den frechen
Dichter zum Publikumsliebling. Manchmal, nach einigen
privaten Telefongesprächen, sind es die leeren Zeilen, die
einfach nicht voll werden wollen, aber dennoch von wichtigen
Persönlichkeiten der Stadt am meisten beklatscht werden,
jetzt brauchen sie sich auch nicht mehr zu füllen. Noch
mehr Applaus bringt noch mehr Gefallen mit sich, die im
Bühnenlicht strahlende Plakette vernichtet die Hoffnung des
Dichters, nochmal von neuem und zum ersten Mal zu sehen.
Gleichzeitig sind einige weitere tausend Arbeiterkinder
gezwungen, aufgrund ihres ungenügenden Literaturverständnisses
die Schule abzubrechen.
9.
Hände, die sich den Schritten hoffnungsvoll öffnen, gleichen
Tischen, die sich hoffnungsvoll den Himmeln öffnen. Um die
Blech- und Betongötzen der Stadt zu ergötzen, werden in
Fabriken, Büros, sich blähenden Nasenlöchern, aufgerissenen,
gespaltenen Zungen Wörter produziert, Wörter registriert,
die manche in ihren engen Herzen nicht tragen können. Der Hall
der Schritte ist Regen, Regen ist Kleingeld.
Die Schritte, die am gestolperten, gefallenen, in voller Größe den
Beton bedeckenden Körper hastig vorübergehen,
umarmen einen verzauberten Namen in ihren Wortschätzen, um ihre
Hast nicht zu verlieren: Staat. Sie verlieren
dann ihre Hast doch, wenn Staatsbedienstete die Plastikhandschuhe
überstreifen und sich dem Körper nähern. Die
Schritte bleiben stehen, beobachten das Aufbahren des mit
dem Beton ergrauten, verdinglichten Körpers, sie schauen
zu, wie eine Lüge, die die Stadt begrünt, auf eine Trage
gelegt wird - mit ein wenig traurigen und mit Zeus-Zorn erfüllten Augen,
fest verschlossenen eisernen Kiefern. Man
muB wieder schweigen. Das Unausgesprochene ist nicht
das Mystische, nicht das Sein der Welt, es sind die neuen
Lügen, es ist das Wie.
Aphasie 7
Aphasie 10