[ATTACKEN]

OLIVER MARCHART


WASCHMASCHINEN ALS WUNSCHMASCHINEN

Zur Ausstellung "Wunschmaschine Welterfindung.
Eine Geschichte der Technikvisionen seit dem 18. Jahrhundert"



5. Juni bis 4. August '96
Kunsthalle Wien


VORSPUELUNG:

Zwei Fragen zu Zeit und Raum, die sich dem unbefangenen Beobachter aufdraengen: 1. Warum findet diese Ausstellung eigentlich nicht im Technischen Museum statt? 2. Warum findet diese Ausstellung eigentlich nicht in den 70er Jahren statt?

Ist doch "Utopie" ein klassisches 70er-Thema und von Technik verstehen Techniker immer noch am meisten. Im folgenden der Versuch einer ersten Antwort, die allerdings auch nur zu neuen Fragen fuehren wird.

Vorweg: Die Kuratoren/in sind bemuehte und unterbezahlte Menschen und es liegt mir fern, irgendwem persoenliche Vorwuerfe zu machen, der sich den Arsch aufgerissen hat. ABER:


SCHLEUDERGANG:

Warum laesst man angegilbte Bilder von den Waenden haengen, ist das die neue Authentizitaet? Geschlagene drei Jahre wurde organisiert, damit Original-Graphiken von irgendwas aus den entferntesten Winkeln nach Wien gekarrt und an die Wand genagelt werden. In geometrischen Clustern a la russische Revolutionskunstausstellung. Die Waende zur Haengung werden von Zaha Hadid aufgestellt, was das Zeitsprungerlebnis intensiviert, weil ja dekonstruktive Architektur nichts anderes ist als russischer Konstruktivismus auf reaktionaer. Angeblich - laut Hadid - werden die fest umrissenen Raeume aufgeloest und man soll durch ihre Ausstellungsarchitektur "floaten" koennen (warum dann erst Kunsthalle und nicht gleich Stadthallenbad?).

Waehrend des floatens wird man von Zeit zu Zeit mit Interaktivitaet belaestigt, von der man nicht weiss, was sie mit Utopien, (die der Ausstellungstitel verspricht) zu tun haben soll. Vielleicht noch eher was mit den Waschmaschinen, die der Titel ebenfalls verspricht.

Viel schlimmer als die Ausstellung allerdings ist der Katalog zur Ausstellung, eigentlich ein Konvolut humanistisch bildungsbuergerlichen Wissens auf kuenstlich vergilbtem Papier.

Das 30er-Jahre-Design des Ausstellungskatalogs, der bewusst schon auf verstaubt getrimmt wurde, bevor er ueberhaupt die Druckerei verliess, konnotiert weniger den Druck der Historie, der auf solchen "vom 18. Jahrhundert onwards"-Projekten lastet, als die "Gelehrtheit" der Beitraege.

Tatsaechlich wird durch lay out, eingestreute Illustrationen (meist Radierungen) und das voellige Fehlen wissenschaftlicher Biographien der Autoren an ein historistisches Gelehrtenbild angeschlossen, das selbst die guten Texte in Originalitaetshubereien verwandelt. Der Katalog beweist: Man kann nicht nur mit Porsche, sondern auch mit Archivarbeit angeben - meistens jener der Assistenten.

Nebenbei: Koennte Ernst Strouhal bitte endlich einmal vom Schach (we got the message!) zu anderen Spielen wechseln, wie Halma oder Monopoly, statt schamlos seine Privatobsession zum ewigen und alleinigen Studienobjekt zu erheben?

Dieser Gelehrten-Interessantismus arbeitet nach der bekannten Formel mit den Variablen: Hatten Sie schon gewusst, dass (Name X einsetzen, am besten nie gehoert) schon im (Jahr Y, am besten a.d.) den/die/das (technisches Geraet Z) erfunden/vorweggenommen/prophezeit hat? Nein? Ich schon. Weil ich bin ein Akademiker. Aetsch.

Vor lauter showing off geht nahezu kein Investment in Methodenreflexion oder Sinnhaftigkeitsfragen bez. einer solchen entweder pointillistischen oder deterministischen Technikgeschichtssschreibung. Genausowenig wie die Ausstellung ihre eigene Position thematisiert. Inwieweit ist etwa die Wiener Kunsthalle genau so eine Wunschmaschine, und wenn sie das ist, was bedeutet das fuer die Libidinaloekonomie der Trauben von pilgernden, over-gestylten Vernissagen-Heinis (woran sich die Frage anschliesst, die mich seit Jahren quaelt: Wo kauft Gerald Matt seine Anzuege?, ich hab gehoert er hat da ein Geschaeft in New York, oder wars ein Schneider in London....???), wie kam die Kunsthalle ueberhaupt zu einer solch hegemonialen Position - trotz, mit Ausnahmen, immer traditioneller werdendem Programm. Wie kam es, dass Kunsthallen-Eroeffnungen zu sowas wie dem Danube-Rave unter den Vernissagen wurden. Und was dieses eklige Wort "Wunschmaschinen" betrifft: Warum muss eigentlich gerade Wien der letzte Hort des Deleuzianismus sein - mit Ausnahme von ein paar amerikanischen Campus-Universitaeten.

Ungeklaerte Fragen. Vielleicht kann mir ja jemand eine Antwort mailen.


Zur Ausstellung. TROCKENGANG:

Katalogtexte von
HadidSchumacherNowotnyLachmayerSafranMachoReckLootsmaPircherZizekReic hertReitingerWeibelVirilioHuhtamoFuchsDruckreyFedermairFasslerPircherK ittlerSiegertKrasnyChemineauSteinerSeesslenLeVitteHartenGrayBerrMrasSt rouhalReichardtMuellerFunkHajosLachmayerLouis

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