Die digitale Stadt Wien ist seit gestern eröffnet. Hurrah. Für einen echten Wiener stellt sich traditionsgemäss die Frage: Hamma des 'braucht? Und die Antwort lautet nach alter Sitte: Na des hamma net 'braucht.
Die billige Übertragung der Stadtmetapher auf einen Raum, der eigentlich für jede beliebige Codierung offen wäre, das ist schon mal das Einfallsloseste ever. Besonders nach Chicago, A-dam, Berlin, München. Dass man dann zur Orientierung nicht nur Häuschen-Icons baut, sondern eine gefakete U-Bahn-Struktur, macht die Sache auch nicht spannender.
Die offizielle Eröffnung der elektronischen Verdopplung Wiens (allein das schon eine Horrovorstellung - ein Wien ist genug!) im Architektur-Pavillon im Messepalast war dann auch entsprechend: eine Mischung aus der üblichen Eröffnungsschickeria und Wiener Magistratsbeamten - meine Sympathien sind dabei fraglos auf Seiten der Magistratsbeamten.
Und natürlich BlackBox als master minds. Ja alles ganz nette junge Herren und persönlich OK. Aber seit einiger Zeit hat die BlackBox überall die Nase drin, wo Geld liegt, bzw. aus Sicht der sozialdemokratischen Stadtpolitik die Zukunft. Hat das was damit zu tun, dass die BlackBox von lauter SJ-lern (Sozialistische Jugend, nicht Societas Jesu) betrieben wird, könnte man fragen. Andererseits, wenn schon. Ist ja schön, wenn sich eine Partei ihre eigenen Cyberpunks hält, die sich offenbar Unsummen abgeholt haben müssen, um im Auftrag von Stadtverwaltung und Bund dieses Ding zu konzipieren und zu erstellen. Klar HTML ist schon zeitaufwendig, wenn alles gescheit rüberkommen soll. Aber andere Leute leisten dasselbe auf reiner Freak-Basis und machen keine grosskotzigen Operettenfeiern mit Sekt, Kaviarbrötchen, Paella-Buffet und was ich da sonst noch gesehen habe (und gegessen). Das Netz ist zum Renommierartikel geworden. Was mal Geert Lovink - noch so ein digitaler Städtebauer - als Subversions-Konzept Datendandy propagiert hat, das ist zum Datenschnösel vermasst. Und während die realen Massen in ihren Wohnzimmern immer noch photozentrisch vor der Lichtschüssel meditieren, reden die eingebildeten (auch eine mögliche Übersetzung von "virtuellen") "Stadtbürger" von Demokratisierung, allgemeinem Zugang, jeder kann sich sein Haus hinsetzen, wo er will, etc...
Seltsamerweise hört man das letzte Argument der freien Nachbarschaftswahl immer wieder. Auf der diesjährigen Ars Electronica hat sich Geert Lovink in seinem Referat nicht zurückhalten können, darauf hinzuweisen, dass sich in seiner digitalen Sadt jeder seinen Nachbarn aussuchen kann, z.B. könne man ja von den weniger intelligenten Bewohnern wegziehen zu den intelligenteren. Jetzt schätze ich ihn ja eigentlich, und weiss, dass er alles andere als ein Chauvinist ist, aber was hinter einem solchen Argument steckt, ist nichts anderes als Chauvinismus: Wenn meine Nachbarn in ihrem Hof einen virtuellen Hammel braten, dann such ich mir zivilisiertere Nachbarn.
Genauso gestern der SJ-uppie von BlackBox bzw. deren kommerziellen Arm "Datenwerk". Man könne sich in der Digitalen Stadt aussuchen, wo man wohnen wolle - genauso wie man sich ja in real-life-Wien aussuchen kann, in welchem Bezirk man wohnen will, 7. oder 8. oder 14. Soso, Aha. Wenn mein Einkommen gerade für den 15. oder den 23. ausreicht, kann ich mir also auch Döbling zum Wohnen aussuchen. Wohl auf einer Parkbank. Das sind die heutigen SJ-ler, die sowas verzapfen, weil ihnen die bunten Pixels zu Kopf gestiegen sind.
Als ich im Sommer im "envelope" ein Interview mit Karl-Heinz Jeron von der Internationalen Stadt Berlin las, wo er gesagt hat, er wolle mit seinem Bereich Market "natürlich auch Geld verdienen. Es ist ja auch Unsinn, zu behaupten, dass wir uns nicht davon versprechen, irgendwann einmal davon leben zu können", da war ich noch entrüstet über so viel Profitsucht. Seit dieser Kaviarfeier der BlackBox bin ich über die Berliner nur noch gerührt - über so viel ehrenamtliches Engagement aufgrund der bescheidenen Hoffnung, dass sich das irgendwann mal auszahlen könnte.