"Die Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht." Friedrich Nietzsche.

ein Text von Thomas Feuerstein

Für die rein formale Praxis der Herstellung von Bildern sei die Annahme gestattet, daß sowohl Produktion als auch Rezeption bildlicher Elemente transformative Prozesse darstellen, um einen "Zustand zwischen Entropie und Form" zu finden. Den ersteren könnte man mit den Tendenz, den zweiten mit Latenz beschreiben.
Am beläufigen Beispiel einer Schwarz-Weiß-Graphik läßt sich die Thematik der Produktion "erasable and programmable" und der Rezeption "read only memory" exemplarisch belegen.

Da konventionelle Kunstwerke grundsätzlich passiv geschaut werden wollen und allein auf einer intellekturell interpretatorischen Ebene mit ihnen interagiert werden kann, stellen sie klassische Festspeicher dar.
Sie können als "factory rooms" bezeichnet werden, die nur der Hersteller, also der Künstler (später der Restaurator) nicht aber der Betrachter, in ihrem Inhalt oder ihrer Form ändern kann. Nur bei der Produktion oder - im Falle einer Überarbeitung wieder bei der Postproduktion sind die Bilder entsichert, d.h. beschreibbar oder löschbar.

Eine außerhalb dieses Rituals der symbolischen Entsicherung des Werkes Einfluß n nehmende Energie wurde in der gesamten Kunstgeschichte als störende und das Werk gefährdende Wirkung angesehen. Peinlichst genau suchte man Techniken zu entwickeln, die die Lösungsmittel- und Lichtechtheit der Pigment gewährleisten, um Farbtonveränderungen zu vermeiden, oder zumindest so lange wie möglich hinauszuzögern.

Erst an der Schwelle vom 18. zum 19.Jahrhundert begann man sich für diese Störeffekte zu interessieren, und Bilder nicht nur unter den symbolischen Bedingungen der Repräsentation, sondern auch unter ihren physikalischen Bedingungen zu untersuchen.
Mit der Fotografie wandelten sich Bilder von "factory-rooms" zu "erasable and programmable rooms" und im heutigen Monitor Stadium ist das Bild kein Festwertspeicher mehr, sondern ein flüchtiges "dynami-random-access-memory".

Entscheidend war also die Frage, was mit Farben oder allgemeiner mit Bildern unter physikalisch realen Bedingungen geschieht, und die Photo- bzw. anfangs die Heliographie, die vom Sonnenlicht geschwärzte (eigentlich gehärtete) Grafik gab darauf die Antwort. Man nahm erstmals Materie selbst und beschränkte sich nicht allein auf ihre Gestaltung bzw. ihre Symbolwerte.
Die Bildproduktion war nicht mehr auf Transzedenz, sondern auf ihre eigenen Produktionsbedingungen ausgerichtet. Die "vom Licht des Bewußtseins erhellte Oberfläche" verbirgt eine diesseitige Tiefe, "die ebenso unergründlich ist wie das Jenseits, aber trotzdem zum irdischen Hier und Jetzt gehört". und dieser Einsicht entspringt nach Gotthard Günther "die erkenntnistheoretische Situation der Kybernetik".
Günther setzt der Transzedens die "Introszedenz" entgegen, "weil hier das Denken nicht aus der Welt zu einem jenseitigen Himmel emporsteigen, sondern immer tiefer in das Innere der Materie und ihre Reflexionsfähigkeit hinabsteigen will."
Dieser entscheidende Vorgang, den wahrscheinlich keine Kultur je zuvor in dieser Radikalität vollzogen hatte, läßt sich auch innerhalb der Kunst in der Reflexion ihrer medialen Bedingungen ablesen.


"EPROM" - Kongreßzentrum Innsbruck

Die Installation "eprom" von Gerfried Stocker und Horst Hörtner thematisiert die realen Bedingungen ihrer medialen Arbeit. Ihre Intervention provoziert eine Konfrontation des Rechners mit seinen Teilen: keine Kommunikation zwischen Rechnern oder Mensch und Rechner sondern viel fataler ! - ein solipsistisches Operieren des Rechners mit sich selbst. Die Metaphysik des Rechners liegt nicht in seiner Software versteckt, sie verbirgt sich in seiner Hardware.

Der Chip, der das Bild seiner äußeren Erscheinungsform in codierter Form in sich trägt, wird über Monitor mit seiner eigenen Oberfläche konfrontiert.
Der angesprochene Wandel der Bilder kommt hier voll zu Wirkung, denn das Bild bleibt nicht als Schein and der Oberfläche, sondern wandert in die realen Bedingungen seines Entstehens ab. Das Bild geht sozusagen unter seine eigene Haut und unterwandert seine eigene Repräsentation.

Umgelegt auf konventionelle Malerei bedeutet das, daß das Bild hinter der Leinwand zu liegen kommt. Es werden keine Abbildungen von den Dingen der Welt mehr produziert, sondern das Bild wird in einem kontinuierlichen Wandel in Einklang mit dem Wandel des Milieus als Resultat seiner Auswirkungen seiner Interaktionen gebracht. D.h. das Bild rechnet nicht für seine Produzenten und Rezipienten, es rechnet für und mit sich selbst.

Mit "eprom" wird ein mögliches "Bild¤ der Zukunft, der sich selbst programmierende Ontologie-Chip mit implementierten Zufallsgenerator (Bildschirm!) heraufbeschworen. Der Rechner als Philosoph, als Platoniker auf der Suche nach seinem Urbild - oder doch nur die gefürchtete insufficienta data ?

Thomas Feuerstein


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