HORIZONTAL RADIO IN ZAHLEN

von Heidi Grundmann







sound sample


HORIZONTAL RADIO IN ZAHLEN

  • 14 öffentlich rechtliche Anstalten auf 24 Kanälen
  • mindestens 10 unabhängige Radiostationen (in Kanada wahrscheinlich noch zusätzliche)

  • UKW
  • MW
  • KW (Ostankino Radio mit einem potentiellen Publikum von 300 Millionen)

  • 7 INTERNET SERVER
  • 1 REAL AUDIO Server

  • 24 Städte in ganz Europa, Israel, Australien, Kanada und Tasmanien mit Installationen, Performances, Konzerten, Lesungen

  • weit über 200 KünstlerInnen, LiteratInnen, MusikerInnen und KomponistInnen.

  • HORIZONTAL RADIO erreichte allein im Radio ein potentielles Publikum von vielen MILLIONEN HörerInnen in Australien, Europa, Asien, Afrika und Nordamerika.





HORIZONTAL RADIO, z.B. in Österreich

In den Landesstudios Oberösterreich und Tirol fand HORIZONTAL RADIO als 24 Stunden-Event statt, das auch dem Publikum zugänglich war.

In Innsbruck lief eines der interessantesten telematischen RADIOMUSKPROJEKTE ab, dessen Zwischenergebnisse von allen teilnehmenden Stationen gesendet wurden. Das Tiroler Ensemble für Neue Musik spielte Partituren, die über FAX und INTERNET während der 24 Stunden in Innsbruck einlangten.

In Linz befand sich als Installation im Foyer des Landesstudios die Koordinationsstelle des Gesamtprojektes.

DER ORF sendete insgesamt 10 Stunden HORIZONTAL RADIO LIVE im Programm Österreich 1 (etwas über 3 Stunden), auf FM4 und bei Radio Österreich International.

Der ORF sendete aber auch an alle teilnehmenden Stationen: die Leitungen wurden über Linz koordiniert.

Der ORF nahm an Live-Subprojekten teil, die in Österreich nicht ausgestrahlt wurden. Ausserdem wurden in Linz ständig Soundreports komponiert, die als Zusammenfassungen des Events an alle Stationen gingen.


Wieviele Stunden HORIZONTAL RADIO insgesamt gesendet wurde, ist noch nicht bekannt.

Sicher ist, dass zumindest Italien und wahrscheinlich auch Ungarn mehr als der ORF gesendet haben.

HORIZONTAL RADIO fand keinswegs nur in RADIOKUNST-Sendungen der öffentlich rechtlichen Anstalten statt sondern auf verschiedenen Kanälen dieser Anstalten und in unterschiedlichsten Programmen von Jugendsendungen über aktuelle Magazinsendungen, Wissenschaftsendungen, Kultursendungen, Pop- Musiksendungen bis zu Hörspiel- und Featureterminen usw.

Gesendet wurde auf UKW, MW und Kurzwelle.

Das Netz der öffentlich rechtlichen Anstalten wurde ergänzt von unabhängigen Radiostationen (Radio Popolare Kette, Universitätssender, Ethnische Sender etc.)

Sogar Piratensender nahmen an HORIZONTAL RADIO teil.


Im INTERNET wurde RADIO - on - DEMAND ausprobiert. Es gab eine Reihe von spezifischen Internet-Kunstprojekten, darunter z.B.eine Datenbank mit literarischen Texten, wobei die Stimmen der internationalen AutorInnen in Linz abrufbar waren und einzeln oder als vielsprachige Collage in Radiosendungen einfliessen konnten.

Insgesamt erreichte das Projekt und damit auch der österreichische Beitrag in den 24 Stunden ein potentielles Publikum von vielen Millionen Hörern in aller Welt. (Allein die Kurzwelle von Radio Ostankino hat ein potentielles Publikum von 300 Millionen Menschen und bestreicht auch Afrika und Asien).

Das INTERNET war zeitweise überbeansprucht.


Bereits jetzt ist klar, dass HORIZONTAL RADIO eine bisher nicht dagewesene umfassende Anthologie zum internationalen Stand der Radio- und Netzwerkkunst der 90er Jahre darstellt: die Qualität der vielen - in ihrer Gesamtheit noch gar nicht erfassten - Kunstprojekte stellte sich an allen Stationen als ungewöhnlich hoch dar.

Sämtliche Genres der Radiokunst von heute waren vertreten - von der Soundscape über die komplexe Bandkonposition bis xum telematischen Simultan-Event zwischen einigen der beteilitgten Stationen oder aus dem Internet gesteuerten Klängen, Texten und Collagen.

Zur Überraschung aller Beteiligter war HORIZONTAL RADIO über weite Strecken ein sehr textorientiertes RADIOLITERATUR-Projekt.

Inhaltlich legte das Generalthema MIGRATION offensichtlich die Latte so hoch, dass Radiokunst-Projekte realisiert wurden, wie man sie in dieser Dichte und politischen Relevanz noch nicht erlebt hat.

Für alle Beteiligten, insbesondere aber die skeptischen Rundfunkprofis überraschend war auch der hohe technische Standard des Events. Nur eine einzige Leitung funktionierte überhaupt nicht: der Fehler lag bei der Französischen Post.

Eine Reihe von Rundfunkanstalten nutzten das Projekt zur Erprobung technischer Innovationen, z.B. der (wie sich herausgestellt hat, noch nicht optimalen) Kompatabilität von ISDN Verbindungen. Im Internet kamen z.B. REAL AUDIO und das TRACEROUTER Programm zu innovativem künstlerischen Einsatz.

Das Neuartige an diesem Projekt war, dass es - anders als etwa das Neujahrskonzert oder eine Fussballweltmeisterschaft - kein Zentrum hatte, von dem aus ein Ereignis in alle Welt übertragen wurde. Die empfangenden Stationen waren vielmehr zugleich auch immer eigene Beiträge ins Netz sendende Teilnehmer. Es ergaben sich ständig neue Konstellationen und Verknüpfungen zwischen den teilnehmenden Radio-bzw. Internetstationen und Veranstaltungsorten. Alles, was ins Netz entlassen wurde, wurde sofort zum Material, das verändert, in neue Kontexte gestellt, manipuliert werden und, verändert, wieder weiterge-geben werden konnte. Autorennamen wurden so letztlich bedeutungslos. Jeder Teilnehmer - egal ob KünstlerIn, TechnikerIn, Publikum vor Ort, UserIn im Internet, HörerIn zu Hause - erlebte seine/ihre ureigene Version der sich ständig verändernden, in ihrer Gesamtgestalt nie und für niemanden fassbaren Skulptur.

HORIZONTAL RADIO wurde zu einem lebendigen Organismus, der seine weltumspannende Form ständig änderte.

Einerseits wird diese Dokumentation Teil eines neuartigen On Line Archives im WWW, andererseits sollen Audio CDs Ausschnitte und wichtige Aspekte des 24 Stunden-Geschehens dokumentieren.

Heidi Grundmann



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