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[english]
„A short guide to becoming-bat“
Curated by Stefano Perna
„Menschen haben immer von Tieren gelernt, und selbst im Zeitalter
der Elektronik und Atomphysik haben wir immer noch eine Menge zu
lernen.“
Donald R. Griffin
Radio ist nicht ein der Menschheit vorbehaltenes Privileg. Durch Radio
bewegen sich Menschen in einer Lebenssphäre, die
Überschneidungen mit dem Tierreich hat und die Menschen den Tieren
so näher bringt. Biologen und Naturwissenschaftler haben
nachgewiesen, dass Tiere – lange bevor Menschen begannen, die
Eigenschaften des elektromagnetischen Spektrums zu nützen, um sich
über weite Distanzen zu verbinden – bereits ein raffiniertes
System zur Manipulation von Wellen und zur Übertragung von
Klangsignalen zum Zwecke der Kommunikation und Orientierung innehatten.
Viele Arten von Delphinen, Walen, Insekten und Vögeln sind
tatsächlich Radiowesen.
Im Herzen dieser nicht-menschlichen Radiowelt, befindet sich die
Fledermaus, ein blindfliegendes Säugetier und ein wahres
FM-Geschöpf. Es moduliert ein System von Echos und Resonanzen, um
den nicht-visuellen Raum zu definieren, in dem es sich bewegt, um
Hindernisse zu umfliegen, Beute zu orten, um zu jagen und zu
kommunizieren. Wissenschaftler nennen diese Fähigkeit Echoortung.
In der vollkommenen Dunkelheit einer Höhle schaffen
Fledermäuse einen wellenförmigen Raum aus Signalen und Rufen,
Frequenzen und Schwingungen, einen puslierenden Raum, der sich
ständig ändert, entwickelt, ausdehnt und zusammenzieht. Es
ist ein Raum auf Zeit. Die Welt, die Fledermäuse bewohnen, ist
eine radiophone, nicht eine photo-optische Welt.
In einem seiner ersten theoretischen Texte über Radio schrieb
Rudolf Arnheim eine „Lobpreisung der Blindheit“, eine Art
Einladung an alle Radiohörer Fledermaus zu werden. Bei laufendem
Radio betreten Hörerin und Hörer die Höhle. Dunkelheit
bricht ein, und die Umgebung hat sich mit einem Schlag verändert.
Die Räumlichkeit, die durch die akustischen Koordinaten definiert
wird, steht im Konflikt mit den berührbaren Plätzen, die
unseren Körper umgeben. Radiohören stellt uns in den
Mittelpunkt eines mehrdeutigen Ortes – sowohl konkret, als auch
mental – der nicht mehr durch das bestimmt wird, was wir sehen.
Wo genau sind die Klänge und Stimmen, die ich höre? Und wo
genau bin ich, wenn ich Radio höre? Haben wir den perspektivischen
Raum unseres Hauses, der Küche oder des Autos verlassen, betreten
wir einen wellenförmigen Raum, in dem die Gesetze der Geometrie
nicht gelten. Stattdessen gibt es eine Räumlichkeit, deren Zentrum
nicht der Mensch ist, mit Kräften und Zeichen, auf die unsere
Wahrnehmung nicht perfekt abgestimmt ist. Um diesen unheimlichen Raum,
der sich immer dann materialisiert, wenn wir ein Radio andrehen, zu
verstehen und organisieren zu können, ist es vonnöten uns
– meist unbewusst – rasch in einem neuen Ort zu
positionieren, ein Ort, der aus einer Matrix räumlicher und
zeitlicher Beziehungen besteht, die allein durch Wellen, Daten und
Soundsignalen definiert werden.
In anderen Worten, um an diesem Raum teilzuhaben, müssen wir
gezwungenermaßen eine grobschlächtige Form der Echoortung
ausüben. Ausgerüstet mit einer Radio-Prothese, beginnt der
Mensch-Hybrid in einem Raum zu wandeln, der gewisse Ähnlichkeiten
mit jenem der Fledermäuse, Insekten und Wale hat. So gesehen ist
der Mensch-mit-einem-Radioapparat mythischen, therianthropischen
Figuren näher als der postmodernen Figur des Cyborg.
Auf die sonderbare Form der Verwandtschaft zwischen Tieren und Menschen
als Einwohner eines Radioraumes geht diese „Curated
by“-Serie ein. Fünf Künstlerinnen und Künstler
wurden eingeladen, Hörstücke zu erarbeiten, die als eine Art
imaginärer Bedienungsanleitung die Hörerschaft auf dem
technisch vermittelten Weg zum Tierwerden begleiten.
Episoden:
1) "1799. How to become-bats?" von Stefano Perna und Ventriloque Media Collective
2) "Unseen Forces" von Pietro Riparbelli
3) "L‘Amicizia con la ciòca (In Freundschaft mit der Glocke)" von Davide Tidoni and "It's all so dark!" von Anna Raimondo mit Younes Baba Ali
4) "Music for becoming-insect" von Sec_
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