"Der Dämon in Ninfa"
(Text und Fotografien von Peter Pessl)     

Mir gelang eine letzte Nachricht, bevor ich verschwand:

"Lange Tage und Nächte reiste ich quer durch Italien, aus Furcht vor den Toten.
Ich erreichte den Süden Latiums in vollkommener Dunkelheit.
Daraufhin ruhte ich in der Ruine einer Zisterne drei Tage und Nächte von der Erschöpfung aus.
Beim Durchqueren des Gartens von Ninfa, ich suchte Dich damals verzweifelt, begegnete mir ein Dämon.
Er entsprach Deinem Äusseren. Er entsprang meinem Inneren. So zusammengefügt tobte er und riss mich in Stücke.
Dennoch blieb ich gelassen. Ich sass bei den Wasserspielen. Dann und wann stiess ich an tierförmigen Wolken mit dem Kopfe an.
Ich fand Sounds, Sätze, Samples, Filme. Fundstücke, die ich dem Dämon vorspielte, vorsprach und sang. Fotos, die ich ihm zeigte. Die Komposition einer Partitur begann.
Die Besänftigung gelang.
Du tratst sehr langsam an meine linke Seite. Deine Stirn war kalt. Deine Hand umfing meine Hüfte.
Du sagtest zu mir:
"Ich bin das letzte Stadium der Metastasierung.
Sag mir, dass ich gehen soll!"

Ich antwortete:
"Dass Du anhalten mögest für immer.
Als Dämon Wucherung und Zerfall."

Dann fiel ich in tiefsten Schlaf. Mir träumte, Du seist bei mir und ein fischförmiger Hauch.
Als ich erwachte, betrachtete ich mich in den Wasserspielen von Ninfa: Was ich sah war ein fischförmiges Bildnis.
Seither aber nennt man mich ein Monstrum an Händen und Füssen. Mein Rücken mit Algen und Muscheln bewachsen. Mein Gesicht aber sei das der Medusa.
Wer aber benennt mich?
Zu wem spreche ich?
Und wann?
Wer bin ich jetzt!"


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