RENATE PUVOGEL
ZEITGLEICH



"To the Point & - Zur Sache &": Das knappe Statement von Lawrence Weiner ist um zwei Wandecken des zum Salz-magazin gehörenden Bürogebäudes gezogen. Die Worte beinhalten Wesentliches im Werk des Künstlers und sie können gleichzeitig, einer Reklame verwandt, zum Besuch der Ausstellung ZEITGLEICH im Innern des Salzlagers auffordern. Knapp unter dem Dachansatz des Turmes angebracht, sind diese verkürzten Sätze weithin sichtbar, sie unterscheiden sich von einem benachbarten Firmensignet, formal auf Grund ihres klaren Schwarz-Weiß, inhaltlich, weil sie sich nicht auf eine spezifische, konkrete Sache beziehen, stattdessen "die Sache selbst" als etwas Wesentliches benennen. Sie floaten, sie grüßen in die Ferne und laden in andere Richtung hin wer-bend an den Ort ein, dorthin, wo Künstler und Publikum zusammen "zur Sache kommen". Sie sind als künstlerischer Beitrag selbst zur Sache gekommen. Sie sind als Aufforderung an die an der Ausstellung beteiligten Künstler zu werten und können in der Tat für sämtliche Arbeiten gelten, weil sie Weiners Interpretation folgen: "Was wir hören ist der Klang der Materialbeziehungen zur Zeit ihrer Darbietung".

Der Kuratorin der Ausstellung Heidi Grundmann ist es gelungen, in dem vielgestaltigen ruinösen Bau jedem Teilnehmer ein separates Forum zur Darbietung eigener Äußerung zu verschaffen und alle ortsbezogenen Arbeiten so zu vernetzen, daß beim Durchschreiten der Räume ein vielfältiger, sich teilweise überlagernder Klang erwächst und sich zeitgleich im Bewußtsein festgräbt. Der Ort läßt keine Darbietung in traditionellen Medien zu; Malerei an den feuchten Wänden zu zeigen oder große skulpturale Installationen den schlechten Lichtverhältnissen und konservatorisch unzureichenden Gege-benheiten auszusetzen, wäre nicht in Betracht gekommen. Stattdessen läßt sich die Würde des Ortes mit dem Be-schwören seiner historischen Brisanz und dem Einbringen kultureller Werte ganz ohne große sichtbare Zeichen im bildnerischen Sinne aufzeigen. Klang und Licht sind die wesentlichen Stoffe, sie erwecken in kaum spürbarer Materialisierung den Bau zum Leben und machen mit ihrer Flüchtigkeit gleichzeitig seinen Verfall bewußt.

Es ist bedeutsam, daß die Künstler in unserer bildergläubigen Zeit eine Art menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeit vorführen, die sich aus akustischen Mitteln speist. Andererseits halten sie dem Lärm, der uns im Alltag entgegenbrandet, die Konzentration auf den Klang entgegen; dieser nähert sich der Stille, der er erwächst. Die Ausstellung würde allerdings zum Medienspektakel verflachen, würden die Künstler, die sich der zeitgenössischen Medien bedienen, nicht gleichzeitig Medien-kritik in ihre Arbeit miteinbringen. Heidi Grundmann konnte auf Grund ihrer langjährigen Erfahrungen beim ORF und als Leiterin des in Tirol ansässigen Medienkunstvereins TRANSIT eine internationale Künstlerschar versammeln, die sich mit den elektronischen Medien auseinandersetzt und die Auswir-kungen der durch Digitalisierung veränderten und erweiterten Kommunikation auf Kultur und Gesellschaft reflektiert. Auf diese Weise kommt ein Ensemble ganz unterschiedlicher Stimmen zustande. Daß sie tatsächlich zusammenklingen, liegt zum einen an der tatsächlich beeindruckenden Magie des ehrwürdigen Baues, der auf mehreren Niveaus bespielt wird und eine Wanderung quer durch den speziellen Ort, durch Raum und Zeit ermöglicht. Allein die Räumlichkeit, der Wechsel zwischen hohen, weiten Hallen im Eingangsbereich und kleineren Räumen in erhöhter Etage, zu denen noch abgedunkelte, höhlenartige Verliese und ein eher makabres Kellergeschoß kommen, bewirkt, daß der Besucher sogleich emotional angesprochen wird und sich, von keinem äußer-lichen Detail abgelenkt, ganz der jeweiligen Installation widmen kann. Der ruinöse Zustand des Baues sensibilisiert, denn er schafft eine Atmosphäre des Brüchigen, Vergänglichen, Provisorischen. Die Künstler kommen mit dem Sound als tragendem Element, in feiner Abstimmung mit Licht oder Dunkelheit, diesem momentanen Zustand als einem stimmungsvollen Jetzt entgegen, denn Licht wie Klang erstehen hier aus der Leere, erblühen im Augenblick, vergehen wieder in verwandelte Leere. Da Klang wie Licht zeitlich zu erfahren sind, gerät der Besucher in die Lage, länger in dem jeweiligen Raum zu verweilen. Er legt die Hektik normalen Ausstellungs-besuches bereits in der ersten klanggefüllten Halle ab.

Kein anderes Werk könnte in die Ganzheit sinnlicher Wahr-nehmung des außerordentlichen Ambientes besser einstimmen als die Arbeit des Amerikaners Bill Fontana. Der Künstler hat für die riesige Eingangshalle des Salzmagazins eine dreiteilige Klangskulptur entwickelt. Das Ergebnis setzt weitreichende Erkundungen über Geographie und Geschichte des Ortes voraus. Fontana überspringt Raum und Zeit, mischt Wirklichkeit mit Fiktion, wenn er durch Tonaufnahmen das tiefe Rauschen des Mittelmeeres simuliert, jenes Meeres, das nach seinem Rückzug das Salz zurückgelassen hat. Die sonoren Klänge strömen aus einer langen, in einen eckigen Holzrahmen gebetteten Röhre, die er auf dem Boden der Halle niedergelegt hat. Diesen tiefen Klang ergänzen hohe Töne; sie dringen aus Lautsprechern von der Decke und sollen die Vibration des Mittelmeeres nahe der Oberfläche wiedergeben. Mit diesen beiden Klanginstallationen erlebt der Besucher den historischen Raum als einen gegenwärtigen, ist von ihm ganzheitlich umfangen, befindet sich sozusagen mitten im "Meer". Diese Illusion wird durchbrochen durch weitere Klänge aus Laut-sprechern, die Fontana an den Wänden montiert hat. Es sind jene Klänge, die bis in jüngste Vergangenheit entstanden, als das Salz durch hölzerne Rohre vom Bergwerk am Ende des Halltales bis zum Pfannhaus im Salinenareal transportiert wurde. Ein Stück einer solchen Salzleitung, die Fontana als Resonanzkörper für ein Mikrofon für die unmittelbaren Geräuschübertragungen aus dem Halltal benutzt, liegt in der Halle, parallel zu dem Kastenrohr als fragmentarisches, stummes Zeichen. Die beiden Rohre sind die einzigen sichtbaren, skulpturalen Momente innerhalb der Installation, die über die akustische Wahrnehmung den Raum physisch erfahrbar macht und zu einer Klang-Skulptur formt. Wie die authentischen, dem Wechsel der Witterung folgenden Klänge aus den Lautsprechern weist auch das Rohr als Relikt in die Gegenwart und gleichzeitig hinüber in den nächsten großen, säulenbestandenen Raum, der ganz dem jetzigen Leben gewidmet ist. Dem durchgängig hörbaren vollen Chor bei Fontana antwortet hier ein veränderbares vielstimmiges Konzert aus ganz unterschiedlichen Tonquellen. Die Australierin Ros Bandt hat in Hall und Umgebung zehn verschiedene Tonbänder aus einem Gemisch von Menschenstimmen, Maschinenge-räuschen und Naturlauten aufgezeichnet und dieses Material zu sieben unterschiedlich langen Tonschleifen dergestalt verarbeitet, daß sich immer neue Konstellationen ergeben. An den sieben Säulen angebrachte Sensoren beeinflussen den einen oder anderen Sound wie ein Instrument in Ab-hängigkeit von den Bewe-gungen der Besucher in Ak-tion. Erfrischend wirkt sich die Gegensätzlichkeit der Stimmen aus; in das Läuten mittelalterlicher Glocken aus Hall, in Pferdegetrappel und den Lärm einer Bohrmaschi-ne mischen sich die komischen Erzählungen der beiden Schwestern Wick, als Bewahrerinnen Zeugen der einstigen Bergwerksleitung. Durchgängig wie eine ostinate Stimme durchtönt hier das vitale Geräusch von Wasser des Inn den Raum. Es empfängt und entläßt den Besucher, gleich von welcher Seite er den Saal betritt oder sich von ihm entfernt.

Von diesen zentralen Sälen, in denen sich Geschichte und Gegenwart mischen, gehen die übrigen Räume ab; von hier an entscheidet der Besucher darüber, in welcher Reihenfolge er die weiteren Beiträge erwandert, und damit, in welche Stimmung er eintauchen, welchen Erfahrungen er sich aussetzen mag. Inhaltlich am verwandtesten ist wohl die Arbeit von Andres Bosshard, weil auch der Schweizer mit drei umhergetragenen Mikrophonen Klänge aus dem Inneren des Baues, aus seiner näheren Umgebung und zusätzlich vom Gipfel des Patscherkofel aufgenommen und zu einer höchst komplizierten Klangspirale geschnitten hat. Diese schwingt sich in der Raum-mitte in die Höhe, sie scheint die Decke zu durchmessen und Sig-nale ins All zu senden. Bosshard kommt von der Musik und man spürt, wie exakt die Tonschleifen zu einer strophischen, rhythmisch akzentuierten Komposition verbunden sind. Erst allmählich tut sich bei aller Aktualität einzelner Momente eine Dimen-sion des Sphärischen auf, man ahnt die Vision eines Weltklangraumes. Mit dieser spiralförmigen, sendenden Installation interferiert - auch optisch - eine zweite, die direkt vom Berg empfängt und die Windgeräusche in gerader Achse sechsfach verspiegelt in den tieferliegenden Bereich von Ros Bandt trägt. Nähe und Ferne, Mikro- und Makrokosmisches vernetzen sich in der "Zeitgleiche".

Während Bosshard akustische Eindrücke vom Patscherkofel aufzeichnet und sendet, bedienen sich Gerfried Stocker und Horst Hörtner eines computergesteuerten, elektro-pneumatischen Roboters, um Mitteilungen, die von einer Computertastatur vor Ort ausgesendet werden, in die Zeichensprache des inter-nationalen Flaggenalphabets zu übersetzen. An ihrer Arbeit vor dem Ein-gang zeigt sich, wieviel unmittelbarer und unkritischer man einem Bild im Gegensatz zu einer akustischen Infor-mation zutraut, selbst über Entfernungen hinweg Wahrheiten empfangen und senden zu können. Technische Vor-gänge wie das Übersetzen einer Eingabe in ein anderes System und das Rückübertragen in ein näherliegendes werden spannend in einer vom Betrachter zu steuernden Aktion einsichtig gemacht. Nähe und Ferne lassen sich mit Hilfe modernster Technologie zusammenbringen. Aber auch das gute alte Fernrohr tut durchaus seinen Dienst, das weit Entfernte nahe heranzuholen; die alte Erfindung bestätigt die neue.

Jede Arbeit fordert neue Möglichkeiten des Erlebens heraus, jede Arbeit reagiert anders auf die örtlichen Gegebenheiten. Während die bereits erwähnten Künstler tonangebende Klänge in ihr Werk einbeziehen, um die lokale Geschichte und Gegenwart einzufangen, werten andere den Raum als Körper, als dreidimensionale Bühne, sie benutzen also die vorhandenen Wände und den eingeschlossenen Raum als Forum für ein Stück, dessen Inhalt mit dem Ort an sich nichts zu tun haben muß. Dennoch kommt durch die geistige und situative Verwandtschaft beider Inhalte eine Kongurenz zu-stande, die das Gehörte und Geschaute in Relation zum Vor-handenen erleben läßt. So führt etwa Roberto Paci Dalò authentische Klän-ge der Stadt Neapel vor; Hammer-schläge, Gesprächsfetzen, Schreie, Lieder in sich fortwährend verändernder Mischung hüllen den Besucher ein in den spezifischen Klangkörper der süditalienischen Stadt. Spotlights, die den dunklen Raum zunächst ertasten lassen, dienen dem Künstler letztlich dazu, den Geräuschen entsprechend eine einheitliche Wahrnehmung zu durchkreuzen. Blitzartig wird der Raum immer wieder erhellt, um das Fiktionale mit Realem zu durchsetzen. Winzige Figuren auf dem Boden fügen eine weitere Ebene hinzu, sie lassen erkennen, daß es sich hier eher um eine theatralische Inszenierung denn um eine bildnerische Installation handelt.

Im Gegensatz zu diesem vorwiegend aus akustischen Elemen-ten erzeugten Geschehen bauen die Spanier José Iges und Concha Jerez am stärksten skulpturale Details im traditionellen Sinne in ihre weitreichende Installation ein. Auch sie vermitteln einen Gehalt, für den das räumliche Ambiente lediglich den sinngebenden Resonanzkörper abgibt. Zwischen zwei vorgefundenen Löchern, das eine am Boden, das andere an der Decke, orientieren sie ihre tragische, von Utopie überwölbte Szenerie. Hier wird Zeitgeschichte, wird die Gefährdung der Menschheit in sich vielfältig überlagernden Fragmenten akustisch und optisch vorgeführt. In der geschriebenen, gesprochenen und im TV angezeigten Sprache begegnen sich Hör- und Schaubares. Lichtstrahlrotoren unter Klappsesseln zeigen höchste Alarmstufe an. Durch die rotierenden Warnlampen aufgerüttelt, entdeckt der Besucher sehr heterogene Elemente, etwa ein Fernsehprogramm, welches immer wieder durch ein knappes Statement unterbrochen wird: Towards Landscape. Es macht die triviale Geschichte auf der Matt-scheibe noch banaler. Daneben führt eine Leiter in die Höhe, sie ist besetzt von einem Knäuel grausliger Barbiepuppen, Figuren aus der Sciencefictionwelt. Ihnen dröhnt politische Propaganda entgegen. Verborgen hinter angelehnten Türen bleibt ein poetisches, utopisches Moment unangreifbar verborgen, es kann nur erahnt werden und wird mit Sinn und Verstand als Gegen-argument herbeizitiert. Die geistige und moralische Qualität dieser Arbeit vermittelt sich multimedial und ausdrücklich an den Brüchen, dem Unvereinbaren; mehrere visuell erfahrbare Details durchkreuzen die akustischen und drängen mögliche didaktische Argumente ins Abseits.

Während in dieser Arbeit Himmel und Hölle an dem Zustand unserer unmittelbaren Gegenwart gemessen werden, vertiefen sich die drei Österreicher Sodomka, Breindl und Math in das Mittelalter. Die Menschen dieser Zeitepoche waren es gewohnt, ihnen vertraute Darstellungen christlicher Heilsgeschichte auf vorbildhaften Tafelbildern simultan wahrzunehmen, eine Fähigkeit, die uns verloren schien und erst heute durch unser Verständnis für digitale Methoden der Aufzeichnung in ganz veränderter Form wieder reaktiviert wird. Die Künstler benutzen das vielgestaltige Gefüge des Seitentraktes, um mit aus Gemälden herausgelösten Engels- und Teufelsfiguren einen hin und her schwebenden spukhaften Tanz zu imaginieren. Was durch das über architektonische Vor- und Rücksprünge hinweggleitende Bilderrepertoire erahnbar wird, ist tatsächlich die Analogie zwischen uralter Betrachtungsweise und den Erkenntsnismöglichkeiten auf Grund neuartiger Bildproduktion, zwischen Entrücktheit und der von an- und abschwellenden Klangvolumen eingerahmten Nähe fliegender und fliehender Bilder.

Drei weitere Arbeiten nehmen sich in ganz unverstellter Weise direkt neuer Medien an. Helmut Mark projiziert auf eine Wand des Seitentraktes ein farbiges Videotape, das er in langer Fahrt durch Hall mit der Kamera aufgenommen hat. Es ist inhaltlich also mit den eingangs erwähnten Arbeiten, die sich mit der Umgebung befassen, verbunden, wählt aber als Mittel das virtuelle Bild. In angeblicher Gleichzeitig- und Gleichräumigkeit vollzieht der Betrachter die Reise, ohne daß sich ein illusionistischer Realismus auftut. Die schlichte Video-Arbeit setzt den auf Klängen basierenden Beiträgen einen wichtigen optischen Akzent entgegen; das Tonbild in Gestalt eines Autoradios hat hier nur begleitende Funktion. Die Arbeit bestätigt, daß wir das Videobild bereits als ausgesprochen vertraut und normal annehmen. Ebenso einfach und geradlinig, hingegen rein akustisch äußert sich unter Verwendung neuester digitaler Aufzeichnungsmethoden Stoph Sauter. Ironisch verpackt er seine Tonaufnahmen lieblicher Alm-geräusche in blumenbekränzte Kopfhörer, so daß die natürlich lauten Klänge zum Wispern gerinnen und nur dem Ein-zelnen direkt erlebbar werden können. Während für Helmut Mark die Wand Projektions-fläche abgibt, löst John Blake sie auf zu einer räumlich erfahr-baren Bühne. Blake reißt die Pro-jektion und den Klang des ein-fachen Vorganges auseinander, stört somit die Illusion auf den Betrachter zuschreitender Füße, er zerstört sie jedoch nicht gänzlich; es bleibt der Eindruck der ungreifbaren und dennoch leibhaftigen Aktion, weil ein neues Gefühl für eine unfaßbare Tiefe des Raumes erwachsen ist.

In einen Keller hinabzusteigen, geht selten ohne ein beklemmendes Gefühl vonstatten. Wenn Robert Adrian für seine Licht- und Soundinstallation "Green Light" den mehrgliedrigen feuchten Kellerraum gewählt hat, rechnet er mit einer ernsten, wenn nicht verängstigten Grundstimmung des Betrachters. Ein lebhaftes Stimmengewirr empfängt diesen beim Betreten der vorderen dunklen Zone, es steht in Gegensatz zu dem kühlen grünen Licht, das gleichmäßig über eine brusthohe Trenn-wand aus dem hinteren Teil dringt. Das Licht steigt von 100 grünen, auf dem Boden zu Reihen angeordneten Neonröhren empor. Es kommt vom Grund, nicht wie gewohnt von der Decke. Damit ist der Raum durch ein skulpturales Element unbetretbar, er ist entrückt, außerhalb des Ichs. Trotz der Ma-terialverwandtschaft kommen einem weniger Dan Flavins Neonarbeiten in den Sinn als vielmehr die 500 glänzenden Messingstäbe von "The Broken Kilometre" von Walter de Maria. Denn ein vergleichbares Gefühl für etwas Unüberschaubares, Unendliches stellt sich ein, und dies entsteht, obgleich man das nüchterne Material als Quelle spirituellen Lichtes nicht übersehen kann. Die Zeit scheint sich auszudehnen in Zeitlosigkeit, sich aufzulösen in Ewigkeit. In die ewige Stille bricht die Gegenwart mit dem lebendigen Gemurmel aus den Lautsprecherboxen ein. Es mildert die unbehauste Kelleratmosphäre. Augenblick und Ewigkeit begegnen sich. Mit der Gewöhnung an das Licht hellt es sich auf in ein helles, fast weißliches Gelb, so daß man versöhnt sein könnte, würde in die menschlichen Stimmen nicht plötzlich das ohrenbetäubend schrille Getöse eines Düsenjägers hereinbrechen. Die persönliche Erinnerung an Bombennächte im Keller, an Verliese und Gräber wird geweckt, Geschichte bricht unvermittelt in die Gegenwart ein. Damit kommt Adrian "zur Sache", damit hat Adrian seine Behauptung "Medien-kultur ist virtuelle Geschichte" im Ereignis eingelöst und leibhaftig erfahrbar gemacht. Es schließt sich der Kreis hin zu Lawrence Weiner, wenn Adrian weiter ausführt: "Medienkul-tur ist eine Vielfalt von Ansichten eines einzigen Augenblicks - des Augenblicks der Aufnahme, des Einfangens durch das Aufzeichnungsgerät. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fallen im Augenblick der Aufnahme in das Strahlen von Licht und Klang zusammen."


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