Ingo Nussbaumer: Spielwiesen?



Teil 3

Abbau der Szenerie. Die vierte Gruppe (19. - 30. Mai: Christoph Bangert, Jens Brand, Manuel Mota, An Seebach, Shinichi Yanai) übernimmt die unbefriedigenden 'Hinter-lassenschaften' der 3. Gruppe (12. - 23. Mai: Werner Dafeldecker, Erin McGonigle, N.I.C.J.O.B., Axel Stockburger), montiert das technische Equipment auf fahrbare Gestelle und 'ordnet' mit diesen den Raum zur Fensterfront wie in einem Spalier, um ihn zu bestimmten Zeiten zu entordnen, zu bewegen, zu 'reißen'.

In der linken hinteren Ecke - in Reaktion auf den "white kube" (Erin McGonigl) - sammeln sich die Lautsprecherboxen vor einem letzten Rest der Kantine zu einer 'Lautwand des weißen Rauschens', das über die ganze Woche, Tag für Tag bis zu den computerermittelten schönsten Namen des Tages aus der Besucherliste abends um zehn Uhr die BesucherInnen penetriert. Eine Transformation in ein rauschendes Nichts? Eine 'permanente Vertreibung aus der Konsumption von Kunst' bis zu dem Moment der spontanen Bewegung der Gestelle im Raum zum großen Augenblick des Events?

Genau hier zeigt sich die Schwachstelle: statt Kunstcharakter zeigt sich Eventcharakter, ein offenkundiges Problem der späten 90er Jahre. Mit Nummern versehene Tischtennisbälle kollern in der Nacht des Abschlußfestes über den Boden der Kunsthalle. Wer vierverschieden gefärbte mit gleichen Nummern findet, gewinnt einen Drink. Filme von Kollegen werden vorgeführt und musikalisch begleitet. Ein grünes Flash von den Computerprojektoren huscht von der vorderen Wand zur 'Lautwand des weißen Rauschens' und taucht die Raumsituation für Augenblicke in eine Erwartungsspannung. Aber es geschieht eben dann weiter nichts. Und so wie dieses letzte Künstlerfest ausebbt, so ebben eben auch die intermedialen Dialoge von "among others 3" aus.

Von der Organisation und den Rahmenbedingungen her (Daniela Swarowsky) hätten sich die überlappenden Künstlergruppen durchaus weit mehr in einen Prozeß kommunikativer Reibung begeben, Schnittstellen der unterschiedlichen und sich entgrenzenden Künste herausarbeiten können. Ein Verzahnen und Verqueren von schlüssigen Prozeßformen oder eine bewußt gesetzte Szenerie des gleichgültigen Nebeneinanders, eine inszenierten Gleichgültigkeit wäre möglich gewesen. Entgrenzen setzt ein gezieltes Markieren von Grenzen voraus, Synergien ein Auflösen (eine chaotische Wärmeprozedur) bis zu sich selbstorganisierenden, strukturell sich herausbildenden übergeordneten Mustern (Distanzströmen). In der zweiten Woche erschien dies am ehesten gelungen. In der dritten Woche verflachte vieles in ein undefiniertes Probieren, in uneingelöste Konzeptionen. Die dritte Woche erschien als Schnitt und trennte, hinterließ etwas Schales, das auch von der letzten Gruppe nicht wirklich mehr aufgelöst werden konnte. Etwas Unausgesprochenes, Unausgedrücktes blieb zurück.

Hier hätte ein round table, eine öffentliche Reflexion aller Beteiligten über die vergangenen Tage und Wochen, eine gegenseitige Befragung über die eigenen und anderen Unzulänglichkeiten, über die Gewinne, Erfüllungen, Knicke und Brüche, Vorstellungen etc. eine abrundende plastische Prozedur bewerkstelligen können. Dies fehlte und ist vielleicht für ein nächstes mal einzuholen.

 

Ingo Nussbaumer 6. Juni 1999


ao3 Infoline: Kunsthalle Exnergasse 401 21/42
ao3 Ticketinfo: WUK Kasse 401 21/70 (Mo-Fr 14.00-18.00 Uhr)