eine Radioarbeit mit Hörbeiträgen von M. Rutt, Christian Steinbacher, Robert Stähr und Siegfried Holzbauer
Vier Autoren mit teils sehr unterschiedlichen künstlerischen Konzepten und
Arbeitsmethoden gestalten ein Hörstück quasi im "Patchwork-Stil": von vorn
herein verzichten sie ganz bewußt darauf, ihre Beiträge
aufeinanderabzustimmen. Die vier Autorenbeiträge wurden aufgesplittet und
über das gesamte Stück verteilt. Die einzelnen Teile sind hart
aneinandergereiht, weiche Übergänge fehlen. Damit wird das künstlerische
Spezifikum jedes Beitrags erhalten.
M. Rutts gesplittete Textbeiträge ziehen sich wie ein roter Faden durch die
"Hauptsache" und stellen damit die einzige Verbindungsli nie zwischen den
übrigen Teilen dar. Die Tonaufnahmen der Angelobungsreden der
österreichischen Präsidenten der Zweiten Republik sind in chronologischer
Reihenfolge zu hören, wobei bei jeder neuen Präsidentenansprache jene der
Vorgänger "nachhallt". Diese Art der akustischen Bearbeitung erweckt und
verstärkt beim Hörer den Eindruck einer linearen Abfolge von
zusammenhängenden zeitgeschichtlichen Ereignissen im Kontext vergangener,
gegenwärtiger und zukünftiger Entwicklungen.
An Christian Steinbachers Texten ("7 auf einen Streich", "Na Gut",
"Antürlich" u.a. ) fällt der systematische, technische Umgang mit Sprache
auf. Z.T. handelt es sich um Umsetzungen von anagrammatischen Gedichten aus
seiner Sammlung glana. 365 gramm" . Die rhytmische Struktur des Textes
tritt in den Vordergrund und "klopft" der Semantik den Rang ab: Tatsächlich
gibt Steinbacher seinen Gedichten den Stellenwert von "Füllmaterial"
zwischen Klopfversen. Das eigentliche Gedicht ergibt sich aus dem Rhytmus
der geklopften Struktur.
Robert Stährs "Singspiele" "leben" von der systematischen sprachlichen
Gestaltung. Die Texte werden in einem Rap-artigen Rhytmus vorgetragen, z.T.
"stolpert" die Musik gleichsam dem zuvor entstandenen Text hinterher. Für
die Liedpartien III und IV hat Stähr Textzeilen von Schlagersängern
einerseits und sogenannten Liedermachern andererseits montiert. Irgendwo
zwischen vordergründiger Parodie und trivialem Pathos lassen sich
Textmontage, stimmlicher Vortrag und die musikalischen Mittel akustisch
orten. Stähr bezeichnet seine Texte als Sprechlieder und meint damit
"...die Kombination sprachlicher und musikalischer Ausdrucksmittel in nicht
konventionell liedhafter Weise, aber unter Beibehaltung einer vagen
Liedform."
Siegfried Holzbauer, der sich u.a. der visuellen Poesie verschrieben hat,
konzipiert seine Texte als erzählende Prosa in sprachlich verdichteter,
sehr knapper Form: Worte werden zusammengezogen, aus Endsilben wird das
nächste Wort abgeleitet. Schaniergedichte entstehen. Die knappen kurzen
Texte erhalten ihre Wirkung vor allem durch ihre Vielschichtigkeit. Je nach
Betonung der Worte und des Leserhytmus ergeben sich verschiedene
Bedeutungen und Sinnzusammenhänge: neue, immer wieder veränderbare
Leseversionen werden durch jeweils viermaliges Rezitieren des Textes hörbar
gemacht. Das Publikum kann seine eigenen variablen Sinninterpretationen
herausfiltern und den Text durch eigene Assoziationen erweitern.
Das Radioprojekt "Hauptsache" soll auch als CD erscheinen.