KUNSTRADIO


"Kunstkopf der Woche" von Fritz Grohs

"INDICATORE im Radioraum"


Von Gertrude Moser-Wagner und Josef Reiter



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http://www.kunstradio.at/1994A/MP3/07_04_94.mp3

Die Radioarbeit "INDICATORE im Radioraum" ist Teil des von Gertrude Moser-Wagner initiierten Unternehmens "Indicatrice" 1993/94, eines "Kunstprojekts außerhalb des Kunstrahmens" - wie es die Künstlerin definiert.

Auf der Fahrt im Lokalzug von Arezzo nach Florenz entdeckte sie ihr "Objet trouve": der Stationsanzeiger der Ortschaft Indicatore, einen "Indikator des Indikators", der auf nichts anderes als auf sich selbst verweist.

Für Gertrude Moser-Wagner ist dieser "tautologische Fund" Ausgangspunkt des Projekts INDICATRICE, in dessen Rahmen neben mehr als 30 verschiedenen Auftragsarbeiten auch das Hörstück "INDICATORE im Radioraum" entstand.

Die Matrix aller Einzelarbeiten dieses Projekts - also auch des Radiostücks - ist das Terrain des Ortes Indicatore in einem bestimmten Zeitrahmen. Im Hörstück und in den verschiedenen multimedialen Auftragsarbeiten wird der Kontext zum Ort und seinen realen Momenten des Alltags hergestellt.

Dabei geraten die Konzeptkünstlerin Gertrude Moser-Wagner und der minimalistische Musiker und Elektroakustiker Josef Reiter ins Spannungsfeld von künstlerischer Idee (vorgegebenem Konzept) und nicht berechenbaren Momenten realer Situationen, von Auftrag und Durchführung am unbekannten Ort Indicatore, der zum "Suchraum für Kunst" wird.

Das Aufeinanderprallen von künstlerischem Konzept und "banaler" Gegebenheit wird vor allem am Beispiel der fotoakustischen Aufnahmen deutlich, die durch das Klick-Geräusch des Fotoapparates für den Radiohörer wahrnehmbar gemacht werden: an vier ausgesuchten Stellen des Ortes wurde in vier unterschiedlichen Aufnahmepositionen mit einer Kamera zwei Minuten lang gefilmt. Gleichzeitig nahm ein Rekorder aus gleicher Höhe und Position die Akustik des Umfeldes auf. Im Ortsfriedhof und im Hause der Gastgeberfamilie konnten die beiden Autoren ihr Ansinnen, ihr Konzept, noch reibungslos in die Friedhofsrasen und im Haus der Familie Marcucci, wo Tochter Rosa Schulbuchgeschichten über Indicatore vorlas.

Andernorts, in einem großen, parkähnlichen und scheinbar öffentlichen Garten wurde die Kunst von den Tücken der Wirklichkeit, der "realen" Situation drangsaliert: Signora Flora kam der fotoakustischen Aufzeichnung auf ihrem Grumd und Boden zuvor, indem sie die Künstler hinauswarf.

Im Radiostück werden die fotoakustischen Aufnahmen in den "Grundton Indicatore", der ein allgemeines Klangbild des Ortes vermittelt, eingestreut. Ebenfalls eingebettet ins permanente akustische Stimmungsbild des Ortes sind dokumentarische Elemente, die einen Eindruck vom gesellschaftlichen Leben in Indicatore und von einigen Ortsansässigen vermitteln. Fragmentarische Tonaufnahmen von einem Dorffest zählen ebenso dazu wie Interviews mit einem alten Bauern, einem Lega-Nord-Anhänger und einem Barbesitzer. Durch sprachliche Bearbeitung (Loops, Wiederholungen, u.a.) der (nicht übersetzten) Interviews verstärkt sich der Rhythmus und die Melodie der Gespräche: das Interview mit dem alten Bauern und seiner Frau gestaltet sich zum "Duett mit Trioteil".



1994 CALENDAR 1