I. radio comic #5: ticken
II. Re-Inventing Radio II / Historische
Serie: Teil II - Worte in Freiheit
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"ticken" ist die fünfte von sechs über das Jahr 2004 verteilten Radiocomics, die Text und Musik in gegenseitiger Ergänzung und Irritation verkoppeln. Wo der Beobachter die Textur einer Handlung zeichnet, vergrössert die Musik latente akustische Ereignisse. Die Parallelen treffen sich im Radio. Text: Albert Pall Musik & Bruitage: Josef Klammer Sprecherin: Ilse Amenitsch |
Raoul Hausmann Der zweite Teil der historischen Serie steht unter
dem Motto "Worte der Freiheit" und knüpft mit dieser
Referenz auf den italienischen Futuristen F.T.
Marinetti historisch an Teil 1 der Serie an. Antonin Artaud "Ich fordere die prinzipielle Gleichberechtigung
aller Materialien, Gleichberechtigung zwischen
Vollmenschen, Idiot, pfeifendem Drahtnetz und
Gedankenpumpe. Ich fordere die restlose Erfassung aller
Materialien vom Doppelschienenschweißer bis zur
Dreiviertelgeige. Ich fordere die gewissenhafteste
Vergewaltigung der Technik bis zur vollständigen
Durchführung der verschmelzenden
Verschmelzungen." Die Futuristen, die - wie Marinetti in seinen
"Worten der Freiheit“, den parole in liberta aus dem
Jahre 1913 - die Aufhebung der Syntax, die Befreiung
der gesprochenen und geschriebenen Worte sowie der
Typographie forderten, schufen die Voraussetzung für
die Verschmelzung von phonetischen Gedichten,
Geräuschkompositionen und Klangpoesie. Neue technische
Möglichkeiten unterstützten sie dabei. Der Künstler selbst beschrieb die Ursonate folgendermaßen: Kurt Schwitters "Alle anderen Lautverbindungen sind frei erfunden, teilweise unbewußt angeregt durch abgekürzte Aufschriften auf Firmenschildern oder aus Drucksachen, besonders aber durch die interessanten Aufschriften auf Eisenbahnstellwerkhäusern, die immer so interessant wirken, weil man den Sinn nicht versteht." Welch grossen Einfluss Kurt Schwitters mit seinen
Ideen und Werken auf heutige RadiokünstlerInnen hat,
zeigt das Projekt MERZ
Museum: "An jedem Netzwerkknoten bekommt man einen anderen Mix zu hören, weil die Streams zu unterschiedlichen Zeiten eintreffen und sich in unvorhersehbarer Weise mischen. Man schickt seinen Stream los, aber ohne Garantie, was daraus wird. Man behält die Eigentumsrechte, aber nur auf einen Teil des Werkes im Sinne einer kollektiven Autorschaft über eine kreative Zone." Das MERZ Museum ist immer noch on line. Ein wesentliches Exponat des Museums ist die Dokumentation des 12 Stunden Live-Events. Aus dem Material und den Mitschnitten des Schwittradios stellte der Künstler Bernhard Loibner im Auftrag von Ö1 Kunstradio eine CD zusammen. Diese stellt - im Sinne einer Verdichtung - das im Laufe von Schwittradio entstandene Klangmaterial in Form einer kollektiven Komposition aller beteiligten KünstlerInnen dar. Bertold Brecht Bertolt Brecht, der viele dieser heute verwendeten Konzepte und Strukturen in seinen Theorien vorhersah und forderte, hat das neue Medium Radio mit Begeisterung aufgenommen. Bald aber war der Dramatiker und Schriftsteller enttäuscht vo der allzu einseitigen Nutzung des Rundfunks durch die damaligen Programmmacher. Um 1930 entwickelte er daher eine "Theorie des Radios". Die Grundlage dafür bildeten unter anderem die beiden Schriften Der Rundfunk als Kommunikationsapparat (1932) und Vorschläge für den Intendanten des Rundfunks (1928) sowie einige praktische Radioarbeiten. "Was nun diesen Lebenszweck des Rundfunks betrifft, so kann er meiner Meinung nach nicht darin bestehen, das öffentliche Leben lediglich zu verschönern... Auch als Methode, das Heim wieder traut zu machen und das Familienleben wieder möglich, genügt meines Erachtens der Rundfunk nicht...". Es war Brechts größtes Anliegen, den Rundfunk so zu demokratisieren, "daß das Publikum nicht nur belehrt [wird], sondern auch belehren muß". Er wollte einen Hörfunk schaffen, der auch als "Empfänger“ funktioniert; so sollten die Hörer auch "Sender“ sein können. Seine Forderungen hierzu formulierte er in der "Rede über die Funktion des Rundfunks", publiziert 1932 in "Der Rundfunk als Kommunikationsapparat": "Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem; das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.“ Welche Macht das Radio besitzt, wenn es solche Theorien und Konzeptionen des Mediums beachtet, und darüber hinaus mit Illusion und Wirklichkeit spielt, zeigt eine der spektakulärsten "Radio-Geschichten" der Geschichte: Am 30. Oktober 1938 übertrug der New Yorker Sender CBS (Columbia Broadcasting Company) das Hörspiel "The War of the Worlds“ nach dem gleichnamigen Science Fiction Roman von H.G. Wells und inszeniert von Orson Welles und dem Mercury Theatre in Form einer fiktiven Reportage. Orson Welles Das Hörspiel, das die feindliche Invasion der Welt durch Außerirdische lebhaft schilderte, führte massenhaft zu Panikreaktionen in der Bevölkerung von New York und New Jersey. Viele ZuhörerInnen glaubten das Hörspiel sei eine reale Reportage über einen Angriff außerirdischer Lebewesen. Eine wesentliche Rolle für diese Reaktionen spielte dabei die Tatsache, dass viele ZuhörerInnen erst mitten drinnen zu CBS umschalteten und daher die Ankündigung des Hörspiels von Orson Welles zu Beginn der Sendung nicht gehört hatten. Angesichts der vorgetäuschten Live-Struktur des Hörspiels ahnten sie nicht, dass sie die Inszenierung eines Science Fiction Romans hörten. Die Geräuschkulisse, Schreie, aufgeregt durcheinander redende Reporter, die vermeintliche "Live"-Berichterstattung mit Augenzeugenberichten, Befehlen und Nachrichten vom Kriegsgeschehen sowie vorgetäuschte Senderausfälle waren Auslöser für die außergewöhnlich heftigen Reaktionen der Hörer. Ein Beispiel daraus: "Streets are all jammed. Noise in crowds like New Year's Eve in city. Wait a minute ... Enemy now in sight above the Palisades. Five - five great machines. First one is crossing river. I can see it from here, wading the Hudson like a man wading through a brook ... A bulletin's handed me ... Martian cylinders are falling all over the country. One outside Buffalo, one in Chicago, St. Louis ... seem to be timed and spaced ... Now the first machine reaches the shore. He stands watching, looking over the city. His steel, cowlish head is even with the skyscrapers. He waits for the others. They rise like a line of new towers on the city's west side ... Now they're lifting their metal hands. This is the end now. Smoke comes out ... black smoke, drifting over the city. People in the streets see it now. They're running towards the East River ... thousands of them, dropping in like rats. Now the smoke's spreading faster. It's reached Times Square. People trying to run away from it, but it's no use. They're falling like flies. Now the smoke's crossing Sixth Avenue ... Fifth Avenue ... one hundred yards away ... it's fifty feet ..." Einer der radikalsten Künstler dieser Zeit, der sich
ebenso mit dem relativ neuen Medium Radio und dessen
Möglichkeiten auseinandersetzte war der französische
Schauspieler, Dramatiker, Regisseur, Dichter und
Theoretiker <Antonin Artaud. Für viele gilt Artaud heute
als Mitbegründer der Performance-Theorie. "Wer bin ich? > Weiter: Teil 3 - Klingende Objekte |
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