SONNTAG, 20. Dezember 2009, 23:03 - 23:45, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST


Die Reihe "Literatur als Radiokunst" stellt im "Kunstradio" ein Laboratorium dar, wo Autorinnen und Autoren erstmals mit dem Medium "Radio", Text und Stimme experimentieren. Mit Sabine Scho und Nico Bleutge sind zwei Stimmen zu vernehmen, deren jüngsten Gedichtbände für Aufsehen sorgten.
In ihren radiophonen Débuts kommen ebenso Einwände gegen den schalltoten Raum des Aufnahmestudios zur Sprache (Sabine Scho: "Grober Rundfunk") wie die Kakophonie der "Stimmen, die einem beim Schreiben fortwährend durch den Kopf tönen" (Nico Bleutge: "Wasser. Steine"). Womit das Radio hier zum "Suchtfunk", dort zur Metapher des poetischen Weltempfängers wird.

(Christiane Zintzen, Producerin)


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«Wasser. Steine»

von Nico Bleutge


Ton : Martin Leitner

Länge: 12:00

Nico Bleutge: Zur Produktion von „Wasser. Steine“:

Es gab eine Art motivische Vorlage, die mir schon länger vorschwebte: mit Wasserbildern zu arbeiten. Es gab da im Hintergrund die Idee eines Stausees, der langsam ansteigt und ein Dorf unter sich begräbt. Das ist die motivische Ebene, die bei dieser Arbeit allerdings ziemlich bald in den Hintergrund rückte. Und ich bin volles Risiko gegangen, weil ich keinen fertigen Text haben wollte, den man in irgendeiner Weise vertont oder mit den Möglichkeiten des Radios aufpeppt, sondern der Text ist so in drei Stimmen geschrieben, dass er offen ist und sich darauf einlässt, seine eigentlichen Möglichkeiten erst im Radio mit dessen technischen Gegebenheiten und Finessen zu entfalten.
Obwohl ich die drei Stimmen so geschrieben habe, dass sie hintereinander ablaufen, konnte ich sie selber beim Schreiben noch nicht wirklich hören. Vielleicht fehlte mir dazu das nötige Hör- Vorstellungsvermögen, um den Zusammenklang der Stimmen vorwegzunehmen. Es war spannend, bei der Radioarbeit zu sehen, inwiefern sich manche Sachen verwirklichen lassen, manche nicht und dann aber doch etwas entsteht, was der vorher gefassten Idee sehr nahe kommt.
Was den Zusammenklang der Stimmen anbelangt, hat sich sehr Vieles so eingelöst, wie ich es mir vorgestellt hätte. Man merkt, wenn man es dann konkret hört, dass Manches rhythmisch weniger funktioniert, Manches besser. Darüber hinaus erfährt man den ganzen Möglichkeitsbereich radiophonen Arbeitens: das Spiel mit Lautstärke, Tempo, verschiedenen Sprechlagen, winzigsten Verschiebungen innerhalb von Tonhöhe – und wie sich anhand solcher Feinheiten das ganze Textgefüge jeweils verändern lässt.
Die Studioarbeit war für mich sehr interessant, weil sie viel von einem Schreibprozess hat: wie man immer wieder ausprobiert, sich vorantastet, instinktiv Unstimmigkeiten bemerkt, zurückgeht, es noch einmal probiert. Was man zunächst begrifflich noch gar nicht zu fassen vermag, schält sich nach und nach heraus. Der große Unterschied zum Schreiben wiederum ist, dass es eine Arbeit ist, die man zu zweit macht und die aus einem Wechselspiel besteht. Es hat etwas sehr Harmonisches, wenn Einwände oder Rückfragen von beiden Seiten jeweils Berücksichtigung finden und man sich langsam vorwärts hangelt. Manchmal gab es gewisse Ungleichzeitigkeiten, wenn Martin Leitner manche Sachen gespürt oder gesehen hat, die mir erst kurze Zeit später aufgegangen sind und dann haben wir beide daran gearbeitet. Das ist schon sehr spannend, wie so ein Prozess mit Rückkoppelungseffekten funktioniert.

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Produktionsnotizen

 

«Grober Rundfunk»

von Sabine Scho


Ton : Elmar Peinelt
Länge: 13:52

Sabine Scho: Zur Produktion von „Grober Rundfunk“:

Die Idee verdankt sich eigentlich einem größeren Text / Bild- Projekt, an dem ich schon länger arbeite und das titelt sich "Tiere in Architektur". In diesem Zusammenhang habe ich etwas gesucht, was sich vielleicht mit dieser "Literatur als Radiokunst" verknüpfen lässt und bin da auf die SONARISIERUNG gestoßen - also quasi den Sinn, den Delfine oder Fledermäuse benutzen, um sich in ihrer Umgebung zurecht zu finden.  Es gibt einen relativ neuen Artikel im "Spiegel" vom April d J. von diesem Wissenschaftler Martinez, der mit Studenten erprobt hat, diesen sonaren Sinn Menschen anzutrainieren, zw. wirklich auszuprägen, denn dass wir dessen nicht fähig sind, scheint ja außer Zweifel zu sein.
Und war dann die Peilung, gleichsam die Sonarpeilung und "Rein in die Idee!" und verantwortlich ach für dieses Stück „Literatur als Radiokunst“.
Die Arbeit im Studio war für insofern eine neue Erfahrung, als dass bisher nur Texte eingesprochen und Interviews gegeben habe. Aber Arbeit am Text und mit dem Text und mit all den Möglichkeiten eines Studios habe ich bislang noch nicht betrieben – aber: das wird sich jetzt ändern.
Am Anfang fühlt man sich ein wenig ausgesetzt wie in einer Raumkapsel – innen ist "Knabberschutz" an den schallschluckend verkleideten Wänden – also "Tiere in Architektur"... Derart fühlt man sich dann auch als Mensch im Studio. Und man fühlt sich auch an "Space Oddity" erinnert, man sucht dann immer "Ground Control to Major Tom", in diesem Fall der Tonmeister – weil man sich auch mit ProTools nicht so auskennt, wie auch?! – und man sich voll darauf verlassen muss, dass man da durch navigiert wird .Und man denkt weiter "Earth is blue and there is nothing I can do": Natürlich ist auch eine Menge dabei, das ich tun kann und ich möchte es künftig auch weiter tun.
Man bekommt gehörig Respekt vor den drei großen "G"s der Studiotechnik. Das wäre (in diesem Fall, wie es ich gelernt habe ) Gehör, Gerät und Gedächtnis. Denn all das, was man aufgenommen hat, muss sich ja auch wieder - wenn man es bearbeiten will - in die Erinnerung spielen: Vieles, das ich eingespielt hatte, war mir gar nicht mehr präsent. Also man muss ständig wieder alles durchhören und ich habe Respekt davor, dass Leute, die viel hören, das tatsächlich gespeichert haben und sich nicht sich nicht immer wieder alles von vorne anhören müssen. Ich hingegen muss dann immer sagen "Kann ich das bitte noch einmal hören?" aber man kann dies offensichtlich trainieren.
Und, was ich AUCH  gelernt habe: In "Geräuschen" steckt nicht von ungefähr der "Rausch" – Hören macht süchtig. Es war ein regelrechter Sucht- Funk und mich möchte mich bei all jenen bedanken, die mich angefixt haben.

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Produktionsnotizen






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