X-SPACE

Ein Portrait von Heimo Ranzenbacher

Immer weniger wird, was so ist, wie es zu sein scheint. Das setzt sich fort und dräut als unser aller Zukunft. Den schönen Schein wahrt indes der Mehrheitskünstler. (Er ähnelt darin dem Bauern in vorindustrieller Zeit. Dem, so Villem Flusser, war Wirklichkeit ein in seine Obhut gelegtes Wesen; er hämmerte die Sense noch im Hinblick auf die Pflanze. Der industrielle Bauer melkt im Hinblick auf die Flasche.)
Für ihn gilt die Faustregel, daß er so leicht zu porträtieren ist, wie er es sich in der Kunst macht.
Leichter noch ist's, wenn das, was er macht in schierer Weltvergessenheit geschieht. Dann kommt zur Biographie ein Selbstverständnis, das in dem seines Metiers selbst gründet.

Wie aber verfährt man im Fall x-space, Gerfried Stocker und Horst Hörtner, bei deren Arbeit von Kunst allenfalls als einem Verhalten unter dem Druck kultureller Erkenntnisse gesprochen werden kann?

Das Duo ist weit über den Aspekt der bloßen Ausnahmeerscheinung hinaus von Interesse:
Es ist symptomatisch für den Künstler einer im Entstehen begriffenen immateriellen Kultur, deren Träger die Technik ist.


Techniker sind sie von ihrer Lerngeschichte her beide:

Horst Hörtner,
1965 geboren, studierte Telematik an der TU-Graz und ist seit 1989 freiberuflicher Software-Entwickler mit Schwerpunkt auf Echtzeitsteuerung, Robotik und Interaktive Prozesse.

Gerfried Stocker,
Jahrgang 1964, absolvierte die HTL für Nachrichtentechnik in Graz sowie etliche Semester Musikwissenschaft und Telematik.


Gemeinsam haben sie nicht nur einen äußerst umfangreichen Katalog von Arbeiten verwirklicht, sondern auch österreichweit Know-How in Projekte zur ästhetischen Topographie des elektronischen Raumes investiert. Zwischen dem Klangsee für die Steirische Landesausstellung '91 und winke winke für die Biennale Venedig im Juni '93,kamen zwölf x-space-Projekte zur Durchführung.

"Ausgangspunkt", so Stocker, "ist stets die Faszination dieses hochtechnologischen Informationsenvironment, mit dem wir täglich konfrontiert sind, das Wissen über den elektronischen Raum, in dem wir leben. Dieses Wissen ist die eigentliche Inspirationsquelle für unsere Arbeiten. Es sind Versuche, die Wechselwirkungen zwischen technologischem Fortschritt und dem Bild von unserer Welt zu vermitteln. Dem Technisch-Möglichen bzw. - Verfügbaren neue Bedeutungszusammenhänge abzugewinnen."


Von Abbildung, Farbwert oder -symbolik, von Form, Komposition, Ausdruck oder Katharsis und all den Mandals der Moderne Sinn unterjubelnden Begriffen ist keine Rede.
Auch nicht von einer vordergründigen Kritik an technokratischen Machterverteilungen. Dafür, provokant, von einer Sympahtie für die gemeinhin als Horrorszenario beschriebene Möglichkeit, die Menschheits-Entwicklung in eine Techno-Evolution überzuleiten. "Ohnehin sind die verschiedenen Kommunikationstechnologien jeweils zum Ausgangspunkt neuer Weltmodelle geworden."


Das industrielle Weltbild (das den Bauern auf die Milchflasche hin orientierte) löst sich im Informationellen auf, das den Künstler auf die Theorien der Entscheidung, Informatik, Kybernetik, auf die Theorien der Zukunft hin orientiert.
Zukunft ist ein ontologischer Aspekt unserer Gegenwart geworden, nicht mehr wie früher Gegenstand der Prognose. Der Ingenieur-Künstler trägt diesem Aspekt Rechnung. Zum ersten Mal ist der Künstler nicht Beobachter und Interpret des kulturellen Wandels, sonder eine seiner unmittelbaren Folgen.


EPROM - über die ästhetik des verschwindens, eine Installation von x-space für die Ausstellung "Kunst&Kultur im ORF" (Innsbruck Dezember '92) illustriert diese Folge-Erscheinung. Bezeichnend ist zudem, daß Arbeiten wie EPROM nicht mehr als Werk für sich, sondern als Knoten in dem Netz verstanden werden, in dem sich das kulturelle Environment begreift. EPROM konfrontiert in einer Interaktionsschleife einen Festspeicher mit seinem Abbild. Resultat ist ein Computer, der sich quasi beim Datenspeichern zuschaut, daß durch die technischen Prozesse des Zuschauens die Qualität seiner Speicherfähigkeit zunehmend verlorengeht.

Allein der solcherart zur Darstellung gebrachte Prozeß maschineller Introspektion (der Selbstbeobachtung) ermöglicht erst die äußere Wahrnehmung von Vorgänge, die sonst nur mehr dem technischen Wissen einsichtig sind. Vorgängen mit kulturellen Folgen. Ebenso wie das Werk, der Knoten, nicht losgelöst vom Netz des kulturellen Environments zu verstehen ist, ist es auch der neue Künstler nicht - im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der bloß in die Kunst verstrickt war.Nichts versteht sich mehr von selbst.


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