Entgrenzungen?
Die unter dem Titel "among others 3" verlaufenden intermedialen Dialoge von
vier sich ablösenden Künstlergruppen in der Kunsthalle Exnergasse lassen
sich unter dem begriff der Entgrenzung kritisch betrachten. Als Beobachter
und Theoretiker möchte ich zunächst festhalten, daß die Entgrenzungsthematik
eine der typischen Phänomene der 90er Jahre ist, die partiell ihre Ansätze
im erweiterten und sozialen Kunstbegriff hat und damit Themenstellungen aus
den 60er und 70er Jahren in neuer medialer Form und mit neuen Varianten der
Überlappungen einbringt. Die ausschließliche Betonung von Prozeßcharakteren
der Kunst bzw. der Ausstellungen etc., kann über die Mangelhaftigkeit
künstlerischer Leistungen hinwegtäuschen. Hinsichtlich der Betonung des
Prozeßcharakters bleibt zu fragen, inwieweit das Künstlerische des Prozesses
bloß für die KünstlerInnen selbst oder auch für die von außen` Teilnehmenden
sichtbar oder schlüssig ist und wird. Der egomane Trip der KünstlerInnen
kann einer kritischen Auseinandersetzung nicht genügen, es muß sich das
künstlerische auch manifest machen und transparent werden. An den
Reibungsflächen sollte deutlich werden können, vor allem, wenn sich die
einzelnen KünstlerInnen über einen bestimmten Zeitraum begegnen und ablösen,
daß sozial-plastische Prozesse und erweiterte musikalische Konzepte
aufgehen. Soziale künstlerische Leistung manifestiert sich dort, wo ein
Eingehen, Aufgreifen, Infragestellen, transformieren, Überleiten,
Übergreifen etc. stattfindet, d.h. ein Diskurs sowohl in Prozeß- und
(temporär werkorientierter wie verbaler Form läuft. Unter diesen allgemeinen
Gesichtspunkten läßt sich hier kurz konstatieren:
Ein Mangel der ersten Gruppe (28.4.-9.5: Richard Crow, Clive Graham, Heimo
Lattner, Kaffe Mathews) trotz großzügiger und öffnender Lösung in bezug auf
den Raum über ein nicht ganz konsequent-durchgehaltenes Eingangslabyrinth
war der merkliche Abgrenzungsversuch, der in Zellenbildungen und
Schrebergartengestaltung, der Trennung der räumlichen Bereiche durch ein
Straßenverkehrsband verdeutlichte. Abgrenzung erschien künstlich
installiert, wo kein erkennbarer Grund und auch keine künstlerische
Notwendigkeit vorhanden war. Unklar und konventionell blieben partiell die
formalen Lösungen der Videoprojektionen in ihrer konkreten Raum- und
Objektbezüglichkeit. Gelungen dagegen die Kantine, die nach drei seiten
unterschiedlich offen, für sich einen sich entgrenzenden Gestaltungsraum
zuließ und architektonisch plaziert in den Raum als erweiterte Plastik
eingriff: Ort der Gerüche, Düfte, Geschmäcker, Zentrum akustischer Quellen,
transformiert in elektronische Musik, erweitert in Soundskulpturen.
Entgrenzungen von visuellen, bildenden, musischen und medialen Künsten
machen auch ihre Schlüssigkeit notwendig.
Da nun die zweite Gruppe (5.5.-16.5.: Jerome Noetinger, Lionel Marchetti,
Peter Morrens) bereits eingriff, ohne allerdings eine entsprechende
kommunikative Form der Auseinandersetzung mit der nun abgelösten Gruppe zu
finden ( Mißverständnisse blieben nicht aus), bleibt nun zu sehen, inwieweit
diese dem Themenbereich der Entgrenzungen näher zu rücken imstande ist. Der
dunkle Raum der ersten Gruppe, von der zweiten gelüftet, ist wieder zu einer
tabula rasa entkomponiert und destrukturiert, die Kantine als Schnittstelle
bleibt vorerst rudimentär bestehen.
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ao3 Infoline: Kunsthalle Exnergasse
401 21/42
ao3 Ticketinfo: WUK Kasse 401 21/70 (Mo-Fr 14.00-18.00 Uhr)