SONNTAG, 29. Mai 2005, 23:05. - 23:45, Ö1

KUNSTRADIO - RADIOKUNST




Vacant City Radio

von Anna Friz

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http://stream.mur.at:8000/kunstradio/mp3/2005A/29_05_05.mp3

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Die kanadische Radio- und Performancekünstlerin Anna Friz untersucht in ihrer neuen Radioarbeit Vacant City Radio verlassene Stadträume wie alte Silos und stillgelegte U-Bahn-Schächte an ihrem Wohnort Montreal sowie weitere Orte, aus denen sich die Ökonomie zurückgezogen hat. Unter anderen zählt die Künstlerin dazu auch die in Vergessenheit geratenen "virtuellen" Städte, die einst den Frequenzen der Kurzwellensender einen Namen und zugleich eine geografische Verortung gaben, zwischenzeitlich aber kommerziell orientierten Privatsendern weichen mussten.

Entlang der Eisenbahnschienen und den Wasserwegen der Stadt ragen still und leise die riesigen Betonkolosse; Fabriken und Silos, die einst von Maschinenlärm erfüllt waren sind nun still gelegt.
Dies sind ausgehöhlte, leere Orte:
ausgebrannt, verlassen, staubig, dunkel. In einer Stadt, die jedes Jahr mehr Menschen und Autos beherbergt, werden leerstehende Schuppen und Fabriken zu Orten des Übergangs, dabei ertappt wo alle Absichten in der Luft hängen. Sie haben ausgedient und wurden ihrem eigenen Widerhall überlassen.

-- Anna Friz

Von 2001-2002 machte Anna Friz Soundaufnahmen entlang der Industriezone des Lachine Kanals in Montreal im Rahmen des “Les Journèes Sonores” genannten Projekts von Andrea McCartney (http://artsandscience.concordia.ca/facstaff/m-o/mccartney/lachine). Dabei fing sie an, einige dieser leerstehenden Gebäude zu betreten und – quasi als “Nebenprodukt” – die leisen Klänge in diesen Innenräumen aufzunehmen, die sprichwörtlich das einzig Verbleibende von Montreals Vergangenheit als Industriestadt sind. In der Zwischenzeit sind viele dieser Orte nun “verloren” gegangen – sie wurden entweder abgerissen und durch Neubauten ersetzt oder renoviert und fungieren nun als Eigentumswohnungen.

Vacant City Radio verbindet diese Aufnahmen mit einer anderen Form verlorenen urbanen Raums – den Städten auf den Frequenzskalen alter Kurzwellenradios. Viele Transistorradios, insbesondere jene, die in Europa hergestellt wurden, führten an Stelle der Frequenz die Namen von Städten auf ihrer Skala, doch diese existieren oft nicht mehr. Die Frequenzen haben sich im Zuge einer Neugestaltung der Radiolandschaft zu Gunsten der zunehmenden Zahl an Privatsendern verschoben.

Anna Friz interessiert sich für diese Momente des Wechsels, des Übergangs zwischen einer monumentalen Vergangenheit und der Beliebigkeit der Gegenwart, speziell im Kontext der vergleichsweise jungen Städte Nordamerikas. Vacant City Radio berücksichtigt diese Verebbung von Orten und Erinnerung durch flüchtige akustische und radiophone Repräsentationen des Urbanen, durch Niedrigwatt-Übertragungen verlorener Klänge, die in den unbeleuchteten Ecken der Frequenzskala zu Tage treten.


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